
30. April 2025, 14:02 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Muränen sehen an sich schon furchterregend aus. Doch nur wenige wissen, dass die Tiere in ihrem mit spitzen Zähnen besetzten Maul noch einen zweiten Kiefer besitzen. Dieser liegt versteckt und schnellt nur hervor, wenn die Raubfische nach Beute schnappen. Was es mit dem Doppelkiefer auf sich hat, erklärt PETBOOK-Redakteurin und Biologin Saskia Schneider.
Auf den ersten Blick könnte man sie für Aale halten. Muränen gehören definitiv zu den unbekannteren Raubfischen. Doch zumindest vielen Disney-Fans sind die Tiere ein Begriff. Dort stehen der bösen Meerhexe Ursula die beiden Muränen namens Flotsam und Jetsam (in der deutschen Neusynchronisierung auch: „Abschaum“ und „Meerschaum“) zur Seite. Auch in der Realität sehen die Raubfische recht gruslig aus: mit ihren starren Augen und offen stehenden Mäulern luken sie aus Felsspalten hervor. Im Jahr 2007 entdeckten Forscher dann auch noch, dass manche Arten einen zweiten Kiefer besitzen, der tief im Maul verborgen ist und beim Beutefang hervorschnellt. Manche mag das an den Film „Alien“ erinnern. Dabei hat es einen ganz praktischen Grund, warum Muränen diesen sogenannten Doppelkiefer besitzen.
Was sind Muränen?
Muränen bilden eine eigene Gruppe, die Familie Muraenidae. Dabei handelt es sich um aalartige Knochenfische. Aktuell sind etwa 200 Arten bekannt. Die meisten von ihnen leben in flachen tropischen und subtropischen Meeren. Es gibt aber auch zwei Muränenarten, die in Europa vorkommen: die Mittelmeer-Muräne (Muraena helena) und die Braune Muräne (Gymnothorax unicolor).
Muränen gehören nicht zu den Fischen, die frei im Meer herumschwimmen. Sie leben vorwiegend in Korallenriffen und Felsklippen. Dort haben sie sich auf ein Leben in engen Spalten spezialisiert. Dank ihres lang gestreckten, schlangenähnlichen Körpers finden sie fast überall Unterschlupf. Meist ragt nur ihr Kopf mit geöffnetem Maul hervor, was nicht unerheblich zum Gruselfaktor dieser Fische beiträgt.
Was fressen Muränen?
Muränen sind Raubfische und ernähren sich rein carnivorisch – also von Fleisch. In der Regel gehen sie nachts auf die Jagd, wobei sich die verschiedenen Arten nicht auf eine bestimmte Nahrung oder Beute spezialisiert haben. Je nachdem, ob sie abgerundete oder spitze Zähne haben, bevorzugen Muränen allerdings unterschiedliche Beute. So haben es Exemplare mit spitzen Zähnen vor allem auf Fische und Kopffüßer wie Kraken abgesehen, während Arten mit abgerundeten Zähnen hartschalige Beutetiere wie Krebse bevorzugen – mit Ausnahme von Putzergarnelen, mit denen Muränen in einer Symbiose leben.
Warum Muränen ein Doppelkiefer besitzen
Wie die meisten Raubfische müssen sich Muränen bei ihrer Jagd auf Beute auf ihren Biss verlassen. Dafür besitzen die Tiere zum einen eine kräftige Kiefermuskulatur, die sie fest zubeißen lässt. Zum anderen sind ihre Zähne im Maul nach hinten gerichtet. Das verhindert, dass ihre Beute wieder entkommt.
Und als ob das noch nicht genug wäre, besitzen einige Muränenarten einen zweiten Satz Kieferknochen, die sogenannten pharyngealen Kiefer. Sie sind ebenfalls mit scharfen Zähnen besetzt. Sie helfen Muränen, ihre Beute zu verschlingen. Entdeckt wurde diese anatomische Besonderheit erst 2007, als Forscher der Universität von Kalifornien in Davis Muränen mit Röntgenstrahlen durchleuchteten.

Dabei fanden sie das zweite Kieferpaar im Rachen der Fische. Es schnellt nur hervor, wenn die Muränen bereits ein Beutetier erwischt hat. Der Rachenkiefer greift nach der Beute und zieht diese weiter nach hinten. Die Muräne muss den Fisch also nur mit den Zähnen erwischen und braucht nicht noch einmal nachfassen, um ihn zu verschlingen – das übernimmt Kiefer Nummer zwei, der das Futter dann Richtung Speiseröhre befördert.
Die Forscher vermuten, dass der Doppelkiefer eine Anpassung an die spezielle Lebensweise der Muränen ist. Denn die Raubfische lauern bevorzugt in schmalen Felsspalten auf ihre Opfer. Das macht es ihnen allerdings schwer, ausladend nach ihrer Beute zu schnappen. Der zweite Kiefer macht das Zuschnappen jedoch so effektiv, dass Muränen nicht darauf angewiesen sind, ihr Opfer mit einem perfekt sitzenden Biss zu erwischen. Es reicht, wenn sie den Fisch ihrer Wahl zwischen die Zähne bekommt.1, 2
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Die giftigsten Fische der Welt
Sind Muränen für Menschen gefährlich?
Muränen sehen recht gruselig aus und seien wir ehrlich: In dem Film Ariel wirken Flotsam und Jetsam nicht gerade sympathisch. Auch bei Tauchern sorgen die Fische manchmal für Unwohlsein. Denn fühlen sie die Tiere bedroht, reißen sie das Maul weit auf und bleiben in dieser Stellung, bis keine Gefahr mehr droht.3
Dazu kommt, dass einige Arten giftig sind. Ihre Giftdrüsen sitzen in der Mundschleimhaut hinter den Hakenzähnen und entleeren sich bei einem Biss direkt in die Wunde. Allerdings gibt es nur wenige Arten, deren Gift tatsächlich gefährlich oder gar tödlich für Menschen ist.
Oft wird behauptet, die Mittelmeermuräne gehöre zu den giftigsten Muränen der Welt. Sie ist eine der wenigen Arten, die in Europa vorkommt. Die Tiere leben im Atlantik und werden bis zu 1,4 Meter lang und 5,5 Kilogramm schwer. Allerdings geht von ihnen keine Gefahr aus – zumindest nicht durch Gift, denn sie besitzen keine Giftzähne im Maul. 4, 5
Trotzdem sollte man Muränen nicht provozieren. Denn auch wenn die Raubfische gegenüber Menschen nicht aggressiv sind, können sie angreifen, wenn sie sich bedroht fühlen. Dann schnellen sie oft aus ihrem Versteck hervor und können auch zubeißen. Das ist nicht nur sehr schmerzhaft, sondern auch ohne Gift gefährlich. Denn im Muränenmaul gibt es viele Bakterien, sodass sich Bisswunden schwer entzünden können. 6
Kein Wunder also, dass die Tiere bei vielen Tauchern einen schlechten Ruf haben. Dabei erfüllen sie als Räuber eine wichtige Rolle im Ökosystem Meer.