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Hobby oder Tierquälerei?

Warum für Meerwasseraquarien jährlich Millionen von Fischen sterben

Tropische Fische in einem Meerwasseraquarium
Bunte Fische und Korallen sind echte Hingucker im Aquarium. Aber die Tiere sind sehr anspruchsvoll und viele stammen aus Wildfängen Foto: Getty Images
Sonja Jordans

11.12.2023, 17:05 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Meerwasseraquarien erfreuen sich großer Beliebtheit und faszinieren durch ihre exotische Unterwasserwelt. Doch die meisten Fische werden dafür aus Ozeanen gefangen und sterben massenweise beim Transport. Spätestens seit der Tragödie des geplatzten Aquadoms in Berlin stehen Meerwasseraquarien stark in der Kritik. Kann man Fische in einem Meerwasseraquarium überhaupt artgerecht halten?

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Farbenprächtige Fische, faszinierende Seeigel und majestätische Garnelen – die faszinierende Unterwasserwelt von Meerwasseraquarien übt eine besondere Anziehungskraft auf Liebhaber der aquatischen Fauna aus. Doch spätestens seit das riesige Aquariumbecken des Aquadoms in der Lobby eines Berliner Hotels explodiert ist (PETBOOK berichtete) und unzählige tierische Bewohner in den Tod gerissen hat, stehen solche Becken in der Kritik. Sie seien nicht artgerecht und ihre Bewohner würden dem Meer entrissen. Doch gilt das auch für Aquarien in Privathaushalten und wie lässt sich eine Unterwasserwelt im Meerwasseraquarium artgerecht einrichten, ohne Tiere zu gefährden? PETBOOK hat nachgefragt. 

Was ist das besondere an einem Meerwasseraquarium?

Für die meisten Betrachter dürfte es vor allem die bunte Tierwelt sein, die begeistert. Exotische Fische, Korallen, Seeigel und andere Bewohner, die ansonsten weit weg in tropischen Gefilden leben, kommen so ins heimische Wohnzimmer. Einrichtung und Unterhalt der Becken sind jedoch eine Wissenschaft für sich, erfordern Zeit, Hingabe und spezielle Kenntnisse: Unter anderem müssen Salzgehalt und -zusammensetzung sowie Wasserbeschaffenheit exakt auf die Bedürfnisse der Bewohner eingestellt werden. Aquarienexperten raten Anfängern deshalb von Meerwasserbecken ab, denn die Unterwasserwelt ist sehr empfindlich und verzeiht keine Pflege- oder typische Anfängerfehler. Spezielle Filteranlagen, Licht und Temperatur sind deshalb ebenfalls unverzichtbar. Auch die Bewohner im Meerwasseraquarium benötigen für eine artgerechte Haltung Strömungen, Riffe und ähnliche Einrichtungen. 

Auch interessant: Süß- oder Salzwasseraquarium? Die Unterschiede im Überblick

Was kostet ein Meerwasseraquarium?

Allein die Becken ohne Einrichtung wie Pflanzen, Steine und Besatz können je nach Größe mehrere tausend Euro kosten. Für ein winziges Würfelbecken, auch Nanoaquarium genannt, mit 45 Zentimetern Kantenlänge, Unterschrank und Elektronikzubehör werden im Handel bereits rund 1100 Euro fällig. Größere Becken sind entsprechend teurer. Wer möchte, kann knapp 10.000 Euro für ein Set aus Aquarium, technischem Zubehör und Unterschrank ausgeben. Weitere Kosten für Steine, Pflanzen, Bodengrund, Strom und Wasseraufbereitung kommen hinzu, Fische und andere Lebewesen noch nicht eingerechnet. 

Kann man ein Meerwasseraquarium artgerecht einrichten?

Händler raten meist zu größeren Becken, da sie sich leichter einrichten und regulieren ließen. Zudem böten sie den Bewohnern mehr Platz. Die Tierrechtsorganisation Peta dagegen stellt klar: Ein Meerwasseraquarium, ganz gleich, wie groß es bemessen ist, sei niemals artgerecht und könne auch nicht naturnah gestaltet werden. Mit der natürlichen Umgebung der Fische und anderer Bewohner habe ein Glasbecken nichts zu tun. Fische gelten als soziale Tiere, legen in der freien Natur weite Strecken zurück, leben teils in großen Schwärmen mit zahlreichen Artgenossen, erleben Gerüche, Wasserbewegungen, Strömungen und andere Eindrücke.

In einem Aquarium sei das alles nicht möglich, betont die Tierrechtsorganisation auf Nachfrage von PETBOOK. „Meerwasseraquarien sind immer problematisch“, so Tanja Breining, Biologin und Fachreferentin für Wassertiere bei Peta. „Aus ethischen und ökologischen Gründen.“ Nicht nur die Enge des Beckens stehe einer artgerechten Haltung seiner Bewohner entgegen. „Die Fische verlieren ihre Heimat, den Ozean, und meist auch noch ihr Leben, wenn sie für Aquarien gefangen werden.“

Woher kommen die Fische für ein Meerwasseraquarium?

Zwar werben einige Händler damit, Korallen als Besatz für Meerwasseraquarien selbst zu züchten. Für zahlreiche Fische gilt das laut Peta jedoch nicht. Wie die Organisation mitteilt, lassen sich nur wenige Meerwasserfische züchten. „Von den etwa 2500 marinen Fischarten, die sich im Handel befinden, pflanzt sich nur etwa ein Hundertstel überhaupt in Gefangenschaft fort“, sagt Tanja Breining. Mehr als 95 Prozent der verkauften Meerwasser-Fischarten seien Wildfänge, die direkt aus dem Ozean und somit einem empfindlichen Ökosystem entnommen wurden.

