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PETBOOK-Interview

Influencer über kroatische Straßenhunde: »In den Roma-Dörfern werden Welpen als Spielzeug verschenkt

Hunde hinter einem Zaun in einem Zwinger eines Tierheims in Kroatien
Das Tierheim Prijatelji Zivotinja in Zagreb ist das größte Kroatiens und beherbergt über 500 Hunde Foto: Tobias Langer
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

22.11.2023, 15:33 Uhr | Lesezeit: 11 Minuten

Influencer Tobias Langer fuhr im Rahmen des Projektes Heldenreisen für eine Woche nach Zagreb in Kroatien. Dort besuchte er das Tierheim Prijatelji životinja, wo sich zehn Angestellte nahezu rund um die Uhr um über 500 Hunde kümmern. Mit PETBOOK sprach er über seine Erfahrungen vor Ort und warum vor allem Hunde aus Roma-Dörfern die Tierschützer vor eine Herausforderung stellen.

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Das Tierheim Prijatelji životinja in Zagreb ist das größte Tierheim Kroatiens. Tierschützerin Aleksandra gründete das Heim vor rund 15 Jahren und steckte viel Arbeit und Herzblut in das Projekt, um Straßenhunden in Kroatien eine Möglichkeit auf ein besseres Leben zu geben. Mittlerweile kümmern sich zehn Angestellte um über 500 Straßenhunde. Pro Monat fallen allein 10.000 Euro für Tierarztkosten an. Doch trotz Kastrationsprojekten und Aufklärungsarbeit reist der Strom an Hunden, die die Tierschützer aus widrigen Umständen retten, nicht ab.

Tobias Langer, Influencer auf Instagram und TikTok, fuhr am 3. Juni im Rahmen des Projektes Heldenreisen (PETBOOK berichtete) mit dem Camper von Hannover nach Kroatien, um Tierheimleiterin Aleksandra von Prijatelji životinja zu besuchen. Ziel war es, der ehrenamtlichen Arbeit der Tierschützer durch Posts und Berichte auf seinen Social-Media-Kanälen Gehör zu verschaffen. Seine Hündin Zelda, die selbst aus dem Tierschutz kommt, begleitet ihn dabei. PETBOOK sprach mit dem Petfluencer über seine Eindrücke vor Ort und warum es wichtig ist, auch Tierschutzprojekten aus dem Ausland eine Stimme zu geben.

„Um in Kroatien etwas zu bewegen, musst du mit der Politik zusammenarbeiten“

PETBOOK: Tobi, du bist seit ein paar Wochen wieder zurück in Deutschland. Wie würdest du deine Eindrücke von den Straßenhunden im Tierheim in Kroatien beschreiben?
Tobias Langer: Es war schon echt beeindruckend, über 500 Hunde gefühlt auf einem Haufen zu sehen. Die Fläche ist zwar groß, mit der des Berliner Tierheims aber nicht zu vergleichen. Da haben wir in Deutschland einfach ganz andere Grundvoraussetzungen. Noch beeindruckender fand ich aber die Arbeit von Aleksandra. Sie ist eine unglaublich engagierte Frau und es ist echt Wahnsinn, was sie leistet. Das, was sie tut, geht über das reine Retten von Tieren hinaus. Um in Kroatien wirklich etwas für die Straßenhunde zu bewegen, muss man auch anfangen, mit der Politik zusammenzuarbeiten und Lobbyarbeit zu betreiben. Allein mit Kastrationsaktionen und Hunde ins Tierheim aufnehmen, kommt man nicht weit. Man muss das Problem im Kern angehen und da haben Aleksandra und ihr Team schon echt einige Erfolge gefeiert.

Was waren das für Erfolge?
Sie hat erzählt, dass sie alles von Grund auf selbst aufgebaut haben, wobei immer wieder was ergänzt wurde. Das sieht man auch, wenn man da ist. Da wurde hier mal was zusammengeschustert und da mal was ergänzt. Für Außenstehende wirkt das vielleicht manchmal etwas provisorisch, aber sie müssen eben mit dem arbeiten, was da ist.

