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Zu Tode gefoltert

Darum darf in Deutschland immer noch legal Tierquälerei im Netz gezeigt werden

Porträt eines Äffchens
Unter Decknamen finden sich in sozialen Netzwerken Videos, die Tierquälerei zeigen. Darin werden etwa Affen auf grausamste Art zu Tode gefoltert Foto: real444/Getty Images
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

26.03.2024, 13:53 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Tiervideos sind in den sozialen Netzwerken sehr beliebt. Leider handelt es sich dabei nicht immer um harmlose Inhalte. Unter Synonymen machen Videos die Runde, in denen Affen zu Tode gequält und bei lebendigem Leib gekocht werden. Bisher gibt es in Deutschland kein Gesetz, dass die Darstellung von Tierquälerei verbietet. Die Welttierschutzgesellschaft e. V. fordert daher eine Anpassung im Strafgesetzbuch.

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Dass Tiervideos nicht immer zugunsten des Tierwohls gehen, ist nichts Neues. Auf Twitter, Facebook, Instagram und Co. finden sich Tausende Videos, in denen Halter ihre Haustiere absichtlich Stress und Angst für die Klicks aussetzen. Sie stecken Hunde in Kostüme, erschrecken Katzen mit Gurken oder baden das Kaninchen. Doch es gibt noch eine viel dunklere Seite. So tauchen immer wieder Videos in den sozialen Netzwerken auf, in denen offensichtlich Darstellungen von Tierquälerei stattfinden. In manchen werden Tiere sogar vor laufender Kamera getötet.

Affen werden bei lebendigem Leib gekocht

In einer aktuellen Recherche der Produzentin Anne Thiele für das ARD-Format „Y-Kollektiv“ wird die Problematik sehr eindrücklich anhand von Beispielen wie Affen-Qual-Inhalten erläutert. So gebe es mittlerweile Netzwerke und Facebook-Gruppen, in denen sich Tierquäler austauschen und ihre Videos unter Codewörtern wie „Tree-Rat“ (zu Deutsch „Baum-Ratte“) hochladen, wie Thiele im Beitrag erläutert. Mit solchen Codes umgingen die Erstellenden die Netzwerke.

Die Videos zeigen wie Affen zu Tode gequält, immer wieder geschlagen oder sogar bei lebendigem Leibe frittiert werden. In den Kommentaren feiern die Nutzer die Inhalte, wollen mehr sehen oder beschweren sich, dass das Tier zu schnell stirbt. Die Videos werden millionenfach geklickt und geteilt. Die Frage, die sich vielen dabei stellt, ist: Wie kann es sein, dass solche Inhalte überhaupt auf sozialen Plattformen landen?

Bisher gibt es keine rechtliche Grundlage gegen die Darstellung von Tierquälerei

„Bisher gibt es keine Gesetzgebung – auch global nicht –, die die Darstellung einer solchen Tat verbietet“, sagt Wiebke Plasse, die Leiterin Kommunikation der Welttierschutzgesellschaft im Gespräch mit PETBOOK. Seit gut vier Jahren betreut sie die Kampagne „Stoppt Tierleid in sozialen Netzwerken!“ der Organisation. „Die Tat selbst der Tierquälerei ist natürlich strafbar“, erklärt Plasse. Gegen die Darstellung der Tat in einem Video gebe es jedoch keine rechtliche Grundlage.

Das Strafgesetzbuch stellt im Paragraf 131 nur die verherrlichende oder verharmlosende Darstellung grausamer Gewalttätigkeiten gegenüber Menschen und menschenähnlichen Wesen unter Strafe. Dabei sind mit menschenähnlichen Wesen übrigens nicht einmal Primaten gemeint, sondern Zombies oder Aliens. Ein Video auf YouTube einzustellen, in dem einem Zombie der Kopf abgeschnitten wird, ist also bei Strafe verboten. Aber Affen vor laufender Kamera totzuschlagen? Hier liegt es an der Verantwortung der Moderatoren von Twitter, Facebook und Co. solche Inhalte zu löschen.

Auch interessant: Was kann man tun, wenn man Tierquälerei vermutet?

Grausame Videos bleiben tagelang online

Zwar gibt es in sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram die Möglichkeit, Inhalte mit Tierquälerei zu melden. Oft reagieren die Plattformen aber erst nach mehreren Meldungen. „Zu Beginn der Kampagne haben wir tatsächlich auf die Eigenverantwortung der Netzwerke gehofft“, führt Plasse aus. Es sei aber ein Jahr lang einfach nichts oder zu wenig passiert.

„Unserer Meinung nach müsste ab der ersten Meldung reagiert werden. Wir wissen aber, dass es bei den gemeldeten Videos keinerlei Priorisierung gibt. Wenn ich als Nutzerin oder Nutzer ein Video melde, wie einer Katze im Mixer zerstückelt wird (dieser Inhalt ging Mai 2023 viral, Anm. d. Red.), landet das zusammen mit Tausenden anderen Meldungen.“ So bliebe das Video lange genug online, um Millionen von Klicks zu generieren und sich weiterzuverbreiten.

