VG Wort
Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
Ungleiches Paar

Kaninchen und Meerschweinchen zusammen halten – geht das wirklich?

Ein Kaninchen und ein Meerschweinchen kuscheln harmonisch miteinander
So harmonisch verläuft es leider nicht immer, wenn Meerschweinchen und Kaninchen zusammen gehalten werden Foto: iStock/Osobystist
Beke Enderstein
Freie Autorin

29.11.2022, 14:05 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Dass weder Kaninchen noch Meerschweinchen allein gehalten werden dürfen, spricht sich zunehmend herum und führt zu mehr Bewusstsein für die richtige Haltung der Tiere. Doch können die beiden Tierarten auch gemeinsam gehalten werden, wie es so oft auch im Zoohandel praktiziert wird?

Artikel teilen

Wer heute einen Zoofachhandel besucht, findet in der Abteilung für Kleintiere mitunter Gehege, in denen nicht nur Kaninchen, sondern auch Meerschweinchen herumlaufen. Die Haltungsbedingungen der beiden ähneln sich und es war lange Zeit eine gängige Empfehlung von Experten und Verkäufern in Zooläden, Kaninchen und Meerschweinchen zusammen zu halten. Doch mittlerweile sind viele Weisheiten über die Kleintiere, die früher noch als allgemeingültig galten, widerlegt worden. PETBOOK erklärt, ob man Meerschweinchen und Kaninchen wirklich gemeinsam halten kann.

Kaninchen und Meerschweinchen – ein ungleiches Paar

Auch wenn die Haltung der Tiere auf den ersten Blick ähnlich ist – ein großer Käfig mit Einstreu und Heu – sind die Herkunft und damit auch die Verhaltensweisen von Kaninchen und Meerschweinchen sehr verschieden. Meerschweinchen stammen aus Südamerika und gehören zur Kategorie Nagetiere. Sie sind Nestflüchter. Das bedeutet, dass wenn sie auf die Welt kommen, die Jungen schon relativ selbstständig sind. Sie sind auch in der Lage, ihren Eltern bereits früh zu folgen. Kaninchen hingegen sind Nesthocker. Sie kommen nackt und blind auf die Welt und sind noch nicht mobil. Auch wenn man es immer wieder liest oder hört: Kaninchen sind keine Nagetiere. Sie gehören zu den Hasenartigen und stammen aus Europa.

Meerschweinchen und Kaninchen sind also weder aus derselben Region, noch sind sie artverwandt. Demnach unterscheidet sich auch ihr Sozialverhalten, etwa was das Bedürfnis nach Körpernähe angeht. Kaninchen betreiben soziale Fellpflege und sind auf einen artgleichen Partner angewiesen. Meerschweinchen betreiben die Körperpflege lieber alleine. Werden beide zusammengehalten, möchte das Kaninchen seinen ungleichen Partner dennoch zur Fellpflege animieren.

Der ungleiche Wunsch nach Nähe und Fellpflege kann mitunter dazu führen, dass sich Meerschweinchen durch Kaninchen belästigt fühlen und in eine Art Schockstarre verfallen. Wer dieses arttypische Verhalten nicht kennt, kann die Situation leicht als Zuneigung missinterpretieren. Zwar benötigen Kaninchen und Meerschweinchen, im Gegensatz zu Hamstern, mindestens einen Partner, doch ist damit artgleiches Tier gemeint. Auch wenn es immer mal wieder berührende Geschichten gibt, die von einer innigen Liebe zwischen Kaninchen und Kater oder Hund und Küken erzählen.

Auch interessant: Tipps für eine artgerechte Kaninchenhaltung

Kaninchen und Meerschweinchen besitzen verschiedene Sprach- und Verhaltensrepertoires

Zudem können die einseitigen Annäherungsversuche zu Auseinandersetzungen beider Tiere führen. Zur Einforderung von sozialer Fellpflege nähert sich das Kaninchen seinem Partner in der Regel langsam an und duckt sich, indem es seinen Oberkörper senkt und die Löffel anlegt. Was für Kaninchen eine klare Putzaufforderung darstellt, interpretieren Meerschweine hingegen als Geste der Unterwerfung.

Die unerwünschte Folge: Das Meerschwein kann aggressiv auf die missverständliche Pose des Kaninchens reagieren. Kommt es dann zu einer Beißerei, ist das größere und kräftigere Kaninchen dem Meerschwein körperlich überlegen. Das kann dazu führen, dass der Nager bei solchen Rangordnungskämpfen lebensbedrohlich verletzt wird. Nicht selten werden die Kaninchen in Folge als aggressives Tier von den Besitzern ausgesetzt oder ins Tierheim gebracht – dabei lag die Verantwortung für diese Tragödie in der Hand des Besitzers.