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»Die Leute haben kaum eine Chance, sich um alle 500 Hunde zu kümmern

Was sind die größten Schwierigkeiten vor Ort?
Eine große Herausforderung ist das Füttern der Hunde. Das Hundefutter, das sie durch Spenden erhalten, reicht nicht, um alle Hunde zu füttern. Daher mischen sie das, was sie bekommen, mit Brotresten und Abfällen aus Schlachtbetrieben. Wenn das Geld reichen würde, würden sie gerne komplett auf Hundefutter umstellen, hat mir Aleksandra gesagt. Das ist eines ihrer großen Ziele.

Eine weitere Schwierigkeit ist die Betreuung der Hunde. Mit zehn Leuten haben die eigentlich keine Chance, sich täglich individuell um alle 500 Tiere zu kümmern. Dazu bräuchten sie 30 Stunden am Tag, um mit allen Aufgaben hinterherzukommen. Daher versuchen sie, die Gehege, in denen die Hunde untergebracht sind, möglichst groß zu halten, denn sie schaffen es nicht, mit jedem täglich Gassi zu gehen. Ehrenamtliche Gassigänger wie in Deutschland gibt es in Kroatien nicht. Daher versuchen sie, durch eine möglichst gute Unterbringung das Maximum für die Hunde herauszuholen. Wenn sie zum Beispiel wissen, dass ein Hund gern Wasser mag, stellen sie ihm schon mal ein Planschbecken hin.

In Deutschland gilt der Hund ja mittlerweile als Familienmitglied. Kettenhaltung ist verboten. Wie ist die Einstellung in Kroatien zu Hunden?
Also wenn man sich die Gesetzgebung ansieht, ist Kroatien da eigentlich sehr fortschrittlich. Zum Beispiel gibt es die Regel, dass ein Hund gechippt sein muss, sonst kostet es 6000 Euro Strafe. Es gibt auch ein Gesetz, was die Tötung in Tierheimen verbietet, aber Aleksandra hat mir gesagt, dass sie vermutet, dass manche Tierheime trotzdem noch Hunde einschläfern lassen. Das Problem daran ist, dass die Regelungen zwar da sind, aber keiner sie kontrolliert. 2018 hatten sie zusammen mit der Politik ein großes Kastrationsprojekt für Straßenhunde in Kroatien gestartet. Dabei sind sie in die Roma-Dörfer gegangen, da es dort viele herrenlose Hunde gibt. Danach sollte das kontrolliert werden, wurde es aber nie. Deshalb seien sie jetzt wieder bei null angelangt. Der ganze Einsatz hat sich nicht gelohnt, weil die Politik das schleifen lässt.

Auch interessant: Wie verhalte ich mich, wenn ich ein Haustier auf der Straße finde?

»Welpen werden in den Roma-Dörfern als Spielzeug verschenkt

Warum sind vor allem in den Roma-Dörfern so viele herrenlose Hunde?
Aleksandra hat mir erzählt, dass die Roma den Kindern dort oft Welpen als Spielzeug schenken. Wenn der dann groß ist und nicht mehr gewollt wird, kommt er auf die Straße. Dort muss er dann sehen, wie er klarkommt. Die werden nicht kastriert und gar nichts. Generell sind die Zustände in den Roma-Dörfern für die Hunde wohl schlecht und von dort kommen auch die meisten Hunde her, die sie aufnehmen.

Die Besitzerin des Campingplatzes, auf dem wir standen, hat mir außerdem erzählt, dass viele Leute, die ihren Hund nicht mehr haben wollen, ihn einfach in der Nähe eines Roma-Dorfes absetzen. Dort sind ja ohnehin schon viele Hunde und einer mehr fällt nicht auf. Und es wird, wie gesagt, eben nicht kontrolliert. Eigentlich gibt es die Gesetze und eigentlich wollen die Leute, dass sich etwas bessert, es kümmert sich nicht nur keiner wirklich drum.

