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Überlebensstrategien

Mit diesen irren Tricks sparen Tiere im Winter Energie

Rothirsch im Schnee
Rothirsche gehören zu den Tieren, die im Winter besonders auf ihren Energiehaushalt achten müssen, um zu überleben Foto: Getty Images
Ninja Sinke Autorin

16.11.2022, 05:52 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Wenig Nahrung, Temperaturen unter null. Im Winter ist das Leben für Wildtiere eine Herausforderung. Denn nicht alle verschlafen diese Jahreszeit oder fliegen in den warmen Süden. Stattdessen haben einige der Tiere, die bleiben, außergewöhnliche Überlebensstrategien entwickelt.

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Während im Herbst noch auf Hochtouren die letzten Vorbereitungen für den Winter getroffen und Vorräte angelegt werden, ist es in den kalten Monaten still. Viele Tiere haben sich in ihre Winterquartiere zurückgezogen, bis es wieder wärmer wird. Doch längst nicht alle schlafen – die Suche nach Nahrung geht weiter. PETBOOK erklärt die vielfältigen Tricks heimischer Wildtiere, mit denen sie sich Kälte und Nahrungsmangel entgegenstellen. Dabei geht es ihnen besonders um eines: Energie sparen.

Enten haben im Winter kalte Füße

Fällt der Blick auf einen zugefrorenen See, sind Enten meist nicht weit. Denn Enten sind die Tiere, die selbst im Winter stundenlang auf dem Eis stehen, ohne es zum Schmelzen zu bringen. Auch scheuen sie sich nicht davor, im eiskalten Wasser zu paddeln. Frieren tun sie dabei nicht. Wie kann das sein? Der Grund dafür ist ein ausgeklügelter Trick ihres Blutgefäßsystems.

Enten haben in ihren Beinen und Füßen eingebaute Wärmetauscher. Damit kann sich die Bluttemperatur der Tiere so stark unterscheiden, dass im Körper um die lauschige 40 Grad Celsius herrschen, während die Füße nur ein Grad Celsius erreichen.

So funktioniert der Wärmetauscher der Enten

Im Blutsystem der Ente wird vom Herzen sauerstoffreiches, warmes Blut durch den Körper gepumpt, auch in Richtung der Füße. Von den Füßen aus fließt dagegen kaltes, sauerstoffarmes Blut in den Venen zurück zum Herzen und zur Lunge. Dort wird das Blut erneut mit Sauerstoff angereichert.

Die gleichbleibend hohe Temperatur im Entenkörper kommt durch das Zusammenspiel der Arterien und Venen zustande: Diese verlaufen parallel zueinander und sind eng verflochten. Durch den Kontakt der Blutgefäße wird ein Großteil der Wärme des arteriellen Blutes auf das zurückfließende venöse Blut übertragen. Dieser Vorgang nennt sich Gegenstromprinzip. So bleibt das Blut innerhalb der Füße der Ente kalt, während ihr Körper durch das zurückfließende, angewärmte Blut nicht auskühlt.

Kalte Füße haben einen doppelten Nutzen

Die permanent kalten Füße von Enten (und anderen Vögeln) erlauben den Tieren, Energie einzusparen und diese anders zu nutzen. Denn warme Füße würden diese Energie ungenutzt an die Umgebung abgeben. Dazu kommt: ihre kalten Füße schützen Enten davor, auf dem Eis festzufrieren. Warme Füße würden das Eis zum Schmelzen bringen. Dabei könnte die Ente festfrieren, wenn die angeschmolzene Eisschicht in den niedrigen Temperaturen erneut gefriert.

Zwei Enten auf dem zugefrorenen Eis
Tiere, die man im Winter an den kältesten Orten erblickt: Enten macht es nichts aus, stundenlang auf dem Eis zu stehen Foto: Getty Images

Rothirsche verkleinern ihre Verdauungsorgane und kühlen ihre Extremitäten herunter

Rothirsche nutzen im Winter mehrere Tricks, um Energie zu sparen. Einer davon ist die Fähigkeit, zu dieser Jahreszeit nur halb so viel zu fressen wie im Sommer, sodass die Verdauungsorgane sich verkleinern.

Das ist möglich, da sich die großen Tiere im Herbst Fettreserven zulegen, von denen sie im Winter lange zehren können. Gleichzeitig kann der Darm die Nährstoffe schneller aufnehmen und umsetzen, das spart ebenfalls Energie. Obwohl Rothirsche in der kalten Jahreszeit weniger fressen, reicht die Nahrungsaufnahme in Kombination mit der schnellen Verstoffwechselung der Nährstoffe für sie aus.

Verringerte Durchblutung kühlt Extremitäten auf bis zu 15 Grad Celsius ab

Um zusätzlich Energie zu sparen, senken Rothirsche ihre Körpertemperatur auf bis zu 15 Grad Celsius herab. Ähnlich den Enten haben auch Rothirsche im Winter kalte Extremitäten. Dabei verringern sie im Gegensatz zu den Vögeln jedoch die Durchblutung. So sind die Tiere in der Lage, ihre Körpertemperatur über mehrere Stunden zu senken.

