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Flutkatastrophe im Ahrtal 2021

Gnadenhof-Betreiberin erinnert sich an Überflutung: „Ich habe nur noch geschrien: ‚Meine Tiere, meine Tiere!’“ 

Heike Schneider vom Gnadenhof Anna musste dabei zusehen, wie ihr Herzensprojekt – der Gnadenhof – als auch ihr Zuhause überschwemmt wurde und wie einige Tiere dabei starben.
Heike Schneider vom Gnadenhof Anna musste dabei zusehen, wie ihr Herzensprojekt – der Gnadenhof – als auch ihr Zuhause überschwemmt wurde und wie einige Tiere dabei starben. Foto: Gnadenhof Anna
Dennis Agyemang
Redakteur

10.10.2023, 18:34 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Es sind Szenen, die Heike Schneider nie wieder vergessen wird und an die sie tagtäglich wieder erinnert wird: Dieser Tag im Juli 2021, als sie dabei zusehen muss, wie ihr Zuhause und ihr Gnadenhof von der anliegenden Ahr überschwemmt werden und ihre Tiere in den Fluten um ihr Leben kämpfen.

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Auch jetzt, mehr als zwei Jahre, nachdem das Ahrtal überflutet wurde, erinnert noch viel auf dem Gnadenhof Anna an die entsetzlichen Regenfälle und die reißenden Fluten, die damals mindestens 135 Menschen das Leben kosteten und viele weitere ihr Hab und Gut. So ist noch immer nicht alles repariert und auch Schock und Trauer sitzen noch tief. „Verzeihen Sie mir, falls ich anfange zu weinen. Der Schock, der sitzt tief. Das war wirklich sehr hart“, so Heike Schneider zu Beginn des Gesprächs mit PETBOOK.

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„Ich kann noch immer nicht verstehen, warum keiner hineingegangen ist“

An den schicksalhaften Tag kann sich die leidenschaftliche Tierschützerin noch heute gut zurückerinnern. „Ich war nachmittags Medikamente ausfahren und da kam der Anruf von den Nachbarn, woraufhin ich sofort nach Hause gefahren bin. Als ich hier – keine 15 Minuten später – ankam, war schon die Feuerwehr da und der Tiefststand auf dem Hof bei über zwei Metern. In der Wohnung selbst und im Katzenhaus stand das Wasser bei etwa 1,60 Meter.“ Da in dem Moment das Wasser schon so hoch stand und die Strömung so stark war, wollte man Heike Schneider nicht mehr in ihr Haus lassen, sagt sie.

Sie könne sich bis heute nicht erklären, wo die ganzen Wassermassen und diese Naturgewalt herkamen. „Ich habe nur noch geschrien: ‚Meine Tiere, meine Tiere‘. Ich bin in die Flut rein und habe noch versucht, den Rest schwimmend zu retten.“ Zwei Hunde waren schon tot, einen konnte sie noch retten. „Der hat oben in meinem Schlafzimmer dann aber einen Herzinfarkt bekommen und ist auch gestorben.“

Heike Schneider mit einem Bewohner des Gnadenhof Anna.
Heike Schneider mit einem Bewohner des Gnadenhof Anna. Foto: Gnadenhof Anna

„Ich verstehe bis heute nicht, was der liebe Gott da gemacht hat“

Doch die Hunde waren nicht die einzigen Flutopfer, die es auf Heike Schneiders Gnadenhof zu beklagen gab. So kam unter anderem auch für vier Hühner und zwei Meerschweinchen jede Hilfe zu spät. „Das war sehr hart“, sagt Heike Schneider hörbar mit der Fassung ringend. „Ich kann noch immer nicht verstehen, warum keiner hineingegangen ist. Sie wussten, dass hier ein Gnadenhof ist und dass die Tiere rausgeholt werden müssen.“

Noch heute trauert Heike Schneider, die den Gnadenhof Anna 2008 gegründet hat, um die damals verstorbenen Tiere – insbesondere ihren Hund, wie sie PETBOOK erzählt:
„Ich bin zwar gläubig, aber ich verstehe bis heute nicht, was der liebe Gott da gemacht hat, warum er das meinem Hund angetan hat, der sowieso schon so ein schlimmes Schicksal hatte.“

