23. Juni 2025, 17:49 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Wie Menschen Tiere sehen, unterscheidet sich teils stark. Von Mensch zu Mensch, aber auch von Kultur zu Kultur. Während manche Tiere wie Familienmitglieder behandeln, bleiben andere emotional auf Distanz. Eine neue Studie zeigt, welche Rolle Bildung, Religion, Umfeld und persönliche Erfahrungen dabei spielen.
Für viele Tierhalter ist das Haustier ein vollwertiges Familienmitglied – nicht selten schreiben sie ihm sogar menschliche Eigenschaften zu. Wie stark diese Vermenschlichung beim Tier ausfällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter unter anderem der kulturelle Hintergrund, Religion und die Erziehung. Das zeigt eine internationale Studie der Universität Leipzig.1
Studie untersucht, wie wir Tiere wahrnehmen
Die Katze zieht sich zurück, weil sie „beleidigt“ ist, obwohl sie einfach nur Ruhe möchte. Der Papagei ist „frech“, obwohl er nur Konditioniertes wiedergibt. Solche Beispiele zeigen, wie Tieren – ob Haus- oder Wildtier – häufig menschliche Emotionen zugeschrieben werden. Dieses Phänomen wird auch als „Anthropomorphismus“ bezeichnet. Hierbei werden tierischem Verhalten menschliche Eigenschaften unterstellt, was die Wahrnehmung einzelner Arten stark beeinflussen kann.
Da diese Wahrnehmung auch eine Rolle im Bereich des Artenschutzes spielt, wurden im Rahmen einer kulturvergleichenden Studie verschiedene Einflüsse zusammengetragen, die dieses Verhalten beeinflussen können. Hierzu wurden insgesamt 741 Erwachsene aus Brasilien, Indonesien, Malaysia, Mexiko und Spanien befragt. Inhalte des Fragenkatalogs waren dabei unter anderem folgende Faktoren:
- formale Bildung (Schulabschluss)
- direkte Tiererfahrung (z. B. mit Affen)
- urbane Tiererfahrung (Haustiere, Zoos, Mediennutzung)
- religiöser Hintergrund
- Grad der sozialen Integration
- persönliche Denkweise (gemeinschaftsorientiert oder individuell orientiert)
- Alter, Geschlecht, Einkommen
Im Rahmen der Studie wurde untersucht, welche Faktoren beeinflussen, wie stark Menschen Tieren Eigenschaften wie Bewusstsein, Empathie oder Emotionen zuschreiben. Im Fokus standen dabei vor allem Affen, deren Verhalten durch die Teilnehmer über einen Fragebogen bewertet wurde. Zudem wurde erfasst, ob sie als dem Menschen körperlich ähnlich wahrgenommen werden, ob sie Schmerz empfinden, andere täuschen oder moralisch zwischen Gut und Böse unterscheiden können.
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Wie Religion und Erziehung unser Bild von Tieren beeinflussen
Die Studie zeigt: Wie stark Menschen Tieren menschliche Eigenschaften zuschreiben, wird von verschiedenen Einflüssen geprägt. So zeigte sich, dass Personen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss Tieren häufiger freien Willen zuschreiben – vielleicht, weil ihnen das Wissen fehlt, tierisches Verhalten sachlich zu deuten, wie die Forscher vermuten.
Auch der direkte Kontakt zu Tieren spielt eine entscheidende Rolle. Wer negative Erfahrungen gemacht hat, beurteilte diese Tiere oft kritischer und schrieb ihnen eher Täuschung oder Absicht, aber seltener Schmerz zu. Umgekehrt fördert der Kontakt zu Tieren im städtischen Umfeld wie durch Haustiere, Besuche im Zoo oder Tierfiguren in Filmen eine emotionale Nähe.
Hindus und Buddhisten neigten deutlich stärker dazu, Tieren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben
Auch die Religion hatte Einfluss darauf, wie Menschen Tiere wahrnehmen. Teilnehmer mit einem monotheistischen Glauben wie Christentum oder Islam schrieben Tieren seltener Eigenschaften wie Bewusstsein, Emotionen, Schmerz oder Täuschungsfähigkeit zu. Anders sah es bei Anhängern des Hinduismus oder Buddhismus aus: Sie neigten deutlich stärker dazu, Tieren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.
Und auch das soziale Umfeld wirkte sich auf die Tierwahrnehmung aus. Menschen mit wenig sozialen Kontakten oder starkem Gemeinschaftsdenken neigten eher dazu, Tiere zu vermenschlichen. Zudem spielte die Tierart selbst eine wichtige Rolle bei der Einschätzung: Je ähnlicher ein Tier dem Menschen ist, etwa wie Affen, desto häufiger wurden ihm Gefühle, Gedanken oder Absichten zugeschrieben. Besonders deutlich war das bei Emotionen wie Angst oder Freude, während komplexe Gefühle wie Scham oder Schuld seltener erkannt wurden.

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Bedeutung für den Artenschutz
Die Studie zeigt: Emotionen, Kultur und soziales Umfeld prägen, welche Tiere wir schützen wollen – vor allem, wenn wir ihnen Gefühle oder Bewusstsein zuschreiben. Weniger „niedliche“ Arten geraten dabei schnell ins Abseits. Diese Erkenntnisse lassen sich nutzen, um Kampagnen und Bildungsarbeit im Naturschutz gezielter zu gestalten.2