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Auffallend viele Todesfälle

So viel Tierquälerei steckt in Pferderennen

Pferderennen erfreuen sich auch hierzulande großer Beliebtheit. Doch wie viel Tierleid steckt hinter diesem Sport?
Pferderennen erfreuen sich auch hierzulande großer Beliebtheit. Doch wie viel Tierleid steckt hinter diesem Sport? Foto: Getty Images
Sonja Jordans

26.09.2023, 06:09 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Ausgefallene Hüte, schicke Kleidung, Champagner und edles Ambiente – zahlreiche Pferderennen umweht der Hauch des Exklusiven und Besonderen. Vor allem die Traditionsveranstaltung im englischen Ascot hat diesen Ruf von Rennveranstaltungen geprägt. Doch auch Rennen wie das Deutsche Derby in Hamburg und die traditionellen Veranstaltungen auf der Bahn in Hannover-Langenhagen sind nicht nur Pferdefans bekannt.

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Für Besucher sind Galopprennen eine aufregende Nachmittagsveranstaltung, doch gilt als auch für die antretenden Pferde? Nein, sagen Kritiker, für die Tiere bedeuten sie oft Leid, Schmerzen und nicht selten ein kurzes Leben. Immer wieder ist zu lesen, dass Pferde während oder kurz nach einem Rennen zu Tode gekommen sind. Sind Pferderennen also Tierquälerei?

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Was sind Galopprennen?

Galopprennen haben das Ziel, eine bestimmte Strecke möglichst schnell zurückzulegen. Bei einem klassischen Derby müssen auf einer flachen Strecke 2400 Meter zurückgelegt werden, bei Sprinterdistanzen zwischen 1000 und 1500 Meter. Zudem gibt es Hindernisrennen oder Jagdrennen, bei denen die Tiere Hecken oder Gräben überwinden müssen. Die Rennen dienen einerseits der Unterhaltung, werden aber laut offizieller Begründung als „Leistungsprüfung“ abgehalten und um teilnehmende Pferde für Verkaufsinteressenten zu präsentieren.

Meist gehen Englische oder Arabische Vollblüter als Galopper an den Start, es gibt aber auch Rennen für Halbblüter oder Rennponys. Bei Trabrennen werden Pferde vor einen „Sulky“ genannten Wagen gespannt und dürfen, der Name verrät es schon, die Renndistanz ausschließlich in der Gangart Trab zurücklegen. Mehr als 20 Galopp-Rennbahnen gibt es in Deutschland, Pferderennen gehören hierzulande zu den mit am besten besuchten Sportveranstaltungen. Im Jahr 2016 wurden rund 26 Millionen Euro Umsatz mit Pferderennen generiert.

Aus welchen Gründen werden Galopprennen kritisiert?

Die Liste der Kritikpunkte an Pferderennen ist umfangreich, daher führen wir hier nicht alle auf. Unter anderem wird angeführt, dass die Pferde:

  • viel zu früh mit dem Training beginnen und zu jung „verheizt“ werden
  • im Training und Rennen gequält und gepeitscht werden
  • sich während der Rennen, des Trainings oder danach überdurchschnittlich oft schwere Verletzungen zuziehen, an denen sie mitunter sofort sterben oder die zur Einschläferung führen
  • nach der „Karriere“ oft nicht als Freizeitpferde vermittelt werden können, sondern beim Schlachter landen

Zu jung im Training?

Unter anderem wird von Tierschutzverbänden angeführt, dass Galopper zu jung an den Sport herangeführt werden. Tatsache ist: Viele der Vollblüter kommen bereits ab einem Alter von 24 Monaten bei Pferderennen zum Einsatz. Bis zu einem Alter von etwa sechs bis sieben Jahren jedoch befinden sich Pferde im Wachstum, sodass hartes Renntraining und Galoppveranstaltungen laut Kritikern teils irreparable Schäden an Sehnen und Gelenken verursachen könnten.

