
20. Juni 2025, 11:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wann kamen die ersten Hunde nach Südamerika – und was ist heute noch von ihnen übrig? Eine Studie zur Herkunft der Hunde in Amerika enthüllt: Sie kamen nicht mit den ersten Menschen, sondern erst mit dem Ackerbau – und fast alle Spuren ihrer Gene sind verloren. Nur ein Vertreter trägt ihr uraltes Erbe.
Wie und wann gelangten Hunde nach Südamerika? Eine genetische Studie liefert verblüffende Antworten: Die Tiere kamen nicht bereits mit den ersten Menschen, sondern tausende Jahre später. Die genetische Spur der Hunde der indigenen Bevölkerung führt zu einer überraschenden Entdeckung: nur der Chihuahua, aber nicht die Nackthunde Südamerikas, tragen noch Erbgut dieser frühen Gefährten in sich.
Wie Hunde nach Südamerika kamen
Spricht man heute von amerikanischen Hunderassen, denken viele dabei vor allem an Hunde wie den Boston Terrier oder den American Wirehair – und implizit dabei auch an die USA und ihre Hundezüchtungen. Allerdings begann die Geschichte des Hundes auf dem amerikanischen Doppelkontinent schon lange vor den Moderassen der Moderne und tatsächlich mit der frühesten Besiedlung des Kontinents durch den Menschen vor mindestens 15.000 bis 16.000 Jahren.
Damals begleiteten Hunde als erste und einzige domestizierte Tiere die Menschen über die Bering-Landbrücke. Genetisch gehörten sie zur sogenannten A2b-Linie – einer mitochondrialen Abstammungslinie, die sich nur in Amerika entwickelte. Doch archäologische Funde zeigen: Während sich Menschen rasch bis nach Südamerika ausbreiteten, tauchten Hunde dort erst deutlich später auf. Ihre Ankunft fällt in die Zeit des aufkommenden Ackerbaus, doch bislang war unklar, ob dies Zufall oder Zusammenhang war.
Hinzu kommt: Viele fossile Überreste lassen sich schwer eindeutig als Hund identifizieren, da in Amerika auch zahlreiche wildlebende Hundeartige lebten – etwa Kojoten oder Füchse sowie ausgestorbene Arten. Bisherige genetische Studien konzentrierten sich zudem auf Nordamerika, während alte DNA aus Südamerika weitgehend fehlte. Eine Lücke, die diese neue Untersuchung nun schließt und spannende Erkenntnisse über indigene Hunde in Amerika liefert.
Verbreitung der Hunde in Südamerika folgt dem Maisanbau
Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Aurélie Manin (Universität Oxford) analysierte 70 mitochondriale Genome alter und moderner Hunde aus Mittel- und Südamerika. Die Ergebnisse wurden 2025 in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B“ veröffentlicht. Ziel war es, die zeitliche und geografische Ausbreitung von Hunden auf dem amerikanischen Doppelkontinent zu rekonstruieren. Dabei stieß das Team auf einen bemerkenswerten Zusammenhang: Die Verbreitung der Hunde erfolgte offenbar nicht isoliert, sondern gemeinsam mit dem Siegeszug des Ackerbaus. Insbesondere mit dem Maisanbau – etwa vor 7000 Jahren.
Die Forscher analysierten DNA aus insgesamt 131 archäologischen Hundeknochen und 12 modernen Hunden, die in einem Gebiet von Zentralmexiko bis nach Patagonien gefunden wurden. Mithilfe moderner Sequenzierungstechniken konnten sie 70 vollständige mitochondriale Genome rekonstruieren – 62 davon stammen aus archäologischen Funden, acht von heutigen Hunden.
Hunde in Südamerika entwickelten sich unabhängig von Nordamerika
Die genetische Artbestimmung wurde durch Vergleich mit anderen Caniden-DNA-Sequenzen abgesichert. Anschließend rekonstruierten die Wissenschaftler die Stammbäume und die zeitliche Entwicklung der Erblinien. Besonders detailliert untersuchten sie dabei, ob sich die Verbreitungsmuster genetisch durch sogenannte Isolation-by-Distance-Modelle (Ausbreitung entlang geografischer Distanzen) erklären lassen.
Genetisch bildeten die Hunde aus Meso- und Südamerika eine eng verwandte Gruppe (A2b1a). Diese spaltete sich vor etwa 7000 bis 5000 Jahren von nordamerikanischen Linien ab. Dieses Zeitfenster fällt exakt in die Phase, als Mais und Ackerbau aus Mexiko nach Südamerika gelangten. Zunächst erfolgte dies entlang der Küsten, aber vor allem westlich der Anden. Erst später wurden in den östlichen Bereichen Südamerikas Hunde vorgefunden.
Die genetischen Daten zeigen eindeutig: Alle Hunde, die vor der europäischen Eroberung in Mittel- und Südamerika lebten (in der Studie „präkontakte Hunde“ genannt), gehörten zur mitochondrialen Linie A2b. Diese Linie spaltete sich jedoch in vier weitere genetische Gruppen auf, wovon sich A2b1 nur in Südamerika fand.
Chihuahua trägt genetische Marker von 5000 Jahre alten Verwandten
Im südlichen Südamerika (besonders östlich der Anden) ist noch ein späterer genetischer Zweig zu beobachten. Der gemeinsame Vorfahre dieser Tiere existierte vor etwa 2200 Jahren, also etwa zu der Zeit, in der die Hochkultur der Maya begann, sich zu entwickeln. Wie diese Hunde jedoch genau aussahen und zu welcher Rasse man sie zählen könnte, konnte nicht geklärt werden.
Denn in allen modernen Hundeproben – die Forscher heben hier besonders Peru hervor – war die ursprüngliche Linie nicht mehr nachweisbar. Sie führen dies auf die Einführung europäischer Hunderassen, die den Kontinent mit den Eroberern erreichten, zurück. Die Linie A2b1 aus Südamerika verschwand fast vollständig. Eine Ausnahme stellen jedoch ein moderner Chihuahua aus den USA und ein Hofhund aus Mesoamerika dar. Diese beiden Tiere wiesen jahrtausendealte genetische Marker auf.
Allerdings entkräften diese Daten auch Annahmen, dass der Peruanische und der Mexikanische Nackthund (Xoloitzcuintle) auch nur annähernd so alt sind, wie Verfechter dieser Qualzuchten behaupten. Besonders die Abwesenheit der A2b1-Linie nach 1492 in Peru spricht hier Bände. Auch beim Xoloitzcuintle ist erwiesen, dass diese 1863 zuerst ausgestellte Hunderasse nicht mehr mit indigenen Hunden Mesoamerikas verwandt ist, sondern vor allem genetisches Material des Schäferhunds besitzt. Die Studie zeigte eindeutig, dass diese Hunde nicht vor der Eroberung Amerikas entstanden sein können.

