VG Wort
Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
Forscher finden heraus

Darum bekommen Wale keinen Krebs

Buckelwal
Wie riesig Wale für uns Menschen sind, zeigt diese Aufnahme zweier Buckelwale neben einem Taucher Foto: Getty Images
Ninja Sinke Autorin

26.01.2023, 17:14 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Blauwale sind die größten Lebewesen, die jemals auf der Erde existiert haben. Sie werden bis zu 30 Meter lang und 150 Tonnen schwer. Kein anderes Tier kommt an die schwimmenden Giganten heran. Warum viele Walarten heute sehr groß sind, obwohl sie von deutlich kleineren Landtieren abstammen, konnten brasilianische Forscher in einer Studie herausfinden.

Artikel teilen

Aktuell leben in Ozeanen weltweit 86 Walarten, dazu gehören auch Delfine und Schweinswale. Ein Merkmal einiger Wale wie dem des Blauwals ist ihre enorme Größe. Dieser Gigantismus entstand jedoch erst im Laufe der letzten fünf bis zehn Millionen Jahre. Das ist eine vergleichsweise kurze Zeit, entwickelten sie sich doch vor 50 Millionen Jahren aus vergleichsweise winzigen Landtieren. Warum Wale im Laufe ihrer Evolution so riesig wurden, untersuchten Forscher, indem sie genetische Analysen durchführten. Dabei kamen sie zu erstaunlichen Ergebnissen.

Gene von Landtieren liefern Erkenntnisse zu Riesenwuchs bei Walen

Die Wissenschaftler um Felipe André Silva analysierten im Rahmen der Studie die genetischen Grundlagen, die bei einigen Walarten zu Riesenwuchs führen. Denn die Körpergröße der Wale steht in keinem Verhältnis zu ihren winzigen Vorfahren. Sie untersuchten dafür die Gene von 19 Walarten. Sieben Walarten mit einer Körperlänge von mehr als zehn Metern stuften sie als Riesen ein. Darunter waren auch Finnwale, die bis zu 25 Meter messen und bis zu 19 Meter lange Buckelwale.

Der Fokus der Analyse lag auf neun Genen: Fünf davon regulieren die Produktion von sogenannten insulinähnlichen Wachstumsfaktoren, die bei Lebewesen das Zellwachstum steuern. Die restlichen vier Gene sind bei Nutztieren wie Schweinen, Kühen, Schafen oder Pferden für ihre Größe verantwortlich und wurden daher bereits eingehend untersucht. Warum sich aus letzteren auch Rückschlüsse auf Wale ziehen machen, mag zunächst überraschen. Was haben Wale und Landtiere schon gemeinsam? Eine ganze Menge, denn die Meeresbewohner gehören, wie Schweine und Kühe, zur Ordnung der Paarhufer. Die Forscher konnten sich daher an den bereits erforschten Genen orientieren.

Auch interessant: Delfine könnten wegen Demenz stranden

Bisher wurde die Nahrungsaufnahme als Grund für den Riesenwuchs angenommen

Vermutungen darüber, warum Wale so riesig sind, gibt es mehrere. Die durch das Wasser gebotene Unabhängigkeit von der Schwerkraft ist eine. Auch die hohe Verfügbarkeit von Nährstoffen, die sich prähistorischen Walen im Ozean bot, wird von Wissenschaftlern vermutet, wie die „New York Times“ berichtete. Eine der wichtigsten Hypothesen beziehe sich den Studienautoren zufolge auf die Nahrungsaufnahme der Meeressäuger, diese unterscheide sich bei Zahn- und Bartenwalen stark.

Zahnwale, dazu gehören etwa Delfine und Schwertwale, orten mithilfe von Schallwellen (Biosonar) Beutetiere. Diese erbeuten sie auch vom Meeresboden, indem sie hinabtauchen. Dagegen „jagen“ zahnlose Bartenwale auf andere Art und Weise: Sie öffnen ihr Maul, lassen Wasser und Nahrung in Form von Krill, Plankton und anderen winzigen Organismen hineinströmen und drücken dieses anschließend zwischen den Bartenplatten wieder heraus. Die Beute verbleibt im Maul. Für Bartwale stellt dies eine hocheffiziente Art der Nahrungsaufnahme dar.

Riesige Wale hatten evolutionsbedingt bessere Überlebenschancen

Die Studienautoren beschreiben, dass diese hocheffiziente Nahrungsaufnahme der Bartenwale ein Grund dafür sei, warum sich bei ihnen der Gigantismus durchsetzte. Das belege eine überraschende Erkenntnis der Wissenschaftler, die so bisher noch nicht dokumentiert worden sei. Sie identifizierten eine Veränderung des Gens, das bei Walen ursprünglich Zahnbildung verursachte. Das veränderte Gen verlor seine Funktion und wird bei Bartenwalen für ihre Zahnlosigkeit und möglicherweise die Entstehung der Bartenplatten-Filtersysteme verantwortlich gemacht. Die als evolutionäre Innovation geltenden Barten brachten diesen Walen einen Vorteil, den Zahnwale nicht haben: die Nahrungsaufnahme mittels Filtration. Das könne der Grund dafür sein, warum die meisten Riesen unter den Walen zu den Bartenwalen gehören.

In ihrer Genanalyse identifizierten die Forscher ebenfalls vier weitere Gene, die für die enorme Größe der Wale verantwortlich gemacht werden. Diese sind in der DNA der Meeressäuger positiv verstärkt, das heißt, ihre Merkmale treten häufiger auf. So verbesserten diese Gene die Überlebenschancen der Wale, die riesig wurden und das enorme Körperwachstum setzte sich im Lauf der Evolution durch.

Auch interessant: Buckelwale singen über 14.000 Kilometer Entfernung dasselbe Lied

Mehr zum Thema

Ihre Gene schützen Wale vor Krebszellen

Die enorme Körpergröße vieler Wale hat für sie evolutionsbedingt einige Vorteile. Gleichzeitig erhöht sich normalerweise mit zunehmender Körpergröße auch das Risiko für Krebserkrankungen. Denn mit einem großen Körper steigt die Zahl der Zellen und so auch die Rate derer, die sich teilen. Wo Zellteilungen stattfinden, ist wiederum die Wahrscheinlichkeit der Entstehung beschädigter Zellen höher, aus denen sich Krebszellen bilden können.

Aus zellbiologischer Sicht also hätten die Wale, die größer sind als andere, somit deutlich schlechtere Chancen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall! Dies bestätigt Autorin Dr. Mariana F. Nery der „New York Times“. Die vier identifizierten Gene spielen ihren Angaben nach nicht nur eine Rolle bei der Körpergröße der Wale. Sie unterdrücken wahrscheinlich auch die Entstehung von Krebszellen.

Für die medizinische Forschung sind diese Erkenntnisse bedeutungsvoll, könnten sie doch die Krebsforschung bei Menschen möglicherweise beeinflussen. Unabhängig davon seien Wale für das menschliche Verständnis von Evolution selbst von Bedeutung, äußert sich Dr. Nery auf Anfrage der „New York Times“. Sie hoffe, mit ihrer Arbeit die Aufmerksamkeit der Menschen auf diese „wunderbaren Tiere und ihre erstaunliche und fesselnde Evolutionsgeschichte“ lenken zu können.

Themen #amazon Meerestiere Wale
Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale-Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.