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Studie zeigt

Hunde können nicht beurteilen, ob ein Mensch nett oder gemein ist

Können Hunde beurteilen, ob ein Mensch nett oder gemein ist? Das ist eine Frage, der ein Forschungsteam nun nachgegangen ist
Können Hunde beurteilen, ob ein Mensch nett oder gemein ist? Das ist eine Frage, der ein Forschungsteam nun nachgegangen ist Foto: Getty Images for Westminster Ken
Dennis Agyemang
Redakteur

3. Juli 2025, 14:20 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Seit je her besteht bei vielen der Glaube, dass Hunde ein ausgezeichnetes Gespür dafür haben, wer es gut mit ihnen meint und wer nicht. Doch ist das wirklich so? Können Hunde tatsächlich beurteilen, ob ein Mensch nett oder gemein ist – und entsprechend handeln? Diese spannende Frage steht im Zentrum einer aktuellen Studie, die Hunden eine scheinbar einfache Entscheidung abverlangt. Das Ergebnis kommt für viele überraschend …

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Als Hundehalter höre ich häufig von Menschen Sätze wie: „Ja, Hunde wissen ganz genau, wer nett ist und wer es gut mit ihnen meint“ oder auch „Hunde haben ein untrügliches Gefühl dafür, wem sie vertrauen können und wem nicht.“ Doch ist das wirklich so? Das wollte auch ein Forschungsteam der Veterinärmedizinischen Universität Wien wissen und untersuchte im Clever Dog Lab, ob Hunde in der Lage sind, aus dem Verhalten von Menschen Rückschlüsse auf deren „Charakter“ zu ziehen – ein Phänomen, das als „Reputationsbildung“ bekannt ist.

Können Hunde beurteilen, ob ein Mensch nett oder gemein ist?

In der Studie, die im Fachmagazin „Animal Cognition“ veröffentlicht wurde, testeten die Forscherinnen, ob Hunde nach direkter Erfahrung oder durch bloßes Beobachten (Eavesdropping) lernen, zwischen einem „großzügigen“ und einem „egoistischen“ Menschen zu unterscheiden. Erstmals wurde zudem geprüft, ob Alter und Lebenserfahrung der Tiere dabei eine Rolle spielen. Die Erkenntnisse liefern neue Impulse für die Forschung, werfen aber auch methodische Fragen auf.

Denn viele Tierarten leben in Gruppen und profitieren von Kooperation – allerdings nur, wenn sich alle Mitglieder fair verhalten. In der freien Wildbahn beobachten Tiere genau, wer teilt und wer nicht, und bilden sich so eine Meinung, also eine „Reputation“, über Artgenossen. Dieses Prinzip ist auch bei Menschen zentral für soziale Beziehungen. Die Forschung wollte nun klären, ob Hunde, die seit Jahrtausenden eng mit uns zusammenleben, ebenfalls in der Lage sind, menschliches Verhalten sozial zu bewerten.

Frühere Studien lieferten nämlich gemischte Ergebnisse – manche fanden Hinweise auf Reputationsbildung bei Hunden, andere nicht. Dabei wurde oft kritisiert, dass Versuchsanordnungen nicht realitätsnah oder methodisch unzureichend seien. Besonders die Fähigkeit des „Eavesdropping“, also des Beobachtens fremder Interaktionen, ist kognitiv – also geistig – anspruchsvoll. Die aktuelle Studie knüpft an diese Diskussion an, erweitert aber die Perspektive um einen bisher wenig beachteten Aspekt: die Rolle des Alters und damit der individuellen Lebenserfahrung der Hunde.

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Was wurde untersucht – und wie?

In der Studie wurden 40 Familienhunde (je 20 männlich und weiblich) in drei Altersgruppen getestet: „jung“ (1–3 Jahre), „erwachsen“ (4–7 Jahre) und „senior“ (8–12 Jahre). Die Tiere nahmen an zwei verschiedenen Versuchsbedingungen teil: In der Eavesdropping-Bedingung beobachteten sie, wie zwei fremde Menschen (eine großzügig, eine egoistisch) mit einem anderen Hund interagierten – die eine Person fütterte, die andere verweigerte Futter. In der Direkterfahrungs-Bedingung erlebten die Hunde diese Situationen selbst mit beiden Menschen.

Eine Kontrollgruppe sah dieselben Gesten der Menschen, allerdings ohne Hund, um auszuschließen, dass Hunde nur auf Bewegungen reagieren. In mehreren Testphasen analysierten die Forscherinnen, welchen Partner die Hunde bevorzugten und ob sie mehr freundliches Verhalten (z. B. Nähe, Körperkontakt) zeigten. Die Tests wurden im Freien unter tierfreundlichen Bedingungen durchgeführt.

