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PETBOOK-Interview

Fressnapf-CEO Johannes Steegmann über die aktuellen Trends auf dem Haustiermarkt 

Porträtfoto von Dr. Johannes Steegman, CEO bei Fressnapf
Dr. Johannes Steegmann ist seit 2020 CEO bei der Fressnapf-Gruppe Foto: Fressnapf
Porträt Saskia Schneider auf dem PETBOOK Relaunch
Redaktionsleiterin

12.01.2024, 18:51 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Tiergeschäfte haben sich in den letzten 20 Jahren stark entwickelt. PETBOOK sprach im Rahmen der „Top-Leaders“-Reihe mit Fressnapf-CEO Dr. Johannes Stegmann über neue Trends und Entwicklungen in der Haustierbranche.

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Die Fressnapf Tiernahrung GmbH betreibt 2000 Fressnapf- bzw. Maxi Zoo-Märkte in 14 europäischen Ländern. Mit den typischen Tiergeschäften von früher haben die Filialen des Unternehmens schon lange nichts mehr zu tun. Neben Tierbedarf können Besitzer hier auch ihre Tiere versichern und sogar frisieren lassen. In Rahmen der „Top-Leaders“-Reihe sprach PETBOOK mit Dr. Johannes Steegmann, seit 2020 CEO bei Fressnapf, über neue Trends und Entwicklungen in der Haustierbranche.

PETBOOK: Herr Steegmann, Sie waren zuvor bei Rewe und sind 2020 zu Fressnapf gewechselt. Was waren dabei bisher die größten Herausforderungen?
„Wir mussten entlang unseres Geschäftsmodells sehr viel verändern. Wir haben beispielsweise ein neues Markt-Format entwickelt, das freundlicher und einladender wirkt. Zudem haben wir unseren Online-Service ausgebaut und beispielsweise einen Video-Chat mit Tierarzt gestartet.

Dazu kam noch eine neue Online-Plattform mit Marktplatz, der Ausbau des Exklusivmarkenportfolios und am Ende noch unsere eigene App, über die die Kunden direkt mit uns kommunizieren können. Das alles unter einen Hut zu bringen und auch qualifizierte Mitarbeiter für die einzelnen Themen zu finden, war die größte Herausforderung, der wir uns aktuell auch noch stellen.“

„Haustiere gehörten bei uns schon immer zur Familie“

Haben Sie auch eigene Haustiere?
„Ja, wir hatten immer Haustiere. Als Kind hatte ich Meerschweinchen. Heute hat meine Frau ein Pferd und wir haben einen Hund, Kalle. Der ist mittlerweile schon zehn Jahre und damit schon ein Senior. Haustiere gehörten bei uns schon immer zur Familie hinzu und das ist auch bei vielen Mitarbeitern von Fressnapf der Fall.“

Die Mitarbeiter sind in erster Linie ausgebildete Verkäuferinnen und Verkäufer. Inwieweit müssen diese über ein bestimmtes Fachwissen verfügen?
„In Umfragen haben wir herausgefunden, dass sich 80 Prozent eine fachliche Beratung von uns wünschen. Das betrifft vor allem das Thema Ernährung aber auch Gesundheit. Wenn Mitarbeiter neu bei uns starten, gibt es zunächst ein Onboarding und dann über die Zeit auch verschiedene Experten-Trainings, in denen Mitarbeiter dann zu Beratern ausgebildet werden, damit sie den Kunden bei bestimmten Themen weiterhelfen können.“

„Die Leute wünschen sich eine gute Beratung – die gibt es nur im Markt“

Vor 20 Jahren sahen Tiergeschäfte noch ganz anders aus. Was hat sich Ihrer Erfahrung nach am meisten verändert?
„Eine der Entwicklungen, die wir in der Haustierbranche sehen, ist, dass die Beziehung zwischen den Menschen und deren Haustieren enger geworden ist. Das war sicherlich vor 20 Jahren noch nicht so stark und wenn wir nach vorn schauen, sagt uns sämtliche Marktforschung, dass das noch stärker werden wird. Deshalb ist es für uns als Fachmarkt so wichtig, diesem Trend mit guter Beratung und einem großen Sortiment zu begegnen.“

Momentan boomt der Online-Handel und die Corona-Pandemie haben diese Entwicklungen in der Haustierbranche nochmals verstärkt. Haben Zoofachgeschäfte da noch eine Zukunft?
„Bei Fressnapf hatten wir das Glück, dass wir während der Corona-Pandemie geöffnet waren. Die Leute sind also weiter in unsere Märkte gekommen und das auch gerne. Sicher hat der Onlinekauf viele Vorteile, vor allem, wenn ich größere Mengen an Futter oder Streu bestelle.