Tierquäler verdienen oft weiterhin Geld mit Videos

Eines der großen Probleme in Bezug auf Darstellung von Tierquälerei in sozialen Netzwerken sei, dass die Ersteller mit solchen Videos oft weiterhin Geld verdienten, erklärt Plasse. In einem Artikel auf ihrer Webseite nennt die Welttierschutzgesellschaft das Beispiel eines Katzenmörders, der zwischen 2019 und 2022 in Pohang, Südkorea aktiv war und seine grausamen Taten auf seinen YouTube-Kanal veröffentlichte. Zwar konnte die Polizei den Täter dank Hinweisen von Kindern, die den Mann dabei beobachteten, ausfindig machen und hinter Gittern bringen. Doch ein Großteil seiner Videos blieb weiterhin online.

Diese sammeln auch weiterhin „Views“. Denn obwohl jedem, der auf das Profil kommt, klar ist, dass es sich dabei um Tierleid handelt, befeuern auch Negativreaktionen den Algorithmus auf YouTube. So verdiene der Tierquäler, während er seine Haftstrafe absitzt, mit jedem Klick auf seine Videos Geld für seine grausame Tat. 

Tierquälerei in sozialen Netzwerken – so reagiert man richtig

Sobald man das Gefühl habe, die Inhalte in einem Video seien nicht okay, sollte man dies sofort melden, rät Plasse. „Und dann weg damit! Bloß nicht weiter die Reichweite befördern. Das ist ganz wichtig. Auch wenn ich mich als Nutzerin total aufrege über diesen Inhalt, den ich sehe, weil er ganz, ganz furchtbar ist. Ich gebe dem Video zusätzliche Reichweite, allein, weil ich es mir anschaue“, macht Plasse klar.

So nachvollziehbar auch etwaige Negativreaktionen sind, verhelfen auch diese leider dem Inhalt zu noch mehr Aufmerksamkeit. Denn jede Erwähnung, jede Kopie und jede Bildschirmaufnahme dieser brutalen Tierquälerei fördere die vom Original-Ersteller wohl erhoffte Reichweite.

Tierschützer fordern Anpassung des Strafgesetzes

Die Welttierschutzgesellschaft schlägt daher vor, Paragraf 131 im Strafgesetzbuch um die beiden Wörter „oder Tiere“ zu ergänzen. Dann gäbe es endlich eine Handhabe gegen die Darstellung von Tierquälerei in den sozialen Netzwerken, sagt Plasse.

Zudem wären die Netzwerke aufgefordert, bei der Strafverfolgung der Täterinnen und Täter aktiv zu werden und unter anderem IP-Adresse, Klarnamen und mögliche Kontaktdaten freizugeben. Momentan seien Strafverfolgungsbehörden bei solchen Fällen in Deutschland die Hände gebunden, da es sich oft um anonymisierte Profile handle.

Novellierung des Paragrafen könnte bei Strafverfolgung helfen

„Die posten solche Videos ja unter Nutzerprofilen mit Fakenamen und dann postet ein neues Fake-Profil morgen dasselbe Video“, führt Plasse aus. „Man kann einfach von außen nicht auf die Daten zugreifen, die man braucht, um diese Tat zu verfolgen.“ Deswegen seien die Tierschützer von der Novellierung des Paragrafen 131 sehr überzeugt, weil er wichtige Punkte mitbrächte, um der Darstellung von Tierquälerei in sozialen Netzwerken Einhalt zu gebieten.

Es würde auch bewirken, dass auch die Moderatoren-Teams der Netzwerke geschult würden, ist sich Plasse sicher. Denn wenn sie gesetzlich dazu angehalten sind, Darstellungen von Tierleid löschen oder ahnden zu müssen, müssen sie dieses ja überhaupt erst mal erkennen können.

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Wie wahrscheinlich ist eine Anpassung des Paragrafen?

Im Rahmen der Kampagne „Stoppt das Tierleid in den sozialen Netzwerken!“ hat die Welttierschutzgesellschaft eine Petition ins Leben gerufen, in der sie die Bundesregierung unter anderem auffordert, den § 131, Absatz 1 StGB (Strafgesetzbuch) um die Tiere zu ergänzen.

Doch in der neuen Überarbeitung des Tierschutzgesetzes fänden diese Forderung kaum Erwähnung, kritisiert Christoph May, Pressesprecher der Welttierschutzgesellschaft gegenüber PETBOOK. „Da wir im aktuellen Entwurf für die Novelle des Tierschutzgesetzes noch großen Verbesserungsbedarf in diesem Bereich sehen, haben wir einen Artikel veröffentlicht, in dem wir unsere Forderungen in Bezug zu Tierleid in Social Media
bekräftigten.“

Bis Anfang März 2024 hatten Verbände wie Tierschutzorganisationen die Möglichkeit, aktiv Stellung zu beziehen und weitere Forderungen einzubringen. Der Referentenentwurf des überarbeiteten Tierschutzgesetzes wird aktuell in den beteiligten Ministerien auf Basis der Kommentierungen überarbeitet und erneut diskutiert.

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