Das Ergebnis der Studie

Die Auswertung zeigte deutlich: Keiner der Hunde bevorzugte signifikant die großzügige gegenüber der egoistischen Person – weder nach Beobachtung noch nach direkter Erfahrung. Auch das Alter spielte keine Rolle. Weder junge noch alte Hunde entschieden sich häufiger für die „freundliche“ Person. Sie verbrachten auch nicht mehr Zeit mit ihr. Nur drei von 40 Hunden zeigten eine statistisch auffällige Präferenz – zwei davon für die großzügige, eine für die egoistische Person.

In der Gruppe war die Verteilung der Entscheidungen insgesamt jedoch zufällig. Selbst bei zwölf direkten Kontakten mit beiden Menschen konnten die Tiere keine klare Unterscheidung treffen. Auch bei der Analyse von Blickkontakt, Körpernähe und anderem freundlichem Verhalten gab es keine Unterschiede. Ein Nebenergebnis: Viele Hunde zeigten eine Seitenpräferenz (z. B. immer zur linken Person), was teils mit Lichtverhältnissen im Außenbereich erklärt werden konnte.

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Bedeutung der Ergebnisse

Die Ergebnisse stellen die verbreitete Annahme infrage, dass Hunde fähig sind, menschliche Reputationen zu bilden – zumindest unter den getesteten Bedingungen. Obwohl Hunde evolutionär eng mit uns verbunden sind und oft sehr kooperativ wirken, fanden die Forscherinnen keine Hinweise darauf, dass sie systematisch zwischen „netten“ und „unfreundlichen“ Menschen unterscheiden. Das deutet darauf hin, dass diese kognitive Fähigkeit bei Hunden entweder nicht vorhanden oder unter experimentellen Bedingungen nur schwer nachweisbar ist.

Besonders auffällig: Selbst direkte Erfahrung mit beiden Personen – also mehrfaches Belohnen oder Ignorieren – reichte nicht aus, um klare Präferenzen zu entwickeln. Dies könnte bedeuten, dass der Testaufbau nicht den richtigen Kontext bot oder Hunde mehr oder andere Formen von Informationen benötigen, um Verhalten zu bewerten. Möglicherweise reagieren sie stärker auf negative Reize (z. B. Ablehnung), wie andere Studien nahelegen, oder sie benötigen mehr Wiederholungen über längere Zeiträume.

Das gilt es bei der Studie zu beachten

Die Studie wurde sorgfältig konzipiert, um frühere methodische Schwächen zu vermeiden. Etwa durch konsequente Kontrolle von Ort, Kleidung, Positionen und gleichbleibende Testdurchführung. Dennoch bleiben Einschränkungen: Die Zahl der Interaktionen könnte zu gering gewesen sein, um nachhaltige Lernprozesse anzustoßen. Zudem waren beide Versuchsleiterinnen weiblich – Studien zeigen, dass Hunde Menschen verschiedener Geschlechter leichter unterscheiden können.

Auch der Einsatz von Futter, das die Aufmerksamkeit stark binden kann, könnte differenzierte Bewertungen überlagert haben. Nicht zuletzt war die Motivation der Hunde möglicherweise zu gering – sie waren nicht hungrig, nicht gestresst und gewöhnten sich schnell an die Testumgebung. Die Außenumgebung bot zudem Ablenkung. Eine Besonderheit: Viele Hunde zeigten Seitenpräferenzen, etwa weil eine Seite mehr Schatten bot. Zwar wurden diese Effekte in der Analyse berücksichtigt, könnten aber dennoch subtile Einflüsse gehabt haben. Insgesamt zeigt sich, wie herausfordernd es ist, soziale Urteilsprozesse bei Tieren unter kontrollierten Bedingungen zu messen.

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Fazit

Die Studie liefert keinen Beleg dafür, dass Hunde – unabhängig von ihrem Alter – menschliches Verhalten im Sinne von Reputation sozial bewerten können. Weder durch Beobachtung noch durch eigene Erfahrung ziehen sie die großzügige der egoistischen Person vor. Damit wird deutlich, wie komplex und störanfällig solche kognitiven Tests sind. Zukünftige Studien sollten längere Lernphasen, stärkere Kontraste zwischen den Testpersonen und verschiedene Hundetypen (z. B. freilebende Hunde) berücksichtigen.

Für Hundehalter heißt das: Auch wenn Hunde sehr aufmerksam wirken, bewerten sie unser Verhalten möglicherweise nicht so differenziert, wie wir manchmal glauben. Zumindest nicht, wenn es um das Füttern durch Fremde geht.1

Themen Hundeverhalten Neues aus Wissenschaft und Forschung

Quellen

  1. Jim, HL., Belfiore, K., Martinelli, E.B. et al. Do dogs form reputations of humans? No effect of age after indirect and direct experience in a food-giving situation. Anim Cogn 28, 51 (2025). ↩︎

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