17. April 2025, 17:54 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Faultiere sind nicht nur die wohl entspanntesten Tiere des Regenwaldes – noch dazu sind sie sind echte Überlebenskünstler mit erstaunlichen Tricks und Fähigkeiten. Wer denkt, sie seien einfach nur langsam und süß, unterschätzt die cleveren Anpassungen, mit denen Faultiere seit Millionen Jahren erfolgreich durch das Leben baumeln. Hier sind verblüffende Fakten über die heimlichen Superstars des Tierreichs.
Der Name Faultier wird den besonderen Tieren nicht gerecht. Im Gegenteil, denn Faultiere sind nicht etwa ausgesprochen träge, sie sind nur langsam, verbrauchen so weniger Energie und werden von Beutegreifern mithilfe von cleveren Tricks schlechter entdeckt. Aber sind sie auch wirklich die langsamsten Tiere der Welt? PETBOOK verrät diesen und viele weitere faszinierende Fakten zu den Säugetieren aus Mittel- und Südamerika.
Sind Faultiere wirklich die Langsamsten von allen?
Faultiere sind spätestens seit dem Film „Zoomania“ Kult. Das langsame Behördenfaultier „Flash“, dass erst einmal eine Minute braucht, um sein Maul nach einem Witz zum Lachen zu öffnen, ist nicht nur Animationsfans ein Begriff. Auch in den sozialen Medien sind die gelassene Tiere mit dem scheinbar entspannten Grinsen beliebt.
Allerdings sind ihr entspanntes Leben und ihre dunklen Knopfaugen natürlich in erster Linie nicht dazu da, sie zu „liken“. Tatsächlich sind Faultiere echte Überlebenskünstler mit erstaunlichen Tricks und Fähigkeiten. So gelten sie auch faktisch als die langsamsten Säugetiere der Welt – das bestätigt ihnen das „Guinessbuch der Rekorde“. Allerdings nur einer bestimmten Art des Dreifinger-Faultiers. Mehr dazu aber später.
Prähistorisches Faultier war so groß wie ein Elefant
Das Faultier kommt in zwei Gattungen vor: den Zweifinger- und den Dreifinger-Faultieren. Diese Gattungen wiederum haben sieben Arten hervorgebracht, die sich äußerlich für Laien kaum unterscheiden. Alle heute lebenden Faultiere haben gemeinsam, dass sie hauptsächlich Baumbewohner sind.
Ausgestorbene Arten waren teilweise auch reine Bodenbewohner – so wie das größte Faultier der Welt, das sogar in Höhlen lebte und von dem Paläontologen heute immer noch Grabungsspuren finden. Die verschiedenen Riesenfaultiere waren etwa so groß wie ein Elefant und wogen bis zu 4200 Kilogramm!
Deutlich kleiner und auch um einiges gemächlicher ist das Dreifingrige Faultier, das den Rekord für das langsamste Säugetier der Welt trägt. Laut „Guinnessbuch der Rekorde“ ist dies: Bradypus tridactylus, auf Deutsch: das Weißkehlfaultier. Es hat eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 1,8-2,4 m pro Minute (oder 0,1-0,16 km/h), kann aber in den Bäumen auf 4,6 m pro Minute (oder 0,27 km/h) „beschleunigen“.
Zwei Finger, drei Finger oder mit Kokosnusskopf – alles ein Faultier
Allerdings ist dieses Faultier nur eine der fünf Arten von Dreifinger-Faultieren. Daneben gibt es noch das Braunkehl-Faultier (Bradypus variegatus) und das Zwergfaultier (Bradypus pygmaeus), was erst 2001 beschrieben wurde und nur in einem winzigen Verbreitungsgebiet auf der Insel Escudo de Veraguas vor Panama vorkommt.
Außerdem gibt es noch die Kragenfaultiere Bradypus torquatos und Bradypus crinitus. Letzteres tarnte sich mit seinem kokosnussfarbenen Kopf so gut, dass man es 170 Jahre nach der ersten Beschreibung im tropischen Regenwald nicht wiederfinden konnte. Erst 2022 wurde klar, dass es tatsächlich das Südöstliche Kragenfaultier ist und sich von seinen Verwandten aus dem Norden vor langer Zeit getrennt hat (PETBOOK berichtete).
Bei den Zweifinger-Faultieren ist der Stammbaum übersichtlicher. Es gibt das Eigentliche Zweifingerfaultier oder Unau (Choloepus didactylus) und Hoffmann- Zweifingerfaultier (Choloepus hoffmanni). Welche dieser Arten nun wirklich die langsamste ist, ist unbekannt. Den Titel trägt jedoch weiterhin das Weißkehlfaultier.