Auch die Knochen der Pferde blieben von den Belastungen nicht verschont, wie etwa die Tierschutzorganisation Peta anführt. Dem entgegen stehen Argumente der Rennbefürworter, die einerseits angeben, die bei Pferderennen eingesetzten Vollblüter seien „frühreife“ Tiere, die schneller erwachsen würden als andere Rassen. Ihre höchste Leistungsfähigkeit erreichten sie demnach im Alter zwischen drei und sechs Jahren, Springpferde dagegen erst ab etwa acht Jahren.

Frühes Training, bessere Gewöhnung?

Für Galopper sei ein frühes Training wichtig, um die Tiere an die sportlichen Belastungen zu gewöhnen – so, wie es bei Menschen auch der Fall sei, die sich im Leistungssport etablieren möchten, sagen Befürworter. Zudem komme es beim Training nicht allein darauf an, ab wann es beginne, sondern vor allem, dass es pferde- und sachgerecht ablaufe. An einer Überforderung der Tiere hätten Trainer, Besitzer und Jockeys kein Interesse, denn die zerstöre die Gesundheit des jungen, teuer eingekauften Pferdes. Renntierärzte geben an, frühzeitiges Training sei aus medizinischer Sicht wichtig, weil Sehnen und Muskulatur dadurch gestärkt würden.

Training und Start eines jungen Pferdes würden zudem streng medizinisch überwacht, teilt etwa der Verband Deutscher Galopp mit. Trainiert werden dürften die Tiere nur von Experten, die mehrere Jahre ausgebildet worden seien. Fakt ist: Über den Zeitpunkt, ab wann besonders Galopper trainiert werden sollten, herrscht seit Jahren Streit zwischen Tierrechtlern und Pferdesportlern. Während die Deutsche Reiterliche Vereinigung eine Regelung akzeptierte, nach der Reitpferde ab einem Alter von 30 Monaten ausgebildet werden sollten, kann das Training für Galopper in Deutschland bereits früher beginnen. Das geht aus den „Leitlinien für Tierschutz im Pferdesport“ aus dem Jahr 2020 hervor.

Wie viele Rennpferde aber nicht mal bis zu diesem Punkt kommen, sondern bereits vorher wegen schlechter Leistungen, Verletzungen oder aus anderen Gründen aus dem Training genommen werden, darüber gibt es keine Zahlen. Aber: Laut Tierschutzorganisation Peta sind etwa 80 Prozent der Trainingsausfälle bei Galoppern auf Lahmheit zurückzuführen.

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Peitscheneinsatz bei Rennen und Training

Tatsache ist; Der Einsatz der Peitsche gehört bei Galopprennen dazu. Schläge für ein Tier, damit es Höchstleistungen bringt, sind für Tierfreunde jedoch nur schwer nachvollziehbar. Zwar ist die Benutzung der Peitsche zumindest in Deutschland stark reglementiert, pro Rennen darf die sie seit 2023 höchstens dreimal eingesetzt werden. Bis dato waren es fünfmal. Zudem muss die Peitsche eine gepolsterte Spitze haben und darf nicht schmaler als acht Millimeter sein, um dem Pferd beim Auftreffen keine Verletzungen zuzufügen.

Auch muss sie so geführt werden, dass das Tier sie zuerst sehen kann, bevor es sie spürt. „Ein reines Draufschlagen, das mit Schmerzen verbunden wäre, ist verboten“, wie die Vereinigung Deutscher Galopp auf seiner Homepage mitteilt. Vielmehr sei der Einsatz der Peitsche als „Unterstützung der vorwärtstreibenden Hilfe“. Tröstlich oder gar harmlos klingt das für Pferdeliebhaber aber vermutlich nicht. Und wie im Training unter Ausschluss von Beobachtern und Öffentlichkeit zugeschlagen wird, lässt sich ebenfalls nicht kontrollieren.

Schwere Verletzungen und Todesfälle

Wegdiskutieren lässt es sich nicht: Immer wieder kommt es bei Pferderennen zu schweren Verletzungen und Todesfällen unter den Tieren. 2021, beim ersten Rennen nach einer langen Corona-Pause in Hannover, brach sich eine drei Jahre alte Stute ein Vorderbein und musste noch auf der Bahn eingeschläfert werden. 2021 starb ebenfalls ein Pferd auf der Galoppbahn in Mühlheim (Nordrhein-Westfalen) nach einem Trümmerbruch, den es sich beim Rennen zugezogen hatte.