Aber die Leute wünschen sich eben auch eine gute Beratung. Die gibt es nur im Markt. Zudem kann man Artikel wie Hundebetten vor Ort anfassen. In manchen Situationen ist also E-Commerce besser und in anderen der Markt. Deshalb ist es heute wichtig, auf allen Kanälen präsent zu sein.“

„Das Thema Gesundheit ist auf dem Vormarsch“

Was sind Trends und Entwicklungen, die Sie gerade in der Haustierbranche beobachten?
„Einen großen Trend, den wir sehen ist die Fütterung mit ‚biologisch artgerechtem rohen Futter‘, kurz BARF. Das möchten viele Kunden gerne ausprobieren, sind sich aber unsicher mit der Zusammensetzung und der Portionierung, weil es bei dem Thema viel zu beachten gibt. Hier bietet Fressnapf Gerichte an, die schon fertig gemixt sind und neben dem Fleisch auch Vitamine und Gemüse enthalten. Das kommt bei unseren Kunden sehr gut an.

Eine weitere Entwicklung in der Haustierbranche, die wir sehen, kommt aus Amerika und England. Dort gibt es für Hunde jetzt fertig gekochte Mahlzeiten. Das wird auch hier immer beliebter. Die zweite Sache, die auf dem Vormarsch ist, ist das Thema Gesundheit. Das betrifft nicht nur Produkte für alle möglichen Krankheiten, sondern auch Nahrungsergänzungsmittel oder Spezialfutter für Senioren oder Tiere mit Allergien.“

„Deutschland und Österreich sind richtige Katzen-Länder“

Gibt es bestimmte Unterschiede im Kaufverhalten der Kunden in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern?
„In Deutschland ist das Thema BARF ziemlich groß – das ist in anderen Ländern noch nicht der Fall. Je stärker man in Richtung Südeuropa und Osteuropa geht, greifen die Leute eher zum Fertig- bzw. Trockenfutter für ihre Tiere. Dann gibt es manche Länder wie Deutschland und Österreich, die richtige Katzen-Länder sind, während in Polen und Dänemark viel mehr Hunde leben.

Ein weiterer großer Unterschied ist die Herkunft der Tiere. Hier in Deutschland kommen nach unseren Marktforschungen viele Tiere vom Züchter oder aus dem Tierschutz. Im Ausland ist es üblicher, dass man seine Haustiere von Freunden oder Familie bezieht. Das merkt man dann auch im Kaufverhalten. Während in Deutschland die Züchter oder Tierheime meist schon ein Futter empfehlen und auch beraten, findet dies im Ausland vor allem in unseren Fachmärkten statt.“

Bei Produkten mit Fleischersatz sind Kunden noch verhalten

Eine spannende Entwicklung in der Haustierbranche könnte Laborfleisch sein. Dieses wurde kürzlich für Tierfuttermittel von der EU zugelassen und soll nun marktreif werden. Könnte es so etwas auch bald im Fressnapf geben?
„Das Thema Fleischersatzprodukte ist im Lebensmittelhandel schon sehr prominent und man kann oft beobachten, dass Trends aus dem Lebensmittelbereich auch in die Tierwelt überschwappen. Zum Beispiel Insekten als Nahrungsmittel.

Allerdings laufen diese Artikel bei uns bisher nicht so stark. Die Kunden sind bei solchen Themen noch etwas verhalten. Das könnte ich mir auch bei Produkten mit kultiviertem Fleisch aus dem Labor vorstellen. Gerade in Deutschland ist der Kunde, was solche Themen angeht, noch ein wenig gespalten. Ich bin aber gespannt, wie sich der Markt weiterentwickelt.“

Gibt es bestimmte Kriterien, die ein Produkt erfüllen muss, damit es bei Fressnapf ins Sortiment aufgenommen wird? Wer entscheidet das?
„Bei Fressnapf schauen wir zum einen darauf, ob das Produkt zu unserem sonstigen Sortiment passt. Zum anderen steht bei uns das Wohl des Haustiers immer im Mittelpunkt. Deshalb entscheiden auch unsere Tierärzte mit, ob ein Produkt neu ins Sortiment aufgenommen wird. Dabei sind einige Sachen von vornherein ausgeschlossen, etwa, wenn sie gegen den Tierschutz verstoßen wie Stachel- oder Elektroschock-Halsbänder. Dafür sind wir auch mit Tierschützern im regelmäßigen Austausch.“

„Bei Produkten, die neu ins Sortiment sollen, haben unsere Tierärzte ein Veto“

Wäre es auch möglich, dass Produkte, bei denen Tierärzte oder Tierschützer Bedenken äußern, wieder aus dem Sortiment genommen werden?
„Absolut. Das ist ja die Aufgabe unserer internen Tierärzte. Sie sind sozusagen die Wächter der Gesundheit der Haustiere unserer Kunden. Sollten sie Bedenken äußern, müssen wir das nachprüfen. Aber auch bei Produkten, die neu ins Sortiment kommen sollen, haben unsere Tierärzte ein Veto und dann würden wir so ein Produkt auch nicht in den offenen Markt bringen.“

