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Trauriger Rekord

4500 Tiere waren 2022 von Animal Hoarding betroffen! Was hinter der Tiersammelsucht steckt 

Eingesperrte Hunde in einem Zwinger in Deutschland
In einem Zwinger in Deutschland eingesperrte Hunde – unter Animal Hording leiden sowohl Tier als auch Mensch Foto: picture alliance / blickwinkel/J. S. Peifer
Porträt-aufnahme von PETBOOK-Redakteurin Natalie Dekcer mit Katze auf Arm
Freie Autorin

13.07.2023, 16:07 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Das krankhafte Sammeln von Tieren, auch als „Animal Hoarding“ bekannt, ist in Deutschland leider kein Einzelfall. Immer wieder müssen die Behörden einschreiten, wenn Menschen ihre Tierhaltung über den Kopf wächst. Im Jahr 2022 erreichte die Zahl der Fälle einen neuen Rekord. PETBOOK erklärt, was hinter dem Phänomen Animal Hoarding steckt.

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Die Fälle von Animal Hoarding nehmen in Deutschland immer weiter zu. Das zeigt die neueste Datenauswertung des Deutschen Tierschutzbunds. Demnach wurden dem Verband im vergangenen Jahr 73 Fälle von Animal Hoarding mit 4.506 betroffenen Tieren bekannt – so viele Tiere wie noch nie. Pro Monat wurden durchschnittlich sechs Fälle bekannt. Damit setzt sich der Aufwärtstrend des Jahres 2021 fort, denn auch im Jahr 2021 wurde bereits ein trauriger Rekord erreicht. Über 4.200 Tiere waren von der krankhaften Sammelsucht ihrer Besitzer betroffen – wobei die Dunkelziffer vermutlich deutlich höher liegt.

„In vielen Fällen bergen Tierschützer bei Rettungsaktionen auch tote Tiere. Diese können häufig gar nicht alle gezählt und erfasst werden, ebenso wie der Nachwuchs trächtiger Tiere. Unsere Zahlen sind als Mindestwerte zu verstehen – von einer hohen Dunkelziffer ist leider auszugehen“, erklärt Nina Brakebusch, Fachexpertin für Animal Hoarding beim Deutschen Tierschutzbund, in einer Pressemitteilung vom 12. Juli 2023. Was hat es mit dem Phänomen Animal Hoarding auf sich? Und wie kann man den betroffenen Tieren und Menschen helfen?

Wo fängt Animal Hoarding an? 

Wie viele Tiere zu viel sind, lässt sich pauschal nicht sagen. Es kommt auf das individuelle Platzangebot sowie die finanziellen Möglichkeiten des Besitzers an. Als Faustregel für das Erkennen von Animal Hoarding gilt: Krankhafte Tierhorter halten eine große Anzahl von Tieren, ohne deren Bedürfnisse erfüllen zu können. Oftmals fehlt es am Allernötigsten: Futter, Wasser, Hygiene und tiermedizinischer Versorgung.  

„Das Leid der gehorteten Tiere ist kaum vorstellbar: Verwahrlost, unterernährt und krank hausen sie auf engem Raum im eigenen Urin und Kot, pflanzen sich unkontrolliert fort – während die Halter üblicherweise gar nicht merken, dass es ihren Tieren schlecht geht und teils sogar immer weitere aufnehmen“, sagt Nina Brakebusch, Fachexpertin für Animal Hoarding beim Deutschen Tierschutzbund. 

Das Perfide daran: Die Menschen erkennen nicht, was sie ihren Vierbeinern antun – ganz im Gegenteil. Viele krankhafte Tiersammler halten sich für wahre Tierfreunde, die im Sinne des Tierwohls handeln. Daher verstehen sie nicht, warum sie ihren Tierbestand reduzieren oder die Haltung ganz aufgeben sollten. 

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Katzen und kleine Heimtiere besonders betroffen

Laut den Daten des Deutschen Tierschutzbundes sind Katzen am häufigsten von Animal Hoarding betroffen. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 35 Fälle bekannt. Schaut man sich die Gesamtzahlen an Tieren an, liegen Kleintiere ganz vorn, wie der Deutsche Tierschutzbund in seiner Pressemitteilung schreibt. Da diese sich besonders schnell vermehren, sind mit 1.897 fast jedes zweite von Animal Hoarding betroffene Tier ein kleines Heimtier gewesen. Der größte Fall hat sich in der bayerischen Stadt Roth ereignet: Hier wurden 400 Kaninchen aus dem Keller und der Gartenlaube einer Hoarderin gerettet.

Warum betreiben Menschen Animal Hoarding? 

In wissenschaftlichen Studien wurde das Phänomen Tiersammelsucht untersucht. Statistisch gesehen ist der typische Animal Hoarder weiblich, über 45 Jahre alt und alleinlebend. Die durchschnittliche Zahl der gehaltenen Tiere beträgt über 100. Oftmals wissen die Tierhorter gar nicht, wie viele Vierbeiner sie genau besitzen – oder dass sich in ihrem Bestand bereits verendete Tiere befinden. 1

Wie lässt sich dieses krankhafte Verhalten nun erklären? Wie bei anderen Suchtkrankheiten auch können psychische Probleme wie Depressionen oder Angststörungen der Auslöser sein. Aber auch Alzheimer- und Demenzpatienten finden sich auffallend oft unter den Tierhortern.  

Nicht selten führen Beziehungsprobleme oder persönliche Kränkungen dazu, dass sich der oder die Betroffene zurückzieht und sich auf die Tierhaltung bzw. Zucht konzentriert. Auch lebensverändernde Ereignisse wie Arbeitslosigkeit oder Scheidung können dazu beitragen, dass jemand Trost und Halt bei Haustieren sucht. Wenn dann aus anfangs zwei Katzen oder Hunden eine unübersichtliche Anzahl von Vierbeinern wird, kann man von Animal Hoarding sprechen. 

Ist Animal Hoarding strafbar? 

In Paragraf 2 des Tierschutzgesetzes heißt es: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.“ Was das konkret bedeutet, ist allerdings oftmals Interpretationssache. Tierschützer fordern daher schon lange eindeutige Vorgaben für die Zucht und Haltung einzelner Arten sowie einen verpflichtenden Sachkundenachweis. 

Wird dem Veterinäramt ein (vermuteter) Fall von Animal Hoarding gemeldet, wird der zuständige Amtstierarzt versuchen, die Haltungsbedingungen vor Ort zu überprüfen. Lässt der Halter den Veterinär nicht auf sein Grundstück, muss dieser über die Staatsanwaltschaft ein Betretungsrecht erwirken – sofern ein ausreichender Anfangsverdacht hierfür vorliegt. Stellt der Amtstierarzt dann tatsächlich mangelnde Haltungsbedingungen fest, können Tiere beschlagnahmt und sogar ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen werden. Sollte der krankhafte Tiersammler keine Therapie machen, um seine Sucht in den Griff zu bekommen, ist die Rückfallquote nachweislich hoch. 

Quellen

  1. Greenberg, P., Witztum, E., Levy, A. (1996). Hoarding as a psychiatric symptom. Journal of clinical psychiatry 51 (10), 417-421.
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