„Es war berührend, wie sehr sich die Mitarbeiter um Einzelschicksale kümmern“

Gibt es einen Moment, der dich bei deinem Besuch des Tierheims besonders berührt hat?
Ja, da gab es einen großen weißen Schäferhund, der gerade eine große OP hinter sich gehabt hat. Der konnte gerade so wieder laufen. Als Kind hatte ich totale Angst vor großen Hunden. Ich bin zweimal gebissen worden und das wäre eben so der Typ Hund gewesen, vor dem ich sonst Angst habe. Er war aber einfach der liebste Hund ever! Der hat sich auf den Rücken gedreht und hat sich von oben bis unten von mir durchkraulen lassen. Aleksandra hat erzählt, er sei von einem Auto angefahren worden und hatte schwere Verletzungen der inneren Organe. Trotzdem war er so lieb und hat das alles so mitgemacht. Für mich war es auch berührend mitzubekommen, wie sehr sich die Leute hier um Einzelschicksale wie ihn kümmern.

Warst du auf der Reise selbst in Versuchung, einen Straßenhund aus Kroatien zu adoptieren?
Ja, voll! Aber ich hatte vorher mit meiner Partnerin den Deal gemacht, keinen Hund mitzubringen. Wir wohnen aktuell noch in einer Mietwohnung, zusammen mit meiner Hündin Zelda und zwei Katzen. Das reicht erst mal. Vielleicht wird ein zweiter Tierschutzhund dazukommen, wenn wir mal eine Eigentumswohnung haben. Aber in unserer jetzigen Situation hätten wir keinem ehemaligen Straßenhund aus Kroatien einen Gefallen damit getan, ihn mit nach Deutschland zu holen, denke ich.

„Oft kam der Vorwurf, warum wir nicht Hunde aus Deutschland retten“

Du hattest deine Hündin Zelda mit dabei. Wie hat sie auf die Straßenhunde in Kroatien reagiert?
Also auf der Straße selbst haben wir auf unserer Reise nicht viele Hunde gesehen und ins Tierheim durfte Zelda nicht mit rein. Das wäre zu viel Stress gewesen – sowohl für die Hunde im Heim als auch für Zelda. Aber sie durfte die Rolli-Hunde von Aleksandra kennenlernen. Das sind Hunde, die aufgrund fehlender Gliedmaßen oder Behinderungen auf kleinen Rollstühlen durch die Gegend flitzen. Aleksandra hat sie bei sich privat aufgenommen, außerhalb des Tierheims. Leider hat Zelda ziemlich ängstlich reagiert, weil sie es einfach nicht kannte. In Deutschland sind Hunde mit Gehhilfen oder Rollstühlen extrem selten.

Auf deinen Social Media Kanälen wie Instagram und TikTok postest du ja sonst eher lustige Clips. Wie haben deine Follower auf deine Berichte über das Tierheim und die Straßenhunde in Kroatien reagiert?
Das Feedback war eigentlich sehr gut. Es haben sich sogar ein paar meiner Follower mit Bildern von ihren Hunden gemeldet, die genau aus diesem Tierheim stammten. Ich finde auch, mein Video zur Mini-Reportage über Aleksandra und ihr Team ist eines meiner besten bis jetzt. Leider habe ich damit nicht so viele Leute erreicht, wie ich gehofft hatte. Vor allem TikTok spielt Clips über Comedy einfach besser aus als welche über Tierschutz, was ich echt schade finde.

Was mich immer ein wenig getriggert hat, waren die Vorwürfe, warum ich über Straßenhunde aus Kroatien berichte. Was sei denn mit den Hunden in Deutschland? Den ginge es ja schließlich auch nicht gut. Darauf bin ich ehrlich gesagt auch nicht so richtig eingegangen. Ich denke, beides ist wichtig und habe auch mit Aleksandra über das Thema gesprochen. Fairerweise muss man sagen, dass es den Hunden in deutschen Tierheimen einfach besser geht als in Kroatien. Ich weiß, das ist an sich noch kein Grund – die Tiere haben schließlich alle ein gutes Zuhause verdient. Aber die Vermittlungschancen stehen innerhalb Kroatiens enorm schlecht. Hauptsächlich gehen die Hunde nach Österreich, Schweiz oder Deutschland, weil Aleksandra und ihre Mitarbeiter sich da relativ sicher sein können, dass sie in ein gutes Zuhause kommen.