Beim traditionellen Kentucky Derby im Mai 2023 mussten gleich sieben Pferde ihr Leben lassen. Im englischen Liverpool starben dieses Jahr drei Tiere. Und auch in Deutschland verenden immer wieder Pferde auf oder neben der Rennbahn: Allein zwischen 2015 und Sommer 2019 ließen nach Angaben der Tierschutzorganisation Peta hierzulande mindestens 50 Pferde noch auf der Bahn ihre Leben, wobei eventuelle Todesfälle im Training nicht bekannt und somit nicht eingerechnet werden, wie Peta mitteilt.

Der bislang letzte Todesfall ereignete sich im August 2023 auf der Zielgeraden der Rennbahn Hannover-Langenhagen: Ein Pferd erlitt dort eine so schwere Verletzung, dass es kurz darauf getötet werden musste. Zuvor starb im Juni dieses Jahres der vier Jahre alte Wallach Shakar während des Rennens noch auf der Bahn – vermutlich an einem Herzanfall. Zuvor war das Tier immer langsamer geworden, bis es schließlich zusammenbrach. Aus einer Liste von Peta geht hervor, dass die weitaus meisten Tiere ab 2015 infolge von Brüchen starben. Aber auch Abrisse der Hauptschlagader oder Zusammenbrüche werden aufgeführt.

Lungenblutungen und Magengeschwüre

Untersuchungen zeigen, dass zahlreiche Rennpferde zudem unter Magengeschwüren leiden, laut der Tierschutzorganisation Peta rund 90 Prozent (bei Freizeitpferden sollen es etwa 60 Prozent sein, die ein Magengeschwür haben). Die Geschwüre seien unter anderem auf den Stress der Tiere vor und während eines Rennens zurückzuführen. Auch würden Galopper überwiegend mit Kraftfutter gefüttert statt mit Raufutter, das die Tiere eigentlich benötigten. Kraftfutter begünstige jedoch auch Magengeschwüre, wie etwa der ehemalige Rennbahntierarzt und heutige Pferderennen-Kritiker Maximilian Pick in einem Gespräch mit dem Tierschutzbund sagte.

Untersuchungen zufolge weisen die Tiere an Renntagen deutlich erhöhte Werte des Stresshormons Cortisol im Blut auf. Zwar sind Pferde Fluchttiere, daher sei es für sie natürlich, schnell zu rennen, glauben zahlreiche Rennsportfreunde. Dem widersprechen aber Tierschützer und Veterinäre wie Pick immer wieder: Zu Pferderennen werden die Tiere demnach gezwungen und müssen dabei Risiken eingehen, denen sie sich freiwillig niemals aussetzen würden. Die Tiere rennen aus Angst über die Bahn, nicht aus Freude, so der Tenor der Kritiker. Wie Peta hervorhebt, haben Galopper mitunter blutige Nasen nach einem Rennen. Dabei handle es sich jedoch nicht um Nasenbluten, sondern um Blutungen aus der Lunge, so Peta weiter.

Rente als Zucht- und Freizeitpferd?

Wer sich im Netz umschaut, findet zahlreiche Seiten, auf denen ehemalige Rennpferde als Freizeitpferde angeboten werden. Erfolgreiche ehemaliger Galopper werden zudem zur Zucht eingesetzt. Allerdings: „Nur mit den wirklich schnellsten und gesündesten Pferden soll auch weitergezüchtet werden, die Zuchtwahl soll komplett von den Ergebnissen auf der Rennbahn abhängig gemacht werden“, heißt es auf der Homepage der Branchenvereinigung Deutscher Galopp. Zudem führt die Seite auf, dass Vollblüter in zahlreichen anderen Bereichen des Pferdesports zu finden seien, unter anderem als Freizeit-, Dressur- und Springpferde.