Was gut für den Energiehaushalt der Rothirsche ist, macht die großen Tiere insgesamt „starrer“. Sie bewegen sich in diesem Zustand deutlich weniger. Im „Energiesparmodus“ befinden sich Rothirsche meist nachts und am frühen Morgen. Werden die Tiere in dieser Zeit gestört und müssen flüchten, verbrauchen sie dabei große Mengen wertvoller Energie. Durch häufiges Aufschrecken der Tiere während der Wintermonate verschlechtert sich ihr körperlicher Zustand. Für die Rothirsche kann das lebensgefährlich werden, wenn sie sich dem Erschöpfungstod nähern.

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Rothirsche im Winter
Rothirsche zählen zu den Tieren, die im Winter ihre Körpertemperatur senken. Zusätzlich verkleinern die großen Tiere ihre Verdauungsorgane Foto: Getty Images

Weinbergschnecken dichten ihren Eingang ab

Um sich vor den frostigen Temperaturen des Winters zu schützen, nutzt die Weinbergschnecke das, was für sie das ganze Jahr über vorhanden ist: ihr Schneckenhaus. Als Vorbereitung auf die Überwinterung gräbt sich die Weinbergschnecke zunächst ein Loch. Blätter und Gräser nutzt sie dazu, das Winterquartier zu isolieren. Das wechselwarme Tier verbringt den Winter in einer Kältestarre.

So baut sich die Weinbergschnecke eine isolierte „Haustür“

Als Nächstes folgt das Abdichten des Schneckengehäuses: Die Weinbergschnecke sondert ein kalkhaltiges Sekret ab, das an der Luft erstarrt und einen harten Deckel bildet. Damit verschließt die Schnecke ihre Schalenmündung und legt sich für den Winter eine schützende „Haustür“ zu.

Damit ist es für die Weinbergschnecke aber noch nicht getan. Sie zieht sich im Inneren ihres Gehäuses weiter zurück und atmet dabei Luft aus. Diese Luft bildet zwischen Schnecke und Deckel ein Luftpolster und funktioniert als eine weitere Isolierung. Um für noch mehr Isolierung zu sorgen, kann die Weinbergschnecke mehrere Luftpolster hintereinander anlegen. Die Luftpolster trennt sie durch abgesonderte Schleimmembranen.

Weinbergschnecken können Temperaturen bis zu -40 Grad Celsius überleben

Weinbergschnecken, die in einem Loch Schutz gesucht und ihre Schalenmündung abgedichtet haben, können extreme Temperaturen von bis zu -40 Grad Celsius überleben. Bei extrem tiefen Temperaturen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Schnecke teilweise einfriert. Um das zu verhindern, stellt sie ihren Stoffwechsel um: Dazu scheidet sie überflüssiges Wasser aus. Denn je weniger Flüssigkeit in den Zellzwischenräumen der Schnecke vorhanden ist, desto weniger Eiskristalle können sich bilden, die ihr Gewebe schädigen.

Weinbergschnecke im Winter
Weinbergschnecken verschließen im Winter den Eingang ihres Gehäuses. Meist suchen sie zusätzlich in Löchern Schutz, da Frost für sie gefährlich ist Foto: iStock/aquatarkus

Dachse wärmen ihren Bau mit einer Bio-Heizung

Während es kalt und ungemütlich ist, befinden sich viele Tiere im Winter schlafend in Verstecken, auch die Dachse. Die Raubtiere halten in ihren Bauten Winterruhe und wagen sich nur für die Nahrungsaufnahme nach draußen. Ihren Stoffwechsel fahren Dachse während der Winterruhe stark herunter, so sparen sie Energie. Um ihren Bau warmzuhalten, wissen sie sich auf besonders außergewöhnliche Art und Weise zu helfen: sie heizen ihren Rückzugsort.

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Das Gangsystem der Dachsbauten verteilt die Wärme gleichmäßig

In ungefähr fünf Metern Tiefe befindet sich der Dachsbau, der aus mehreren Kammern besteht. Mit dem Waldboden ist der Bau über verschiedene Gänge verbunden, sodass ausreichend Luftzufuhr vorhanden ist. Seinen Wohnkessel polstert der Dachs mit Gräsern, Moos oder anderen Pflanzenresten aus. Im Herbst sammelt das Wildtier als Vorbereitung auf die Winterruhe feuchtes Laub und Erde, die ebenfalls im Bau verschwinden. Damit baut sich der Dachs seine eigene Bio-Heizung.

In der hereingebrachten Erde befinden sich Bakterien, welche Gräser und Laub zersetzen. Während dieses Gärungsprozesses entsteht Wärme, die sich über das Gangsystem gleichmäßig im Bau verteilt. Mit dieser selbst gebauten Bio-Heizung wärmt der Dachs seinen Bau in den kalten Wintermonaten – das ist besonders nützlich für die Geburt der Jungen im Februar.