Viele Fische sterben kurz nachdem sie in ihr Aquarium einziehen. Besonders in großen Schaubecken würden sie dann wieder durch Wildfänge ersetzt, damit Besucher den Verlust nicht bemerken. Der Handel mit Aquariumsfischen sei eine „unreglementierte und unkontrollierte Millionenindustrie“, so Peta. Weltweit werden jährlich rund 150 Millionen Zierfische gehandelt, 600.000 davon gehen nach Aquarien in Deutschland. Diese Tiere würden dann, je nach Art, als „Raritäten“ angepriesen und – wie etwa bestimmte Doktorfische – mitunter für knapp 600 Euro pro Exemplar verkauft.

Hoher Preis der Exotik: Jährlich sterben Millionen von Aquarienfischen auf dem Transportweg

Pro Jahr werden 110 Millionen Meerestiere für Aquarien gefangen. Doch nicht alle schaffen es an ihr Ziel. Etwa die Hälfte von ihnen stirbt schon auf dem Transportweg, wie es in einer Studie im Fachmagazin „Science Advances“ heißt. In Plastikbeutel gepackt und verstaut in Transportkisten werden die Fische über viele Wochen hinweg von einem Händler zum Nächsten transportiert, bevor sie letztendlich beim Endkunden landen. Jede Handelsetappe fordert dabei ihre Opfer. Vor einigen Jahren ergaben Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO und des Umweltprogramms UNEP der Vereinten Nationen, dass beim Fang und Transport von marinen Zierfischen sogar bis zu 80 Prozent der Tiere sterben.

Hilft ein Meerwasseraquarium bei der Arterhaltung?

Oft argumentieren Fischzüchter, die Haltung der exotischen Wasserbewohner in Gefangenschaft diene der Arterhaltung. Die Tierschutzorganisation Peta widerspricht diesem Argument. Das Gegenteil sei der Fall: Die dafür gefangen Fische seien nicht nur der Möglichkeit beraubt, sich fortpflanzen zu können, sie fehlen auch in ihren ohnehin gefährdeten Ökosystemen. Besonders Korallenriffe gelten weltweit als bedroht, was bedeutet, dass auch die sie bewohnenden Fische bedroht sind.

Hinzukommt: „Jede Fischart hat im Meer eine wichtige Funktion“, erläutert Peta-Biologin Tanja Breining. Putzerlippfische etwa gelten als „Gesundheitspolizei“ des Riffs und befreien dessen Bewohner von Parasiten. Werden diese Fische gefangen, fehlt dem Ökosystem ein wichtiger Bestandteil, das gesamte Riff könne verkümmern. Zudem würden bei den Fangaktionen mit Keschern häufig Korallen zerstört oder Betäubungsmittel eingesetzt, damit die Fische leichter eingesammelt werden können. Diese Gifte jedoch gefährden sämtliche in den Korallen lebenden Tiere. 

Was bei einem Meerwasseraquarium zu beachten ist

Neben der artgerechten Haltung der Fische ist die Statik der Becken ein Kernaspekt bei der Anschaffung eines Meerwasseraquariums. Selbst bei kleinen Becken, in die nur rund 70 Liter Wasser passen, müssen noch Einrichtung, Schrank und Zubehör zum Gewicht dazugerechnet werden. Im Handel werden jedoch oft Meerwasser-Aquarien angeboten, die mehr als 200 Liter Wasser fassen. Bei mindestens 300 Kilo Gesamtgewicht kann, je nach Baustil, die Statik des Fußbodens dabei schnell an ihre Grenzen kommen.

Zudem können Aquarien unsichtbare Haarrisse bekommen, die deren Stabilität beeinträchtigen. Auch eine unebene Fläche, die sich für den Betrachter nicht bemerkbar macht, kann das Aquarium auf Dauer schädigen. Dann besteht die Gefahr, dass auch das heimische Becken platzt. Zudem müssen Wasserwerte, Beleuchtung und Temperatur penibel auf die Bewohner abgestimmt und eingehalten werden. Das erfordert nicht nur Genauigkeit und Wissen, sondern kostet auch Geld – besonders bei den aktuellen Energiepreisen ein nicht zu vernachlässigender Aspekt. 

Vertretbare Alternativen zu Meerwasseraquarien

Die Tierschutzorganisation Peta rät von bewohnten Aquarien generell ab. „Man kann sich stattdessen ein Becken nur mit schönen Wasserpflanzen einrichten.“ Blau schimmerndes Meerwasser und eine schöne Einrichtung ließen sich dann problemlos genießen, ohne Tiere zu quälen. Unterwasserdokumentationen vermittelten ein Bild von Fischen, Seesternen und anderen Riffbewohnern in ihrer artgerechten Umgebung. Wem es also auf den beruhigen Effekt des Beckens ankomme, der könne sich mit virtuellen Aquarien beschäftigen. Und wenn es unbedingt Fische sein müssen, sollten höchstens solche ausgewählt werden, die bereits in Tierheimen auf neue Besitzer warten und keine neuen Wildfänge aus dem Handel, rät Peta.

Anmerkung der Redaktion: PETBOOK hat zu dem Thema mehrere Experten angefragt. Leider waren diese entweder nicht bereit, ohne Bewerbung ihres Unternehmens, Aussagen zu Meerwasseraquarien zu treffen, wiesen die Zuständigkeit für dieses Thema ab oder waren nicht erreichbar. Die Tierschutzorganisation Peta beantwortete als einzige unsere Anfrage und war bereit, zu diesem Thema Auskunft zu geben.

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Quellen

Themen Fische
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