
11. Juni 2025, 13:55 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wer sucht, der findet – und manchmal sich selbst. Hunde gelten als beste Freunde des Menschen, doch steckt in ihnen womöglich noch mehr von uns, als wir denken? Eine Studie wirft einen Blick darauf, ob sich Halter und Hund ähnlich sind – mit überraschenden Erkenntnissen.
Kennen Sie die Szene aus dem Disney-Animationsklassiker „101 Dalmatiner“, in der Hund Pongo für seinen Halter Roger eine Freundin sucht? Der Dalmatiner schaut aus dem Fenster und ist natürlich nicht ganz uneigennützig auf der Suche nach einem Gespann aus Traumfrau und dazu passender Hundedame. Dabei sichtet er viele Mensch-Hund-Teams, die optisch überzeichnet und farblich perfekt zueinanderpassen. Die schlaksige Künstlerin mit einem Afghanischen Windhund, die adrette Society-Lady mit ihrem Pudel wie frisch vom Hundefriseur. „Wie die Frau, so der Wauwau“, heißt es nicht nur hier deshalb auch sprichwörtlich. Doch könnte dahinter mehr als nur Stereotyp im Zeichentrick stecken? Studien haben sich der Frage gewidmet, ob Hunde und Menschen einander wirklich so ähnlich sind und dabei Erstaunliches herausgefunden.
Sind Hunde und Menschen sich wirklich ähnlich?
Viele Hundebesitzer haben das Gefühl, dass sie ihrem Tier nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich ähneln – sei es durch Gelassenheit, Geselligkeit oder Sturheit. Diese Beobachtung hat mittlerweile auch die Forschung erreicht: Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Geoanthropologie und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena untersuchten, ob es echte Parallelen zwischen Mensch und Hund gibt – und welchen Einfluss diese auf die Bindung haben. Yana Bender, Franziska Roth, Stefan Schweinberger, Simone Witte und Juliane Brauer haben ihre Arbeit im Fachjournal „Personality and Individual Differences“ im Februar 2025 veröffentlicht.
Die Forscher bereiteten die Ergebnisse von 15 empirischen Studien auf, die Ähnlichkeiten zwischen Hunden und ihren Haltern untersuchten – sowohl im Erscheinungsbild als auch hinsichtlich der Persönlichkeit. Dabei wollten die sie klären, ob Hunde tatsächlich wie ihre Besitzer aussehen und ob sie ähnliche Persönlichkeitsmerkmale zeigen – und falls ja, warum.
Denn die Mensch-Hund-Beziehung reicht rund 30.000 Jahre zurück und hat sich von einer Zweckgemeinschaft zu einer tiefen emotionalen Bindung gewandelt. In dieser engen Beziehung leben Hund und Mensch im gleichen sozialen Umfeld – was zu vergleichbaren Lern- und Sozialisierungsprozessen führen kann.
Frühere Studien zeigten bereits, dass Hunde soziale Kompetenzen besitzen, die menschlichen Kindern ähneln. Daraus entstand die Hypothese, dass es bei Hund-Halter-Duos sich sowohl im Aussehen als auch in der Persönlichkeit annähern. Doch entstanden diese Ähnlichkeiten durch bewusste Auswahl (Ähnlichkeit aufgrund der Auswahl) oder durch gemeinsame Zeit (Ähnlichkeit über die Zeit) – oder eine Mischung aus beidem?
In welchen Belangen Hund und Mensch sich ähneln
Die Auswahlkriterien schlossen qualitative Studien sowie solche ohne echten Hund-Halter-Bezug aus. Dabei fanden sie 15 geeignete Arbeiten, die das Thema umfassend beleuchteten, sieben zu äußerlichen und acht zu charakterlichen Ähnlichkeiten. Es zeigte sich deutlich: Ja, Hunde ähneln ihren Besitzern – äußerlich wie innerlich. Besonders bei reinrassigen Hunden fiel die Zuordnung zum Halter besonders leicht.
Ein kurioser Zusammenhang war auch eine Übereinstimmung zwischen Haar- und Ohrenlänge bei Frauen und ihren Hunden. Langhaarige Frauen wählen eher Hunde mit langen Ohren, während Frauen mit kurzen Haaren zu kurzohrigen Rassen tendieren. Auch beim Körpergewicht gibt es Parallelen – etwa zwischen dem Body-Mass-Index von Haltern und dem Übergewicht ihrer Hunde. Eine geteilte Lebensweise könnte hierfür verantwortlich sein.
In einer Studie genügte sogar der Augenbereich, um Paare korrekt zu identifizieren. Die Ergebnisse im Bereich Optik deuten stark auf die „Ähnlichkeit aufgrund der Auswahl“-Hypothese hin: Menschen wählen gezielt Hunde, die ihnen ähnlich sehen – etwa durch den Mere-Exposure-Effekt (Effekt des bloßen Kontakts oder Vertrauenseffekt) oder das Selbstähnlichkeits-Prinzip.
Bei den Persönlichkeitsmerkmalen fanden sich ebenfalls signifikante Korrelationen bei Neurotizismus und Extraversion. Diese Ähnlichkeiten scheinen sich laut der Studie mit der Zeit zu verstärken, sprechen also auch für die „Ähnlichkeit über die Zeit“-Hypothese. Mechanismen wie emotionale Konvergenz, Verhaltenssynchronisierung und gegenseitige Verstärkung wurden als mögliche Ursachen genannt.
Warum Ähnlichkeit eine Rolle spielt
Ein möglicher Grund für diese Nähe ist in unserer evolutionären Geschichte zu finden. Menschen fühlen sich von Natur aus zu anderen hingezogen, die ihnen ähneln oder mit denen sie Ähnlichkeiten haben. Sei es in der Partnerschaft oder beim Pflegen von Freundschaften: Gemeinsamkeiten verbinden. Das begünstigte in früheren Zeiten auch Zusammenarbeit und Überleben – ein Prinzip, das offenbar auch auf tierische Beziehungen übertragbar ist.
Emotionale Wechselwirkungen und gegenseitige Verhaltensbeeinflussung könnten ebenfalls zu Ähnlichkeiten führen. Menschen verstärken bestimmte Verhaltensweisen bei ihren Hunden unbewusst durch eigene Routinen oder Vorlieben. Gleichzeitig beeinflusst das emotionale Miteinander langfristig das Verhalten beider.
Diese Parallelen fördern nicht nur emotionales Investment, sondern beeinflussen auch, wie Halter mit problematischem Verhalten umgehen – oft mit mehr Nachsicht, wenn sie sich selbst in diesen Eigenschaften wiedererkennen. Allerdings können solche Projektionen auch unrealistische Erwartungen wecken, wenn Menschen beginnen, Hunden zu viele menschliche Züge zuzuschreiben.
Auch Gegensätze können sich ergänzen
Besonders bei reinrassigen Hunden spielt die angenommene Vorhersehbarkeit von Verhaltensweisen eine Rolle bei der Auswahl. Denn von manchen Hunden heißt es, sie verhalten sich beschützerisch, sind pflegeleicht oder verspielt. Diese standardisierten Eigenschaften führen häufig zur Wahl einer bestimmten Rasse und der damit verbundenen Hoffnung, dann das Verhalten des Tiers vorhersehen zu können.
Die Realität sieht jedoch meist etwas anders aus, denn auch wenn eine gewisse Tendenz zum Aufpassen bei Spitzen oder hohe Intelligenz bei Border Collie vorhanden ist, jedes Tier doch immer ein Individuum mit eigenem Charakter und Erfahrungen bleibt. Andererseits können solche Projektionen auch unrealistische Erwartungen wecken, wenn Menschen beginnen, ihre Tiere zu vermenschlichen.
Tatsächlich können Menschen und ihre Hunde auch hervorragend harmonisieren, wenn sie nicht viel gemeinsam haben. So kann ein lebhafter Hund einen zurückhaltenden Menschen zu mehr Aktivität und gesünderen Gewohnheiten motivieren. Das Teilen von Momenten der Freude, Frustration oder sogar Traurigkeit mit einem geliebten Hund kann auch ein Gefühl der Kameradschaft und emotionalen Unterstützung vermitteln.