„Da werde ich mein Leben lang nicht drüber hinwegkommen“

So habe der 17-jährige Schäferhund-Mix kaum noch laufen können und große Schmerzen gehabt. Kurz vor seinem Tod habe man bei dem Tier auch noch einen Tumor gefunden, der sich aber glücklicherweise als gutartig herausgestellt hat. „Und dann stirbt er so einen grausamen Tod!“ Und weiter: „Da werde ich mein Leben lang nicht drüber hinwegkommen. Er war wie mein Kind.“

Insgesamt sei die Rettung der Tiere recht dramatisch gewesen, beschreibt Heike Schneider. So sei sie bei den Nachbarn aus dem Fenster gesprungen, um so zu ihren Tieren zu gelangen. „Ich wollte mich eigentlich am Lattenzaun entlanghangeln. Das ging aber nicht, weil ich ihn nicht erwischt habe. Mein Nachbar hatte mich noch an der Hand gehalten und dann kam eine große Hundehütte vorbeigeschwommen und ich bin da aufs Dach geklettert und konnte so zu meinem Hühnergehege gelangen.“ Von dort habe sie sich dann in ihr überschwemmtes Haus gehangelt.

„Ich habe nachts nach meinem Hund getaucht“

„Ich habe nachts nach meinem Hund getaucht, weil ich den nicht in dem Dreck liegen lassen konnte. Da war ja alles voller Schlamm und Matsch und Moder. Wie ich dann alle Tiere gerettet habe, bin ich hier wieder in das Wohnzimmer rein. Ich bin den letzten Weg über das Dach angetreten, weil ich die Tiere nicht alleine lassen wollte.“

Doch in ihrem überfluteten Haus gab es keine Chance, die vermissten Tiere zu finden.
„Ich habe immer auf die Flecke geschaut, wo die Hunde am liebsten lagen, aber ich habe überhaupt nicht realisiert, dass ja alles schwamm, dass die da gar nicht mehr liegen konnten.“ Am nächsten Morgen habe sie die Hunde dann im Schlamm gefunden.

Das Ausmaß der Flut war verheerend.
Das Ausmaß der Flut war verheerend. Foto: Gnadenhof Anna

Für einige Tiere gab es ein Happy End

Extrem traumatische Momente für die Tierschützerin, wie sie selbst sagt. „Mir fehlen ausschnittsweise so viele Tage und Monate – jetzt noch.“ Doch in diesen düsteren Zeiten gab es auch einige Lichtblicke für den Gnadenhof und die Tiere, die dort lebten. So kamen schon am nächsten Tag viele der Freiwilligen und Vereinsmitglieder, die dabei halfen, die Tiere in Sicherheit zu bringen. Einige der Tiere haben durch die Notfallsituation bei einigen der Helfer sogar ein langfristiges Zuhause bekommen und leben noch immer dort. Aufgrund dieser Notsituation arbeite man bis heute noch mit recht vielen Pflegestellen zusammen.

Spurlos ist diese Flutkatastrophe aber nicht an den Tieren vorbeigegangen, beschreibt die Gnadenhof-Leiterin. „Die Katzen haben sich irgendwie zurechtgefunden. Die waren zwar die ersten paar Tage überhaupt nicht zu finden, die hatten sich überall versteckt, weil die auch traumatisiert waren.“ Doch den Humor scheint Heike Schneider nach all dem Leid dennoch behalten zu haben: Die „Gewinner“ dieser Flut waren die Enten. „Die hatten sowieso Spaß. Die hatten hier einen riesigen Swimmingpool. Die waren die Glücklichsten von allen.“

Glück im Unglück

Fast genauso unvorhersehbar wie das Ausmaß dieser Flutkatastrophe waren die Hilfe und Unterstützung der vielen freiwilligen Helfer, die von überall aus Deutschland ins Ahrtal reisten und den Betroffenen tatkräftig halfen. So auch bei Heike Schneider auf dem Gnadenhof Anna. „Das war einfach unglaublich, diese Hilfsbereitschaft der Menschen zu erleben“, erinnert sie sich zurück.

Doch aufgeben? Das war für die Tierschützerin nie eine Option. Und auch wenn der Hof auch heute nicht komplett wiederhergestellt ist, so betreibt Heike Schneider noch immer voller Leidenschaft ihren Gnadenhof, den sie 2008 in Eigenregie gegründet hat. Aktuell beherbergt er – mit den Außenstellen eingerechnet – etwa 420 Tiere. Davon sind etwa 40 bis 45 Hunde. Ansonsten biete der Gnadenhof vor allem alten und chronisch kranken Tieren wie Hunden, Katzen, Ziegen, Enten oder auch Kühen ein Dach über dem Kopf.

