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Zwischen Hoffnung und Hängepartie

„Wie geht es jetzt weiter, Frau Kari?“ Bundestierschutzbeauftragte im Interview

Collage Ariane Kari, Louisa Stoeffler, angebundene Kühe
PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler (r.) traf Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari (l.) zum Gespräch. Warum Anbindehaltung bei Kühen in Deutschland immer noch erlaubt ist, war nur eins der brennenden Tierschutz-Themen. Foto: picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand / Holger Groß/BMLEH / Wolf Lux
Louisa Stoeffler
Redakteurin

5. Juni 2025, 11:39 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Ariane Kari hat als erste Bundestierschutzbeauftragte viel bewegt – und weiß trotzdem nicht, ob sie weitermachen darf. Im PETBOOK-Gespräch blickt sie zurück und nach vorn.

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Seit zwei Jahren ist Ariane Désirée Kari die Stimme der Tiere in der Bundesregierung – als erste Bundestierschutzbeauftragte überhaupt. In dieser Zeit hat sie viel bewegt: Sie initiierte Formate wie die Frühjahrskonferenz, brachte Akteure aus Wissenschaft, Politik und Praxis an einen Tisch, engagierte sich für bessere Bedingungen in Tierheimen und machte sich für Sachkundenachweise in der Hundehaltung stark. PETBOOK hat die Arbeit der Bundestierschutzbeauftragten von Beginn an journalistisch begleitet – mit kritischem Blick, Hoffnungen auf ein neues Tierschutzgesetz und viel Anerkennung für die fachliche Tiefe und das spürbare Herzblut hinter den Projekten.

Bundestierschutzbeauftragte zwischen Hoffnung und Hängepartie

Nun steht das Amt der Bundestierschutzbeauftragten auf der Kippe (PETBOOK berichtete). Nach dem Regierungswechsel ist unklar, ob das noch junge Amt dauerhaft erhalten bleibt – oder ob dem Tierschutz auf Bundesebene wieder eine unabhängige Stimme fehlt. Immerhin: Fürs Erste wurde die Amtszeit um einige Monate verlängert. Zeit für ein offenes Gespräch. Unsere Redakteurin Louisa Stoeffler traf Ariane Kari zum Interview – wobei der Ton eher an ein vertrautes Gespräch erinnert als an eine klassische Fragestunde. Es geht um Erfolge, Rückhalt und Frustrationen, um politische Unwägbarkeiten und um die große Frage: Wie geht es weiter mit dem Tierschutz in Deutschland?

PETBOOK: Liebe Frau Kari, es ist ja tatsächlich nicht viel passiert, seitdem wir das letzte Mal berichtet hatten. Es ist weiterhin so, dass Ihre Amtszeit trotz einer ersten Verlängerung erst einmal auf der Kippe steht. Wie gehen Sie damit um, dass noch nicht klar ist, ob Ihr Amt weitergeführt werden kann?
Ariane Kari:
„Ich halte es für den Tierschutz für wichtig, dass das Amt weiterhin existiert. Nur so bekommen Tiere in der Politik eine unabhängige Stimme. Die Frage, ob ich persönlich weitermachen darf, steht auf einem anderen Blatt. Natürlich ist solch ein Schwebezustand nicht einfach.“

Es hatten sich ja auch ziemlich viele prominente Tierschützer für Sie eingesetzt und Petitionen wurden gestartet. Sie haben also auf jeden Fall Rückendeckung aus der Tierschutz-Community.
„Ja, es gab hier in den letzten Wochen ganz viel Bewegung. Wobei die Initiative nicht nur von klassischen Tierschutzorganisationen ausgeht, sondern auch von der Tierärzteschaft und von juristischen und veterinärmedizinischen Fakultäten in Deutschland. Das zeigt mir, dass meine Arbeit von vielen geschätzt wird und hoffentlich einiges besser machen konnte.“