Dachs im Winter
Dachse gehören zu den Tieren, die sich im Winter größtenteils schlafend in ihrem warmen Bau aufhalten. Zur Nahrungsaufnahme wagen sie sich nach draußen Foto: Getty Images

Alpenschneehühner graben Höhlen im Schnee

Alpenschneehühner sind keine Zugvögel. Sie leben das ganze Jahr über in den bayerischen Alpen und Voralpen. An die extremen Temperaturen ihres Lebensraumes haben sich die taubengroßen Vögel mit ihrem wechselnden Federkleid angepasst: Im Winter löst ein schneeweißes, dichtes Gefieder die braunen Federn der warmen Jahreszeit ab.

Neben seinem dichten Gefieder weiß sich das Alpenschneehuhn mit einem weiteren Trick zu wärmen. Es nutzt die isolierende Eigenschaft der Schneemassen aus und gräbt sich ein. Unterhalb der Schneedecke sind die Temperaturen höher als im Wind, so spart das Alpenschneehuhn Energie. Dort kann es vor Feinden geschützt schlafen und Nahrung verdauen. Schutz sucht das Alpenschneehuhn im Pulverschnee vor allem nachts und am Nachmittag.

Wiederkehrende Störungen gefährden das Alpenschneehuhn

Befindet sich das Alpenschneehuhn eingegraben an seinem Rückzugsort, spürt es Vibrationen aus mehreren Hundert Meter Entfernung. Flüchtet das Alpenschneehuhn, verbraucht es dabei wertvolle Energie – besonders, wenn es sich zum Fliegen gezwungen sieht. Aus diesem Grund können Störungen für die Vögel lebensgefährlich werden. Nicht nur geht Energie verloren, gleichzeitig wird auch die Verdauung der Nahrung unterbrochen. Kommt es zu häufigen Störungen, kann das bei den entkräfteten Vögeln zum Tode führen.

Alpenschneehuhn im Winter
Alpenschneehühner sind mit ihrem weißen Gefieder im Schnee perfekt getarnt. Schutz suchen sie sogar unterhalb der Schneedecke Foto: Getty Images

Maulwürfe schrumpfen ihr Gehirn

Der Europäische Maulwurf hat einen besonders komplexen Stoffwechsel, für den das kleine Tier im Winter nicht genügend Energie zur Verfügung hat. Ohne Winterschlaf oder -ruhe bedient sich der Maulwurf eines extremen Tricks, die kalten Monaten des Jahres zu überleben: Er schrumpft sein Gehirn um bis zu elf Prozent! Damit spart das kleine Säugetier in den Wintermonaten wertvolle Energie.

Im November beginnen Maulwürfe damit, sowohl ihren Schädel als auch ihr Gehirn zu schrumpfen. Das geschieht mithilfe komplizierter Umbauprozesse und knochenabbauender Zellen. Im Frühjahr vergrößern sich die Schädel und Gehirne der Maulwürfe wieder, besonders stark ist das Wachstum im Juli.

Maulwürfe sind jedoch nicht die einzigen kleinen Säugetiere, die ihre Köpfe schrumpfen lassen können. Auch Spitzmausarten, Wiesel und Hermeline machen von dieser Taktik Gebrauch, um im Winter weniger Energie zu benötigen.

Maulwurf im Winter
Den Winter verbringt der Maulwurf schlafend unter der Erde Foto: Getty Images
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Stechmücken schützt Frostschutzmittel vor dem Erfrieren

Ausgerechnet die Hausmücke ist für den Winter mit einem außergewöhnlichen Trick gewappnet: Sie hat eine Art Frostschutzmittel im Blut, welches sie vor dem Erfrierungstod schützt.

Mücken suchen für ihre Überwinterung geschützte Orte innerhalb von Gebäuden auf, sie haben es gerne kühl und feucht. Dort verfallen sie in eine Art Kältestarre. Um diesen Zustand zu erreichen, scheiden die Insekten überschüssige Körperflüssigkeit aus. So vermeiden sie, dass sich in der im Gewebe befindenden Flüssigkeit Eiskristalle bilden können. Das würde für die Mücke den Tod bedeuten.

Zuckermoleküle senken den Gefrierpunkt des Blutes

Hat die Mücke ihre überschüssige Flüssigkeit verloren, werden in die verbleibende Menge Zuckermoleküle eingebaut. Diese Moleküle wirken wie ein Frostschutzmittel, denn sie senken den Gefrierpunkt des Blutes. Die weiblichen Mücken, die auch für die juckenden Stiche verantwortlich sind, kommen so unbeschadet durch den kalten Winter und können im Frühjahr ihre Eier ablegen.

Mücke im Winter
Mücken können den Winter zum Leidwesen der Menschen an geschützten Orten mit einem Trick besonders gut überstehen: sie haben ein Frostschutzmittel im Blut Foto: iStock/Tatiana Andrianova

Quellen

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