Haben Menschen Katzen gegessen, bevor sie domestiziert wurden?

Diese Hunde konnte man wie Schafe für ihre Wolle scheren

Wie viel Pharaonenkatze steckt in Ihrem Tier? Studie will es herausfinden
Eroberung Amerikas führte zum fast vollständigen Verlust indigener Hunderassen
Die Studie liefert erstmals eine umfassende genetische Rekonstruktion der Hundeausbreitung in Mittel- und Südamerika. Entscheidend ist die Erkenntnis, dass Hunde nicht mit den ersten Menschen nach Südamerika kamen, sondern deutlich später – zusammen mit der Landwirtschaft.
Die genetische Linie A2b1 und die restlichen Gruppen zeigen, dass es sich bei diesen Hunden um eine genetisch homogene Gruppe handelte, die sich anschließend regional diversifizierte. Die Forscher belegen außerdem, dass es keine nennenswerte Weitergabe der A2b-Linie nach dem Einmarsch der Europäer gab. Ihre Erbgutspuren verschwanden fast vollständig, vermutlich durch den Genozid an der indigenen Bevölkerung und die Einführung europäischer Hunde.
Nur einzelne heutige Hunde, wie der Chihuahua, tragen noch Überreste dieser alten genetischen Linie. Die Ergebnisse stützen damit die Theorie, dass Hunde in enger Verbindung mit frühen Ackerbaugesellschaften verbreitet wurden. Ebenso wie es auch für die Domestizierung in Eurasien und Afrika beschrieben wurde.
Damit rückt die Rolle agrarischer Gesellschaften in den Fokus: Sie waren es, die Hunde nach Südamerika brachten und eng in ihre Kultur einbanden. Künftige Studien mit Kern-DNA könnten diesen faszinierenden Abschnitt der Mensch-Tier-Geschichte noch weiter beleuchten. Und auch prüfen, ob die genetischen Marker noch bei mehr Hunden erhalten geblieben sind. 1