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Mini-Papageien

Vor dem Spiegel allein im Käfig? Was Wellensittiche wirklich wollen

Wellensittiche
Ackern für die Fitness: Wellensittiche, die sich ihr Futter selber erarbeiten müssen, bleiben länger gesund. Foto: Robert Günther/dpa-tmn
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PETBOOK Redaktion

30.07.2023, 09:33 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Wellensittiche sind klein, bunt, neugierig – und vermeintlich anspruchslos. Ein ideales Haustier bei wenig Platz also? Bloß nicht. Wer die Mini-Papageien glücklich machen will, muss Einsatz zeigen.

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Wellensittiche sind farbenfrohe Mini-Papageien, die ursprünglich aus Australien stammen. Zudem sind die Sittiche neugierig und sozial. Sie sind bewegungsfreudige Tiere, die in der Natur in großen Schwärmen leben und dort auf der Suche nach Nahrung lange Strecken zurücklegen. Wie passt dieses Bild zusammen mit dem apathischen Vogel, der alleine in einem kleinen Käfig hockt, mal an den Gitterstäben entlangklettert oder stundenlang gegen einen Spiegel pickt? Gar nicht. Die Vögel einzeln in einem kleinen Käfig ohne richtige Beschäftigung und ohne Freiflug zu halten, das ist das Schlimmste, was Wellensittichen passieren kann.

»Wellensittiche allein zu halten, ist wirklich Tierquälerei

Noch immer machen viele bei der Haltung von Wellensittichen zahlreiche Fehler. „Wenn ich die einzeln einpferche, ohne körperliche und geistige Betätigung, ist dies für die Tiere eine extreme Einschränkung“, sagt Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes und selbst Besitzerin von vier Wellensittichen. „Sie auf diese Weise komplett alleine zu halten, ist wirklich Tierquälerei.“

„Leider gibt es immer noch viele völlig falsche Vorstellungen darüber, wie man Wellensittiche richtig hält“, sagt auch Wencke Sabrina Schacht, Autorin eines Wellensittich-Ratgebers und Gründerin von wellensittiche-blog.de. Doch warum werden die Tiere überhaupt noch einzeln gehalten? Einige Mythen halten sich hartnäckig, wie etwa: Ein Wellensittich alleine mache weniger Dreck, oder die Tiere würden schneller zutraulich. Außerdem heißt es, dass es anspruchslose Tiere seien, denen man nichts bieten müsse. Dabei ist das Gegenteil der Fall.

Auch interessant: Warum man Wellensittiche niemals alleine halten darf

Spiegel für Wellensittiche sind tierschutzwidrig

Das, was der Handel speziell für einzelne Tiere anbietet, ist in Wirklichkeit keine Hilfe, sondern sogar schädlich: „Spiegel oder Plastikwellensittiche sollen dem Vogel vorgaukeln, dass noch ein Artgenosse da ist.“ Die Folgen können tragisch sein: „Wenn er dann vergeblich versucht, beispielsweise sein Spiegelbild zu füttern, indem er Körner hochwürgt, kann dies zu Kropfentzündungen führen“, sagt die Buch-Autorin.

Der Bundesverband der Praktizierenden Tierärzte e. V. empfiehlt mindestens zwei, besser vier Tieren (Männchen und Weibchen) in großen artgerecht eingerichteten Käfigen zu halten. Ein Muss ist täglicher Freiflug, abwechslungsreiche Spielplätze, Futtersuche gegen Langeweile und eine täglich ausgewogene Fütterung mit Gemüse und Kräutern.

»Wellensittiche nicht kaufen, sondern adoptieren!

Wo aber kauft man am besten Wellensittiche, wenn man überzeugt ist, genug Zeit und Platz für diese Tiere zu haben? „Nicht in einem Geschäft oder bei einem Züchter kaufen, sondern adoptieren“, rät Lea Schmitz. Und Wencke Sabrina Schacht betont: „Aus dem Tierschutz natürlich, das ist mir eine richtige Herzensangelegenheit.“

Übrigens gilt dies auch, wenn schon ein Sittich vorhanden ist. In der Regel ließen sich die fremden Tiere gut in eine bestehende Gruppe eingliedern. Am besten gelingt dies, nachdem sie sich nach einer Quarantänezeit und medizinischen Untersuchung vorher für einen Tag in einem eigenen Käfig im selben Raum befanden und einander sehen und hören konnten.

Wie groß sollte ein Käfig sein?

Laut Tierärztlicher Vereinigung für Tierschutz sollte der Käfig für ein bis drei Paare eine Grundfläche von mindestens 150 cm Länge, 60 cm Breite und mindestens 100 cm Höhe aufweisen. Für bis zu zwei zusätzliche Paare müsse man die Fläche um 50 Prozent vergrößern. Laut Schacht koste ein guter Käfig für ein bis zwei Pärchen etwa 350 Euro.