Bundestierschutzbeauftragte über Hoffnung, ihre Arbeit fortzuführen

Diesen Kreis haben Sie ja auch mit ihren verschiedenen Formaten, wie der Frühlingskonferenz oder dem Runden Tisch zur Lage der Tierheime, zusammengebracht. Würden Sie dies weiterführen wollen?
„Natürlich würde ich diese Formate sehr gerne weiterführen, einfach weil sie für die Stärkung des Tierschutzes in Deutschland sehr wichtig sind. Bei der Frühjahreskonferenz geht es vor allem darum, Tierärzt:innen und Jurist:innen an einen Tisch zu bringen, fortzubilden und miteinander zu vernetzen. Denn das sind die zwei Professionen, die in Deutschland den Tierschutzvollzug auf ihren Schultern tragen. Trotzdem sind Fortbildungsformate im Tierschutzrecht hierzulande rar gesät. Und dass diese Lücke wirklich dringend geschlossen werden muss, hat dieses Jahr erneut eindrücklich gezeigt.“

Wie zeigte sich das?
„Wir hatten fast doppelt so viele Anmeldungen wie im Vorjahr. Auch der positive Rücklauf im Anschluss an die Veranstaltung war riesig. Außerdem ist mir natürlich die Fortführung des Runden Tisches zur Entlastung der Tierheime ein großes Anliegen. Hier haben wir ein Arbeitsprogramm entwickelt, das auf vier Säulen basiert und alle Faktoren umfasst, die zur Überlastung der Tierheime beitragen. In den vergangenen Monaten haben wir bereits einige Punkte angehen können. Aber damit ist die Arbeit natürlich noch längst nicht beendet.“

Mehr Informationen hier: Runder Tisch Tierheime

Ariane Kari über ihre Projekte im bundesweiten Tierschutz

Sie haben also noch weitere Projekte, die Sie gerne fortführen würden?
„Natürlich. Das sind einige. Seit dem vergangenen Jahr arbeiten wir gemeinsam mit den Stadt-, Kreis- und Landestierschutzbeauftragten an dem Thema Sachkundenachweise für Hundehaltende. Die Idee ist hier zunächst Leuchtturm-Projekte in einzelnen Städten zu etablieren. Sie sollen zeigen, welche zahlreichen Vorteile solche Sachkundenachweise haben. Und das in der Hoffnung, auch die Bundespolitik davon zu überzeugen, gesetzliche Regelungen dafür zu schaffen.

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Die Tierschutzbildung ist mir ebenfalls ein großes Anliegen, an dem mein Team und ich bereits im Rahmen der Runden Tische zur Entlastung der Tierheime intensiv arbeiten. Hier haben wir nämlich ganz viel zu tun. Gerade, wenn man uns mit unserem Nachbarn Österreich vergleicht, wo die Tierschutzbildung sogar gesetzlich verankert ist. Außerdem arbeite ich schon seit einigen Monaten im intensiven Austausch mit wirtschaftlichen Akteuren entlang der Lebensmittelkette an der Etablierung eines Runden Tisches zum zukünftigen Umgang mit der CO₂-Betäubung.

Und dann gibt es natürlich noch die Rechtsetzungsverfahren, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergeben und bei denen ich gerne mitwirken würde. Also, Sie sehen, die Ideen und die Arbeit gehen uns nicht aus.“

Allerdings gibt es ja nun einige Verschiebungen. Sie kennen die Arbeit in einem Grün geführten Ministerium. Nun haben wir aber einen CSU-Minister, der in seiner Regierungserklärung gesagt hat, dass er die Landwirte stärken möchte. Es bräuchte weniger Regeln und Bürokratie. Wo bleibt da der Tierschutz?
„Ich selbst bin parteilos und bevor ich nach Berlin gekommen bin, habe ich in einem CDU-geführten Haus in Baden-Württemberg gearbeitet. Tierschutz ist keine Parteipolitik, sondern als Staatsziel ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, das viele Bereiche tangiert und uns alle angeht. Genau deshalb bin ich ja die unabhängige Beauftragte der gesamten Bundesregierung und arbeite dementsprechend mit allen Ministerien eng zusammen –unabhängig davon, wo meine Geschäftsstelle sitzt.“