Hunde- oder Katzenmensch? Was die Wissenschaft über Ihre Persönlichkeiten verrät

Katzen nutzen rechtes Nasenloch, um Menschen am Schweißgeruch zu erkennen

Studie identifiziert 7 Persönlichkeitsmerkmale von Hunden und wovon sie beeinflusst werden
Innere Werte zählen mehr als Äußerlichkeiten
Neben wahrgenommenen Ähnlichkeiten ist daher besonders die emotionale Kompatibilität entscheidend. Persönlichkeit und Bindungsstil des Menschen beeinflussen, wie gut die Beziehung funktioniert – auch wenn sich Hund und Halter äußerlich oder charakterlich zunächst kaum ähneln. Entscheidend ist, wie gut man sich aufeinander einlässt – trotz aller Unterschiede.
Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse über die tiefe Verbundenheit von Mensch und Hund. Während äußere Ähnlichkeiten primär durch bewusste Auswahl entstehen, entwickeln sich Persönlichkeitsähnlichkeiten vermutlich im Laufe der Beziehung. Besonders bedeutsam ist die Feststellung, dass die Persönlichkeit des Halters einen starken Einfluss auf das Verhalten des Hundes hat – und umgekehrt.
Die Studie stärkt damit die Sichtweise, dass Hunde weit mehr als nur Begleiter sind: Sie sind emotionale Spiegel ihrer Halter. Die Ergebnisse könnten helfen, Tierverhalten besser zu verstehen und Beziehungen zwischen Hund und Mensch gezielter zu gestalten, etwa in der Hundetherapie oder bei der Auswahl geeigneter Hunde in Familien oder bei Assistenzdiensten.1