
18. Juli 2025, 14:03 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ob im Garten, im Wald oder auf dem Gehweg – viele möchten den wehrlosen Weichtieren helfen, etwa wenn sie drohen, auf dem Asphalt überfahren zu werden. Die meisten würden die Schnecke wahrscheinlich einfach am Gehäuse hochnehmen und umsetzen. Doch genau das sollte man nicht tun, denn man könne die Tiere dadurch verletzen.
Ob in Foren oder auf Social Media – immer wieder heißt es, man solle Schnecken auf keinen Fall am Gehäuse hochnehmen. Die Tiere seien so sehr am Untergrund festgesaugt, dass man innere Organe verletze, wenn man am Gehäuse ziehe – darauf weist etwa das Online-Gartenmagazin „24Garten.de“ hin. Leider finden sich zu dieser Behauptung kaum valide Informationen. PETBOOK fragte daher bei einem Schenkenexperten nach, ob man Schenken tatsächlich nie am Gehäuse hochnehmen sollte.
Darf man Schnecken am Gehäuse hochnehmen?
Die kurze Antwort: Nur mit Vorsicht. Und keinesfalls abrupt. Walter Wimmer, Schneckenexperte und Geschäftsbereichsleiter „Regionaler Naturschutz“ beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, warnt: „Wenn sehr stark an ihrem Haus gezogen wird, kann es im Weichkörper der Schnecke tatsächlich durch Überdehnung empfindlicher Strukturen zu Verletzungen kommen.“
Der Grund: Schnecken haften mit ihrem muskulösen Fuß über Schleimsekrete besonders fest am Untergrund. Wer sie dann einfach am Häuschen nach oben zieht, riskiert nicht nur Schreck und Stress für das Tier, sondern auch echte körperliche Schäden – insbesondere am sogenannten Mantel, der das Gehäuse mit dem Körper verbindet. Im schlimmsten Fall kann dies zum Tod führen.
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Warum Schnecken so fest mit dem Grund verbunden sind
Schnecken „kleben“ nicht nur – sie sind wahre Haftkünstler. Möglich macht das ihr Fuß: ein muskulöses Organ, das wellenartige Bewegungen erzeugt und dabei Schleim absondert. Dieser Schleim dient nicht nur der Fortbewegung, sondern auch als „Kleber“, mit dem sich die Schnecke regelrecht ansaugt – selbst kopfüber an glatten Wänden. 1
Diese starke Verbindung kann bei plötzlichem Zug gefährlich werden. Auf Schnecken-Foren und in Fachartikeln wird daher gewarnt: Niemals vom Untergrund „abreißen“. Das kann den Rückziehmuskel überdehnen und innere Verletzungen verursachen.
Sollte man Schnecken überhaupt anfassen?
„Gegen das Anfassen der Schnecken spricht nichts“, sagt Wimmer. „Allerdings sollten sich keine Stoffe an den Fingern befinden, die der feuchten Oberfläche des Schneckenkörpers schaden, wie zum Beispiel Salz oder Handcreme.“
Da Schnecken über ihre Haut Stoffe aufnehmen, ist Händewaschen vorher Pflicht – ohne Seifenreste oder Cremes. Genauso wichtig ist das Händewaschen danach. Schnecken sind Aasfresser, kompostieren auch Kot – darunter auch Hundekot in urbanen Gegenden. Ihre Schleimspuren können Parasiten enthalten, die für Menschen zwar selten gefährlich, aber dennoch unerwünscht sind.
Hilft das Klopfen am Gehäuse?
Ein Tipp, der unter Schneckenfreunden kursiert: Zweimal sanft an das Haus klopfen. Die Schnecke zieht sich erschreckt zurück – und löst so freiwillig die Haftung zum Untergrund. Dann kann man sie vorsichtig hochheben. „Das vorsichtige Klopfen kann das Ablösen tatsächlich unterstützen“, erklärt Wimmer. „Es sollte aber so erfolgen, dass das Haus der Schnecke nicht beschädigt wird.“
Wie Sie Schnecken richtig umsetzen
Wenn es wirklich nötig ist, eine Schnecke umzusiedeln – sei es, um sie von der Straße zu retten oder aus dem Gemüsebeet zu entfernen –, dann so:
- Nie am Gehäuse reißen: Besonders nicht, wenn die Schnecke aktiv auf glattem Untergrund unterwegs ist.
- Sanft klopfen oder „locken“: Ein leichtes Tippen auf das Haus kann helfen, die Haftung zu lösen. Alternativ: Finger vor die Schnecke halten – mit etwas Geduld kriecht sie von selbst darauf.
- Hilfsmittel nutzen: Ein feuchter, weicher Pinsel, eine glatte Plastikkarte oder ein nasses Blatt können helfen, den Fuß vorsichtig vom Boden zu lösen.
- Feuchte Hände oder Unterlage: Schnecken mögen es feucht. Trockene Hände können ihre Schleimhaut reizen.
- Sicherer neuer Ort: Setzen Sie die Schnecke nicht einfach mitten auf einen trockenen Weg. Besser sind feuchte, schattige Orte mit Pflanzen – möglichst nicht zu weit vom ursprünglichen Fundort entfernt.

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Fazit
Schnecken sind faszinierende und unterschätzte Tiere mit hoch entwickelter Anpassung an ihre Umwelt. Wer ihnen helfen möchte, sollte dabei auf ihre Besonderheiten Rücksicht nehmen. Denn gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
Walter Wimmer bringt es auf den Punkt: „Mit ein bisschen Umsicht und Verständnis lässt sich vermeiden, dass man dem Tier versehentlich Schaden zufügt.“ Es lohnt sich also, hinzusehen – und vielleicht sogar die kleinen, schleimigen Gartenbewohner ein wenig mehr wertzuschätzen.