In manchen Fressnapf-Filialen gibt es auch lebende Tiere zu kaufen. Viele Tierschützer kritisieren das, weil die Tiere oft wie Ware angepriesen werden und auf viel zu kleinen Verkaufsflächen sitzen. Wie stehen Sie zu dem Thema?
Bei uns steht das Wohl der Tiere im Mittelpunkt. Das bedeutet, unsere Mitarbeiter sind ausgebildet, was vor allem für spezielle Bereiche wie Aquaristik wichtig ist. Zudem halten wir uns streng an die Richtlinien sowie das Tierschutzgesetz und achten darauf, dass unsere Tiere von zertifizierten Züchtern kommen.

Wir verstehen die Bedenken. Auf der anderen Seite möchten wir unseren Kunden aber auch die Chance geben, bei uns Haustiere zu bekommen, weil wir daran glauben, dass Haustiere einen positiven Einfluss auf die Menschen haben – vor allem bei Kindern. Außerdem glauben wir auch, dass Haustiere in unserer Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert einnehmen.

Trotzdem möchten wir als Fachmarkt im besten Sinne aufgestellt sein und nicht erst reagieren, wenn es ein Problem gibt. Dafür sind wir in einem transparenten und kontinuierlichen Austausch mit verschiedenen Tierschutzorganisationen und wägen immer wieder ab, welche Tiere bei uns in den Geschäften verkauft werden. Natürlich begleiten uns auch die Tierärzte, die für uns arbeiten, in alle Entscheidungen, was diesen Bereich angeht.

„In einigen Filialen testen wir gerade Monitore mit Adoptionsangeboten für Tierheimtiere“

Ein weiterer Kritikpunkt der Tierschützer beim Tierverkauf ist, dass Leute lieber Tiere aus dem Tierheim adoptieren sollten, statt neue zu kaufen. In einigen Fressnapf-Filialen kann man sich jetzt aber auch darüber informieren. Wie geht das genau?
„Wir kooperieren aktuell mit der Firma ‚Tierheimhelden‘. Das ist eine Art digitale Adoptierstube, die die Adoptions-Angebote sämtlicher Tierheime Deutschlands bündelt. Dort kann man seinen Wohnort eingeben und bekommt alle Angebote für Tiere in der Umgebung.

In einigen Filialen wie etwa in Krefeld testen wir gerade einen Monitor im Markt, auf dem der Kunde dann eingeben kann, in welchem Umkreis und was für ein Haustier er sucht. Dabei kann man auch nach Rasse oder Alter des Tieres filtern und so ein Tierheim finden, das ein passendes Tier hat. Das kommt bei unseren Kunden bisher sehr gut an. Viele finden es spannend, dort nach einem Tier zu suchen. Die eigentliche Vermittlung findet dann im jeweiligen Tierheim statt.“

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„In Österreich probieren wir momentan, Katzenexperten zu schulen“

Was ist sonst noch für die Zukunft bei Fressnapf geplant?
„Fressnapf wird von vielen noch stark als Versorger wahrgenommen. Also als ein Ort, an dem man als Kunde hingeht, um Futter und andere Artikel für das Tier zu besorgen. Wir möchten aber gerne zum ‚Umsorger‘ werden, der sämtliche Themen rund um das Haustier bedient. Dafür möchten wir vor allem den Service ausbauen. Das betrifft zum Beispiel unser Angebot für Videochats mit einem Tierarzt, bei dem man digitale Sprechstunden machen kann.

Eine weitere Entwicklung, die wir in der Haustierbranche bei Fressnapf betreiben, ist die Ausbildung unserer Mitarbeiter. So probieren wir gerade in Österreich Katzenexperten zu schulen, weil wir merken, dass es in diesem Bereich eine starke Nachfrage gibt. Während Hundehalter andere Besitzer beim Gassigehen treffen und sich austauschen oder ihre Fragen in der Hundeschule stellen, ist das bei Katzenbesitzern nicht der Fall. Diese sollen mit ihren Fragen zukünftig zu Fressnapf kommen können, wo unsere Mitarbeiter ihnen dann helfen. Entweder in Sprechstunden oder auch einfach direkt in der Filiale.

Je informierter die Leute sind, desto eher kann Tierleid verhindert werden. So können wir durch gute Beratung dafür sorgen, dass die Leute zufriedener mit ihrem Haustier sind. Unsere große Mission ist, das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier glücklicher zu machen und das verkörpern auch unsere Mitarbeiter. Wenn du bei Fressnapf anfängst, ist eine der ersten Sachen, die dir auffällt, dass neben den Fotos von Familie und Kindern, überall Fotos von den Haustieren auf den Schreibtischen stehen.“

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