»Zukunftsfähige Landwirtschaft funktioniert nur mit Tierschutz

Können Sie mir als Laien noch einmal erklären, weshalb es in Deutschland im Jahr 2025 immer noch Anbindehaltung bei Kühen gibt?
„Historisch betrachtet ist die Anbindehaltung eine relativ alte Haltungsform. Eine zukunftsfähige Landwirtschaft funktioniert aber nur mit mehr Tierschutz. Das sagen uns nicht nur viele Studien und Verbraucherbefragungen. Auch die Landwirte, die den Ausstieg aus der Anbindehaltung geschafft haben, bestätigen mir immer wieder, dass sie sehen, dass es ihren Tieren nun besser geht. Und dass es damit auch ihnen besser geht.

Aber Landwirte brauchen hierfür neben finanzieller Unterstützung und bau- und emissionsrechtlichen Erleichterungen natürlich auch eine Rechts- und Planungssicherheit. Viele melden mir zurück: ‚Ich könnte umbauen, ich weiß aber nicht, was ich in 20 Jahren noch darf. Deswegen mache ich es gerade nicht.‘ Eine große Chance sehe ich daher in der Etablierung von einem Prüf- und Zulassungsverfahren, das Haltungssysteme und Zubehör auf Tierschutzrechtskonformität prüft. Dies wäre proaktiver Tierschutz und sicherlich auch im Sinne der Landwirtschaft, weil es eben die dringend notwendige Rechts- und Planungssicherheit schaffen würde.“

Haben Sie durch ihre Arbeit auch etwas gelernt, das Sie noch nicht über den Tierschutz gewusst haben?
„Ich habe in einer tiermedizinischen Uniklinik ein Bild von einer nackten Englischen Bulldogge gesehen. Ich wusste nicht, dass es eine solche Züchtung gibt.“

Was?
„Das hat mich sprachlos gemacht. So geht es mir aber häufiger, wenn wir über Qualzuchten sprechen. Denken Sie etwa an Eierfische, die so gezüchtet werden, dass ihnen eine Flosse fehlt oder an schuppenlose Echsen.

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Bundestierschutzbeauftragte über Hoffnung auf Bewegung im Tierschutzgesetz

Nach dem Regierungsbruch stand die Befürchtung im Raum, dass, wenn wir das neue Gesetz jetzt nicht verabschiedet bekommen, es noch 20 Jahre in der Schublade liegen würde. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
„Im Koalitionsvertrag gibt es einige Punkte, die nur mit einer Novellierung des Tierschutzgesetzes umgesetzt werden können. Das sind die geplanten Regelungen zum Onlinehandel, zur Videoüberwachung auf Schlachthöfen und zu Kontrollen auf VTN-Betrieben (Anm. Der Red.: Verarbeitungsbetrieben Tierischer Nebenprodukte).

Außerdem fordert auch das EU-Recht aktuell Anpassungen des Tierschutzgesetzes auf nationaler Ebene. Ich bin optimistisch, dass eine Novellierung des Tierschutzgesetzes in den kommenden vier Jahren ansteht.“

Was würden Sie unseren Lesern und anderen Tierschützern, die unser Interview jetzt lesen, gerne noch mitgeben? Auch für den Alltag.
„Dass die Schritte im Tierschutz zwar oft klein sind, es sich aber immer lohnt, für sie zu kämpfen. Genau deshalb sollten wir auch nie damit aufhören, uns für unsere tierlichen Mitgeschöpfe stark zu machen. Sei es durch die Arbeit im Tierschutzvollzug oder durch Engagement im praktischen Tierschutz.“

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