Auf der Seite rennpferde-rente.de wird unter anderem über ehemalige Galopper berichtet und darüber aufgeklärt, wo die Unterschiede zwischen der Haltung eines ehemaligen Rennpferdes und eines Freizeittieres liegen. Die Seite verlinkt wiederum die Homepage der Branchenvereinigung Deutscher Galopp. Dass es nicht immer einfach ist, ein ehemaliges Rennpferd „umzuschulen“, wird jedoch auch beim Lesen der Berichte auf der Seite klar: Die Tiere sind vieles nicht gewöhnt, was ein Freizeitpferd ausmacht, etwa am Putzplatz angebunden zu werden. Auch das Stehenbleiben, wenn der Reiter aufstiegen möchte, ist für ein ehemaliges Rennpferd ungewohnt, ebenso wie das Zusammenstehen in gemischten Herden oder die Begegnung mit Radfahrern oder anderen Alltagserscheinungen.

Ehemalige Rennpferde gelten rechtlich nicht als „mangelhaft“

Dass die Tiere wegen einer Galopper-Vergangenheit jedoch als „mangelhaft“ gelten, liegt laut einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg nicht automatisch nahe. Demnach hatte eine Frau 2021 ein Pferd für 4300 Euro gekauft, das als reines Freizeitpferd ohne besondere Ausbildung angepriesen worden war. Später stellte sich jedoch heraus, das Tier war ein ehemaliger Galopper. Die Frau wollte von dem Kauf zurücktreten oder hilfsweise den Vertrag wegen Täuschung anfechten. Ihr Argument unter anderem: Ein ehemaliges Rennpferd könne wegen des „Verschleißes“ nicht so lange geritten werden wie andere Tiere. Das wies das OLG zurück: Ein gesundes Pferd sei nicht deshalb mangelhaft, weil es früher mal ein Rennpferd gewesen ist.

Allerdings werden nicht alle ehemaligen Rennpferde zur Zucht eingesetzt oder als Freizeitpferde umgeschult. Genaue Zahlen, wie viele, gibt es nicht. Rennpferde, die nicht verunglücken oder wegen Erfolglosigkeit früher aus dem Sport genommen werden, können bis zu einem Alter von etwa zehn Jahren laufen. Pferde allgemein werden im Schnitt zwischen 25 und 30 Jahren alt. Das heißt, dass ehemalige Galopper noch rund 15 bis 20 Jahre gefüttert, gepflegt, vom Tierarzt begutachtet und unter Umständen behandelt werden müssen – und das kostet Geld. Inwieweit Halter das in Kauf nehmen, um ihren Ex-Renner einen schönen Lebensabend bieten zu können, ist unbekannt.

Eine unklare Zukunft

Fakt ist: Ein ehemaliger Galopper bringt kein Geld mehr, wenn er nur herumsteht. Wie viele ehemalige Rennpferde hierzulande beim Schlachter landen, ist nicht mit Zahlen belegt.
In Großbritannien dagegen kam es 2021 nach einer TV-Doku zu einem Aufschrei, als eine Tierschutzorganisation aufdeckte, dass dort seit 2019 rund 4000 Rennpferde geschlachtet worden waren.

Fazit

Fazit: Pferde, die für Rennen gezüchtet werden, müssen intensive Trainingseinheiten erdulden und haben eine deutlich höhere Gefahr, sich schwer zu verletzen. Auch, wenn Branchenvereinigungen und Renntierärzte immer wieder betonen, den Tieren gehe es gut, so lassen manche Bilder und Berichte anderes vermuten. Was das Pferd empfindet, weiß niemand. Ob es tierfreundlich ist, Pferde als Sportgeräte für den eigenen Willen nach Erfolg, Ruhm und Geld zu strapazieren, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Der Rennsport ist ein Riesengeschäft, allein 2016 wurden auf Rennbahnen rund 26 Millionen Euro umgesetzt, und die eingesetzten Pferde müssen dazu am meisten beitragen. Was mit all den Tieren nach ihrer Karriere passiert, weiß niemand. Wer das nicht unterstützen möchte, sollte Pferderennen weder live noch im Fernsehen anschauen und nicht wetten. Dann sinken Nachfrage und Entertainmentfaktor. Dennoch lassen sich Galopprennen kaum verhindern – da Pferderennen als „Leistungsprüfung“ gelten, sind sie erlaubt.

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Quellen

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