Allerdings nur unter den Säugetieren – denn viele weitere Tiere sind noch langsamer als das Faultier. Zum Beispiel die gewöhnliche Gartenschnecke, Seesterne und See-Anemonen. Manche Anemone stellt nach ihrer Jugend jegliche Bewegung ein. Dagegen ist ein Faultier gar ein Aktivitätsmonster.
Warum Faultiere so langsam sind
Die Gemütlichkeit der Tiere ist nicht nur Geduldsprobe, sondern clevere Anpassung an ihre Umgebung. Denn die Hauptnahrungsquelle von Faultieren hängt ohnehin in nächster Nähe: Alle Faultiere ernähren sich zu einem großen Teil von Laub. Zweifinger-Faultiere verspeisen zusätzlich auch gelegentlich Obst oder Insekten. Oft müssen Faultiere also nur das Maul öffnen und die Blätter direkt neben ihnen fressen. Sie sparen also Energie mit ihrer Langsamkeit.
Wer viel schläft und sich wenig bewegt, muss auch weniger fressen als andere Tiere. Deswegen verbringt das Faultier einen Großteil des Tages im Schlummer: Bis zu 15 Stunden hängen sie dösend – und kopfüber – am Baum. Damit das funktioniert, hat die Natur ihnen noch ein paar Tricks mitgegeben: Ihre inneren Organe sind im Körperinneren „festgezurrt“, sodass sie beim Hängen nicht gegen das Zwerchfell drücken.
Auch ihre Krallen, die bis zu 10 Zentimeter lang werden können, dienen nicht nur dem Klettern, sondern auch der Verteidigung gegen Beutegreifer wie Adler oder Jaguare. Außerdem verfügen sie über einen cleveren Mechanismus, der ihnen wieder das Energiesparen erlaubt: Ihre Sehnen fixieren ihre Klauen, sodass sie ohne Kraftaufwand in einer zugeklappten Haltung bleiben – ähnlich wie bei Fledermäusen, die beim Schlafen auch nicht von der Decke fallen. Selbst der Tod hält sie manchmal nicht davon ab, an Ästen hängenzubleiben. Eine morbide, aber beeindruckende Eigenheit.
Warum Faultiere grünes Fell haben
Das Fell von Faultieren ist lang und eher drahtig. Natürlicherweise ist es beige-bräunlich oder grau gefärbt. Da die Tiere aber den Großteil des Tages kopfüber hängend in Bäumen verbringen, läuft bei den häufigen Regenfällen in den Tropen viel Wasser durch die Haare der Tiere. Hier siedeln sich dann grüne Algen an.
Schweres, algiges Fell klingt nach einem Nachteil, ist aber eine geniale Tarnung! Die grünlichen Fellbelege helfen ihnen, sich perfekt in den Blättern des Regenwaldes zu verstecken. Zudem leben in ihrem Fell ganze Mini-Ökosysteme: Motten, Käfer, Bakterien und sogar Pilze haben dort ihren Lebensraum gefunden. Eine echte WG in der Baumkrone!
Faultiere sind also nicht ohne Grund so gemächlich, dass man den Algen auf ihrem Fell beim Wachsen zuschauen kann. Da sie durch ihre Fellfarbe gut gegen Fressfeinde getarnt sind, besteht keine Notwendigkeit eines schnellen Fluchtverhaltens – und sie können einfach weiter abhängen.
Ein Leben über Kopf
Die gesamte Anatomie der Faultiere hat sich im Laufe der Evolution an die Fortbewegung kopfüber angepasst. So sind die Gliedmaßen der Tiere besonders lang und die Muskeln so gestaltet, dass sich Faultiere mit besonders wenig Energieaufwand einfach an Bäumen und Ästen festhalten kann.
Daher verläuft bei ihnen als einzigem Säugetier auch der Scheitel nicht auf dem Rücken, sondern auf dem Bauch. Dies ist eine weitere Anpassung an den Lebensstil über Kopf, da so das Regenwasser besser ablaufen kann.
Und noch eine weitere Anpassung gibt es, die ihnen eine Rundumsicht erlaubt: Faultiere haben neun Halswirbel – zwei mehr als die meisten anderen Säugetiere. So können sie Kopf und Schultern um fast 270 Grad drehen – perfekt, um in alle Richtungen nach Feinden Ausschau zu halten, ohne den Körper bewegen zu müssen.
Faultiere können nicht schwitzen
Nicht nur die Bewegung und Aktivität sind bei Faultieren reduziert. Auch die Körpertemperatur bewegt sich tagsüber nur um die 33 Grad Celsius. Nachts kann sie sogar auf 24 Grad absinken. Die Temperaturregelung hilft natürlich wieder dabei, Energie einzusparen. Dafür kommen die Tiere auch schlecht in die Gänge.