Wer seine Wellensittiche aber wirklich glücklich machen will, hält sie nicht nur einem Käfig, sondern stellt ihnen gleich einen ganzen Raum zur Verfügung. Auch wenn die Idee zunächst absurd klinge, sei es ideal, zu Hause ein eigenes Vogelzimmer einzurichten. „Die Vorteile liegen klar auf der Hand“, sagt Expertin Schacht. So können die Wellensittiche den ganzen Tag frei fliegen. Zudem kann man bei der Raumausstattung und der Einrichtung auf die Bedürfnisse der Tiere eingehen.

Schacht empfiehlt einen attraktiven Spielbereich, etwa mit Spielewänden und Landeplätzen. Dort lassen sich an der Unterseite auch Schaukeln oder Schredderbälle aufhängen. Doch die Autorin weist auch darauf hin, dass es Zeit und Arbeit kostet, um das Freiflugzimmer sauber zu halten. „Mit durchdachter Platzierung von Spielzeugen und Landeplätzen kann man den Dreck jedoch kanalisieren und den Putzaufwand reduzieren.“

Buch von Wencke Sabrina Schacht
Der Ratgeber „Wellensittiche. So geht es deinen Tieren gut“ von Wencke Sabrina Schacht erschienen im Kosmos-Verlag. Foto: Kosmos Verlag/dpa-tmn

Die Grundsätze beim Einrichten eines Vogelzimmers lauten daher: weniger ist mehr – und nebeneinander statt übereinander (damit das untere Spielzeug nicht verkotet wird). Zudem sollte Abwechslung durch regelmäßiges Tauschen ins Spiel gebracht werden. Ganz auf einen Käfig zu verzichten, ist übrigens keine gute Idee. Denn ein großer Käfig als Rückzugsort ist selbst in einem Vogelzimmer unverzichtbar.

»Wellensittiche sollen sich ihr Futter erarbeiten

Und dann ist da noch die Sache mit der Ernährung, wenn man Wellensittiche zu Hause hält. Körner in einen Napf und das war’s? Von wegen. Die Wellensittich-Fachfrauen empfehlen, das Futter so anzubieten, dass die Vögel es sich erarbeiten müssen. „Gemüse sollte man nicht kleinschneiden, sondern ruhig in großen Stücken geben, damit sie es abbeißen müssen. Dann haben sie etwas zu tun!“, sagt Lea Schmitz.

Weidenkugeln eignen sich gut, um darin Futter zu verstecken, damit sich die Vögel anstrengen müssen, es zu finden. Sinnvoll sei es auch, Sämereien in Buchenholz-Granulat auszustreuen: „Das ähnelt der natürlichen Situation bei der Futtersuche und beschäftigt die Tiere“, so Schmitz.

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Darf es auch mal ein Kräuterbad sein?

Und weil Wellensittiche es lieben zu baden, kann man ihnen auch nasse Kräuterbüschel aufhängen: „Werden dem Möhrengrünsträußchen noch einige Stängel Basilikum und halbreife Gräser beigefügt, deckt man auch gleich die tägliche Frischkost-Ration ab“, sagt Schacht.

Ganz schön viel Aufwand für ein paar kleine Vögel. Ja, aber: Wer bereit ist, entsprechend viel Aufwand zu betreiben, damit es den Tieren gut geht und sie ein möglichst artgerechtes Leben führen können, wird belohnt. „Das Schönste ist an ihnen das Sozialverhalten“, sagt Schacht: „Das ist so bunt und individuell! Und es ist einfach nur toll, sie zu beobachten.“

Meine Erfahrung

„Meinen ersten Wellensittich habe ich mit sechs Jahren bekommen. Ich war noch viel zu jung, um den Bedürfnissen des Tieres gerecht zu werden und kann die Vögel als Haustiere für Kinder absolut nicht empfehlen. Zudem wurden von meiner Familie typische Haltungsfehler begangen. Im Käfig hing ein Spiegel und eine Wellensittich-Attrappe. „Damit er nicht so allein ist“. Binnen kurzer Zeit stellte sich jedoch heraus, dass der Spiegel völlig ungeeignet für Hansi war und er die Attrappe angegriffen hat, da sie nicht auf ihn reagiert hatte.
Auch verbot meine Familie mir, ihn frei fliegen zu lassen, obwohl mir bereits als Kind bewusst war, dass er so viel glücklicher ist. So habe ich mich auch über das Verbot hinweg gesetzt und Hansi nach der Schule aus seinem Bauer geholt. Der Freiflug tat ihm sehr gut, aber erst mit einer Artgenossin war er wirklich glücklich. Meine kindliche Kreativität mit Namen und ständiges Gequengel führten dazu, dass Hansine bald darauf Hansis Glück perfekt gemacht hat. “Louisa Stoeffler, PETBOOK-Redakteurin

Mit Material der dpa

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