Freiwillige bei den Räumungsarbeiten.
Freiwillige bei den Räumungsarbeiten. Foto: Gnadenhof Anna

Die Tiere kommen oft mit traurigen Schicksalen auf den Gnadenhof

Oft seien es aus alterstechnischen Gründen ausgemusterte Nutztiere, oder auch Haustiere aus privater Haltung, bei denen die Besitzer in eine finanzielle oder gesundheitliche Schieflage geraten sind. „Da melden sich dann wirklich die Besitzer, weil sie kein Geld mehr haben, um sich um die Tiere zu kümmern und dann hier weinend anrufen und sie abgeben. Das sind leider meist ältere Menschen.“ Bei Katzen komme oft noch hinzu, dass die Tiere inkontinent werden und die Besitzer nicht mehr mit der Situation zurechtkommen.

Besonders eine Tierabgabe-Situation ist Heike Schneider im Gedächtnis geblieben. „Ich hatte mal eine alte Dame, die einen Wellensittich hatte und sich die Tierarztkosten für ihn nicht leisten konnte. Jetzt ging es darum: Entweder stirbt der Vogel und muss eingeschläfert werden oder … Ich habe mit der alten Dame telefoniert und sie meinte, sie hätte 75 € für ihre Zähne gespart und mehr hätte sie nicht. Wir haben dann den Vogel übernommen und ich nehme an, die Frau hat heute noch keine Zähne. Das fand ich wirklich sehr extrem.“

Jana Ina Zarella und Fressnapf-Inhaber Torsten Toeller mit Heike Schneider vom Gnadenhof Anna.
Jana Ina Zarella und Fressnapf-Inhaber Torsten Toeller mit Heike Schneider vom Gnadenhof Anna. Foto: ©Isa Foltin for Fressnapf

Auch noch heute gibt es viel, das an die Flutkatastrophe auf dem Hof erinnert. So leben auch jetzt noch viele Fluttiere dort, die buchstäblich angeschwemmt wurden. „Obwohl wir selbst untergegangen sind, haben wir selbst viele Fluttiere aufnehmen müssen.“ Damit meint Heike Schneider Tiere, bei denen die Halter nicht mehr ermittelt werden konnten oder sich die Haltung flutbedingt nicht mehr leisten können. „In manchen Fällen ging es nicht mehr, weil es Flutgebiet war, die Halter sich das Tier finanziell oder nervlich nicht mehr leisten konnten. Viele waren danach wirklich total am Ende. Oft sind Tiere auch einfach weggeschwommen oder Grund war, dass die Besitzer in Wohnungen ziehen mussten und die Tiere dorthin nicht mitnehmen konnten.“

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„Was Heike mit ihrem Team leistet, ist unglaublich“

Doch nach all den Hürden und Schicksalsschlägen hat es auch das Schicksal gut mit dem Gnadenhof Anna gemeint und Heike Schneider und die Freiwilligen für ihre unermüdliche Arbeit für den Tierschutz mit dem goldenen Fressnapf ausgezeichnet. Dieser ist mit einem Preisgeld dotiert und wurde von Moderatorin Jana Ina Zarella übergeben. (PETBOOK berichtete).

Über die Arbeit von Heike Schneider und den Gnadenhof Anna sagt die ehemalige „Love Island“-Moderatorin im Gespräch mit PETBOOK: „Was Heike mit ihrem Team leistet, ist unglaublich. Sie nimmt Tiere auf, die keiner mehr haben will und denen dadurch das Ende droht. Sie gibt ihnen einen Platz in ihrem Zuhause oder auf einer naheliegenden Weide und kümmert sich liebevoll mit ihrem Team um sie. Egal, ob Laufente, dem 15-jährigen Hund, der 18-jährigen Katze oder auch den Hühnern und Schafen, die keiner mehr will. Zu sehen, wie Heike nach dem Hochwasser mit großer Unterstützung, unter anderem durch das Preisgeld des ‚Goldenen Fressnapfs 2021‘, alles wieder mühevoll aufgebaut hat und ihr unerschütterlicher Wille sind sehr inspirierend.“

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