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»Manche wollen Hunde aus dem Tierheim für Hundekämpfe

Warum werden so wenig Tiere im eigenen Land vermittelt?
Die meisten Hunde im Tierheim dort sind schon älter. Wenn man die nur im eigenen Land vermitteln würde, würde es ewig dauern, bis die ein Zuhause finden und solange blockieren sie halt den Platz für andere, die Hilfe brauchen. Dann gibt es dort auch viele problematische Hunde und auch sogenannte Listenhunde. Die werden von manchen für Hundekämpfe gehalten, die keine Seltenheit in Kroatien sind. Und dann kommen Leute ins Tierheim, die halt genau solche Hunde haben wollen. Man muss also genau aufpassen, wem man im Land ein Tier gibt, das gilt auch für Interessenten aus den Nachbarländern wie Serbien. Aleksandra und ihrem Team ist wichtig, dass der Hund in gute Hände kommt und nicht in zwei Jahren wieder im nächsten Tierheim landet.

Hattest du das Gefühl, du konntest mit deinem Besuch etwas für die Straßenhunde in Kroatien und das Tierheim bewegen?
Ich glaube schon, weil jedes paar Augen, das sich ein Video zum Thema Tierschutz ansieht, potenziell etwas bewirken kann. Selbst wenn es nur der zwölfjährige Lukas ist, der denkt: ‚Wenn ich mal älter bin, dann hole ich mir einen Hund aus dem Tierschutz.‘ Man kann nicht alle Probleme lösen. Aber wenn ich mit meinem Video über Aleksandra und das, was sie und ihr Team vor Ort leisten, auch nur eine Person erreicht habe, die jetzt überlegt, einen Hund zu adoptieren oder etwas zu spenden, hat sich das schon gelohnt.

Trotzdem war es schon ein bisschen frustrierend, denn es gibt so viel beim Thema Straßenhunde in Kroatien, was eigentlich besser laufen könnte. Da braucht man einen langen Atem. Mit den Spenden, die wir im Rahmen des Projektes Heldenreisen sammeln konnten, werden wir das Problem nicht lösen, aber wir können damit die Aufklärungsarbeit von Aleksandra und ihrem Team vor Ort unterstützen.

Selfie von Tobias Langer mit zwei Mitarbeiterinnen des Tierheims in Kroatien
Tobias Langer mit Tierheimleiterin Aleksandra (rechts) und einer Mitarbeiterin. Foto: Tobias Langer
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»Das Projekt ist zu Ende, aber die Geschichte über Straßenhunde in Kroatien geht weiter

Was hat die Reise für dich persönlich verändert?
Ich möchte das Thema auf jeden Fall weiter bespielen. Vor allem, weil auch Zelda aus dem Tierschutz kommt. Genau wie meine beiden Katzen. Bisher habe ich dazu nicht viel gemacht, weil ich einfach zu wenig Zeit hatte. In Zukunft will ich aber auch eigene Storys dazu erzählen. Vor allem auch über das Tierheim in Griechenland, aus dem wir Zelda haben. Mit denen hatte ich schon mal ein Video zusammen gemacht und in meinem Format den „Tages miau“ gezeigt. Diese Geschichte würde ich gerne weiter erzählen.

Würdest du auch noch einmal das Tierheim und die Straßenhunde in Kroatien besuchen?
Ja, ich würde schon gerne noch einmal hinfahren. Auf jeden Fall werde ich mit Aleksandra und ihrem Team in Kontakt bleiben. Und wer weiß? Vielleicht holen wir uns irgendwann wirklich einen zweiten Hund. Einen kleinen griechischen Wirbelwind haben wir ja bereits. Vielleicht kommt noch ein kroatischer dazu, mal schauen. Das wird sich wahrscheinlich nächstes Jahr zeigen. Das Projekt Heldenreisen ist für mich jetzt zwar erstmal zu Ende, aber die Geschichte ist noch lange nicht fertig erzählt. Ich glaube, da gibt es noch viel, worüber ich berichten kann. Das fände ich eigentlich ganz schön.

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