Übrigens: Dass Faultiere auch aus Versehen sterben können, weil sie ihren Stoffwechsel zu sehr herunterfahren, ist eher in den Bereich der Social-Media-Legenden zu verorten und stimmt nicht.
Faultiere sind jedoch extrem temperaturanfällig. Da sie nicht schwitzen können und kaum eigene Körperwärme erzeugen, sind sie stark abhängig von der Außentemperatur. Wird es zu kalt, verlangsamt sich ihr Stoffwechsel tatsächlich so sehr, dass sie daran sterben können. 1
Häufigste Todesursache? Toilettengang!
Ihr langsamer Stoffwechsel und die meist vegetarische, faserreiche Kost sorgen dafür, dass Faultiere nicht so oft „müssen“. Etwa einmal die Woche verlassen die Baumbewohner die sichere Höhe und machen ihr Geschäft auf dem Boden. Die Hälfte aller Todesfälle ereignet sich deshalb auch beim Toilettengang. Denn hier sind sie Beutegreifern schutzlos ausgeliefert.
Warum die Tiere das gefährliche Ritual, vom Baum abzusteigen und sich ein Loch zu buddeln, jedoch jede Woche wieder auf sich nehmen, haben Forscher 2014 untersucht. Dieses seltsame Verhalten könnte Teil eines raffinierten ökologischen Netzwerks, speziell von Dreifinger-Faultieren, sein. Denn Zweifinger-Faultiere nehmen dies nicht auf sich, sondern bleiben einfach in der Baumkrone während sie „fallen lassen“.
Algen-Kimchi in Eigenproduktion
Die Forscher wiesen signifikant mehr Motten auf Dreifinger-Faultieren nach. Durchschnittlich mindestens 15 vs. 4,5 bei Zweifinger-Faultieren. Gleichzeitig hatten die größeren Dreifingrigen auch eine höhere Konzentration von Ammonium-Stickstoff sowie deutlich mehr Algenbiomasse im Fell. Der durchschnittliche Algenanteil betrug rund 125,5 Gramm – etwa 2,6 Prozent der Körpermasse.
Die Studie legt nahe, dass das Verhalten der Dreifinger-Faultiere, fürs „Geschäft“ den Boden aufzusuchen, Teil einer Symbiose ist: Durch das Ablegen von Kot ermöglichen sie Motten, ihre Eier im Dung abzulegen. Die geschlüpften Larven entwickeln sich dort und fliegen später zurück ins Fell, wo sie Nährstoffe einbringen – vermutlich durch ihre Ausscheidungen oder ihren eigenen Zerfall, der über Pilze mineralisiert wird.
Dies fördert dann das Algenwachstum, was dem Dreifinger-Faultier erlaubt, größer zu werden als seine zweifingrigen Verwandten. Denn die so angereicherten Algen enthielten etwa 45 Prozent mehr Fett als Blätter. 2
Faultiere fermentieren also quasi ihr eigenes Kimchi-Superfood aus Algen in ihrem Fell. Die energiereiche Nahrungsquelle „Marke: Eigenbau“ ist leicht verdaulich und zeigt eine co-evolutionäre Anpassung auf vielen Ebenen.
Faultiere sind gern allein
So gern Faultiere mit Fliegen und Motten zusammenleben, so wenig angetan sind sie von Artgenossen. Die Tiere aus Mittel- und Südamerika sind sich in der Regel selbst genug. Nur zur Paarungszeit finden sich Männchen und Weibchen zusammen.
Weibchen tragen ihre Jungtiere vom ersten Tag nach der Geburt festgeklammert auf ihrem Bauch umher. Hier haben die Nachkommen direkten Zugang zu den Zitzen und sind sicher und geschützt. Erst nach mehreren Monaten werden die Faultierjungen selbstständiger und gehen eigene Wege. 3

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Faultiere sollte man nicht anfassen
Wer nach Motten-, Algen- und Pilzbefall nun immer noch den Wunsch hat, einmal ein Faultier zu streicheln, sollte sich das doch noch einmal genauer überlegen. Denn das „Ökosystem Faultier“ existiert nur in einem empfindlichen Gleichgewicht. Menschliche Keime könnten bei den Tieren tödliche Krankheiten verursachen und Hautpartikel sowie Talg das Algenwachstum hemmen, auf das die Tiere angewiesen sind.
Weiterhin sind Faultiere wehrhafter als man auf den ersten Blick annehmen würde. Ihre langen Krallen sind messerscharf und ein Biss kann auch für Menschen zu einer schweren Infektion führen.