Die Kommunikation von Kaninchen und Meerschweinchen unterscheidet sich nicht nur nonverbal, sondern auch verbal grundlegend, da beide Tiere ein ganz eigenes Sprach- und Verhaltensrepertoire besitzen. So kann die komplexe, teils ohrenbetäubende Lautsprache der Meerschweinchen (Quieken, Pfeifen und Co.) für geräuschempfindliche, eher stumme Kaninchen zur Herausforderung werden, auf die sie genervt und aggressiv reagieren können. Es ist daher nicht überraschend, dass veterinärmedizinische Verhaltensstudien zeigen, dass sich beide Arten für einen Artgenossen entscheiden würden, wenn sie die Wahl haben. Leider entscheidet jedoch der Mensch über die Konstellation.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen Meerschweinchen und Kaninchen im Überblick

Werden Meerschweinchen und Kaninchen im gleichen Käfig gehalten, kommt es häufig zu Problemen. Denn es gibt zahlreiche Verhaltensweisen, die gegen eine gemeinsame Haltung sprechen:

  • Körperkontakt: Kaninchen benötigen deutlich mehr Nähe zu Artgenossen als Meerschweinchen und vermissen das tägliche Ritual der Fellpflege, wenn sie ohne Artgenossen leben
  • Tagesrhythmus: Während Kaninchen dämmerungsaktiv und teils auch nachtaktiv sind, zeigen Meerschweinchen tagsüber die meiste Aktivität.
  • nonverbale Kommunikation: Meerschweinchen begrüßen sich untereinander über Schnuppern, ohne sich anzustupsen – im Gegensatz zu nähebedürftigen Kaninchen. Wird das Kaninchen aufdringlich (z. B. Anstupsen zur Kontaktaufnahme), reagiert das Meerschweinchen häufig mit noch mehr Distanz.
  • verbale Kommunikation: Während Meerschweinchen über eine facettenreiche Lautsprache als Teil des Sozialverhaltens verfügen, geben Kaninchen nur bei Schmerzen, großem Stress und Angst Laute von sich
  • Während sich Kaninchen besonders gerne auf erhöhten Plätzen mit Ausblick ausruhen, suchen Meerschweinchen zum Schlafen Höhlen und Verstecke

Meerschweinchen und Kaninchen – kein dynamisches Duo

Bis heute werden Kaninchen und Meerschweinchen in vielen Tierfachhandlungen zusammengehalten und auch als ungleiches Paar abgegeben. Dies liegt unter anderem an der Unwissenheit der Mitarbeiter bzw. Ladeninhaber. Nicht immer ist man im Tierfachhandel am besten beraten. Oft genug werden die Tiere dort immer noch in zu kleinen Käfigen gehalten oder falsch ernährt. Man sollte sich daher vor der Anschaffung des Tieres umfassend über Ansprüche, Pflege und individuelle Bedürfnisse der jeweiligen Art informieren.

Aus Sicht des Menschen mag die gemeinsame Haltung Vorteile bieten: Es besteht keine Gefahr von ungewolltem Nachwuchs, sodass eine gegebenenfalls kostspielige Kastration vernachlässigt werden kann. Nach außen mag das ungleiche Paar zudem bei unzureichendem Wissen harmonisch wirken, da nicht alle Tiere aggressiv aufeinander reagieren. Doch handelt es sich dabei allenfalls um eine Notgemeinschaft, weil ein artgleicher Partner mit gleichen Bedürfnissen vermisst wird.

Was kann man tun, wenn man bereits beide Tiere zusammen hält?

Ob aus Unwissenheit oder einer falschen Beratung – ist bereits ein Duo aus Meerschweinchen und Kaninchen in die eigenen vier Wände gezogen ist, muss man nicht zwangsläufig eines der Tiere wieder abgeben. Um ein möglichst harmonischen Zusammenleben zu gewährleisten, lautet die Empfehlung, ein Quartett aus zwei Kaninchen und zwei Meerschweinchen zu bilden. So ist gewährleistet, dass jedes Tier mindestens einen Partner hat, mit dem es in der eigenen Sprache kommunizieren kann.

Dafür sollte das Gehege muss ausreichend groß sein. Pro Kaninchen sollten mindestens zwei Quadratmeter und pro Meerschweinchen mindestens ein Quadratmeter zur Verfügung stehen. Zudem müssen zahlreiche Höhlen und Unterschlupf- bzw. Versteckmöglichkeiten für Meerschweinchen vorhanden sein, die nicht für das Kaninchen erreichbar sind. Mehrere Ebenen im Gehege oder Tierzimmer sorgen für ausreichend Distanz – und Liegeplätze für die Kaninchen. Zudem sollte bei der Gestaltung ausreichend Raum zur Verfügung stehen, der es den Kaninchen ermöglicht zu springen und Haken schlagen zu können.

Bei der Ernährung gibt es glücklicherweise einige Gemeinsamkeiten, die die Versorgung beider Arten in einem Gehege ermöglicht. Kaninchen und Meerschweinchen gemein ist, dass sie nachwachsende Schneidezähne haben, die sich ein Leben lang über das richtige Futter abnutzen müssen – und zwar über Heu und Äste. Keinesfalls jedoch über trockenes Brot! Auch die sonstigen Ansprüche an ein gesundes, artgerechtes und getreidefreies Futter und an täglich frisches Wasser sind ähnlich. Wer sich über die jeweiligen Besonderheiten informiert (u. a. ausreichend Vitamin C für Meerschweinchen), kann die Fütterung so gestalten, dass die Ernährung für beide Nager in einem Gehege funktioniert.

Bleiben Unstimmigkeiten und aggressives Verhalten trotz aller Ratschläge bestehen, müssen die beiden artgleichen Paare getrennt voneinander gehalten werden.

Mehr zum Thema

Quellen

Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale-Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.