
10. Juli 2025, 17:08 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Tigerpythons gehören zu den beeindruckendsten Räubern der Tierwelt: Bis zu sechs Meter lang, kraftvoll und in der Lage, ganze Tiere am Stück zu verschlingen – inklusive Fell, Federn und sogar Knochen. Doch wie ist es möglich, dass sie auch das harte Skelett ihrer Beute verdauen können, ohne daran zu zerbrechen – im wahrsten Sinne des Wortes?
Tigerpythons gehören zu den wenigen Tieren, die sogar Knochen verdauen können. Ein internationales Forschungsteam hat nun das faszinierende Geheimnis gelüftet, wie diese Riesenschlangen mit der extremen Kalzium- und Phosphorlast fertigwerden. Die neuen Erkenntnisse wurden in dem wissenschaftlichen Fachmagazin „Experimental Biology“ veröffentlicht. Sie eröffnen nicht nur Einblicke in die außergewöhnliche Biologie dieser Tiere, sondern könnten auch Hinweise auf ähnliche Strategien bei anderen Räubern geben.
Was fressen Tigerpythons?
Der Dunkle Tigerpython (Python bivittatus), auch als Burmese Python bekannt, zählt zu den größten Schlangen der Welt. Als typischer Lauerjäger macht er Jagd auf eine große Bandbreite an Wirbeltieren. Dazu zählen Amphibien, Vögel, aber auch kleine und mittelgroße Säugetiere. Salopp gesagt, fressen die Schlangen alles, was in ihr Maul passt.
Die Auswahl der Beute richtet sich dabei nach der Körpergröße des Pythons. Jungtiere ernähren sich vor allem von Fröschen und Nagetieren. Adulte Exemplare können aber auch Wildschweinferkel, kleine Affen oder sogar ausgewachsene Rehe erbeuten. In Florida wurden sogar Tiere dokumentiert, die Weißwedelhirsche verschlungen haben. Das ist ein beachtlicher Beweis für die Dehnbarkeit ihres Mauls und ihrer Verdauungskapazitäten.
Wie schaffen es Tigerpythons, ganze Skelette zu verdauen?
Das Verdauen ganzer Beutetiere – einschließlich ihrer Knochen – stellt für den Organismus eine enorme Herausforderung dar. Das liegt vorrangig an den riesigen Mengen an Kalzium und Phosphor, die dabei freigesetzt werden. Doch Tigerpythons sind in der Lage, Knochen vollständig zu verdauen. Dafür haben sie im Laufe ihrer Evolution eine verblüffende Anpassung entwickelt: In ihrer Darmschleimhaut befinden sich spezialisierte Zellen, die überschüssige Mineralien in Partikelform binden und so aus dem Organismus ausleiten können. Vereinfacht ausgedrückt: Die Darmzellen verpacken die große Menge an Mineralien so, dass diese einfach mit der Verdauung ausgeschieden werden.
So haben Forscher das Geheimnis gelüftet
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Jehan-Hervé Lignot von der Universität Montpellier hat diese Zellen nun näher untersucht. Dafür fütterten sie junge Tigerpythons mit verschiedenen Diäten – mit und ohne Knochen – und analysierten die Darmschleimhaut mittels Mikroskopie.
Das Ergebnis: Nur wenn die Pythons ganze Beutetiere mit Skelett erhielten oder Kalziumzusätze bekamen, bildeten die spezialisierten Zellen Partikel aus Kalzium, Phosphor und Eisen. Diese Partikel sorgen offenbar dafür, überschüssige Mineralien über den Kot auszuscheiden, die der Körper nicht mehr benötigt.1
Welche Bedeutung haben die neuen Erkenntnisse für die Wissenschaft?
Diese Entdeckung ist ein Durchbruch für die vergleichende Physiologie. Sie zeigt, wie hoch spezialisierte Tierarten mit extremen Anforderungen an ihren Stoffwechsel umgehen können. Die Fähigkeit, Knochen effizient zu verdauen und überschüssige Mineralien kontrolliert auszuscheiden, könnte auch bei anderen Räubern mit ähnlicher Ernährungsweise von Bedeutung sein.
Darüber hinaus liefert die Entdeckung wichtige Informationen für die Veterinärmedizin und die Haltung dieser Tiere in Gefangenschaft – etwa bei der Frage, wie sich Kalziummangel vermeiden lässt oder welche Futtermittel geeignet sind.
Können auch andere Schlangen oder Tiere auf diese Weise Knochen verdauen?
Interessanterweise wurden ähnliche Zellen wie bei den Tigerpythons auch in anderen Schlangenarten nachgewiesen, etwa bei Boas und bei der Kolubriden-Schlange Lampropeltis. Auch beim Gila-Krustenechse (Heloderma suspectum), einem echsenartigen Reptil, das ebenfalls ganze Beutetiere verschlingt, fanden sich vergleichbare Strukturen.
Ob diese Strategie jedoch auch bei anderen tierischen „Ganzfressern“ wie Delfinen, fischfressenden Vögeln oder Geiern zum Einsatz kommt, ist noch unklar. Die Forscher plädieren daher für weiterführende Studien, um die evolutionäre Verbreitung dieser Fähigkeit zu erforschen.
Wo leben Tigerpythons?
Der natürliche Lebensraum des Dunklen Tigerpythons erstreckt sich über weite Teile Südostasiens – von Nordost-Indien, Nepal und Bangladesch über Burma, Thailand, Vietnam bis nach Südchina und Indonesien. Die Tiere bevorzugen feuchte, bewaldete Regionen in Gewässernähe, sind aber auch in landwirtschaftlichen Gebieten und in menschlichen Siedlungsrändern anzutreffen.
Besonders brisant ist jedoch die Etablierung einer invasiven Population in den Everglades in Florida (USA). Seit ihrer illegalen Auswilderung durch Haustierhalter in den 1970er Jahren haben sich die Schlangen dort rasant verbreitet – mit dramatischen Folgen für das lokale Ökosystem. Viele einheimische Säugetierarten wurden dezimiert oder ganz verdrängt.2 3
Sind Tigerpythons gefährlich für Menschen?
Trotz ihrer imposanten Größe und Stärke sind wildlebende Tigerpythons für den Menschen in der Regel ungefährlich. Die Tiere sind scheu, meiden den Kontakt und greifen nur an, wenn sie sich massiv bedroht fühlen. In ihrer asiatischen Heimat gibt es keine belegten Fälle, in denen Menschen von freilebenden Pythons getötet wurden – und auch in Florida sind Angriffe äußerst selten.
Die größere Gefahr geht in Wahrheit vom Menschen selbst aus – wenn Tigerpythons als Haustiere gehalten und dann leichtsinnig oder fahrlässig behandelt werden. In solchen Fällen kam es in den USA bereits zu tödlichen Zwischenfällen. Für die Natur sind die Schlangen dort hingegen eine ernsthafte Bedrohung – nicht wegen ihrer Aggressivität, sondern wegen ihres überragenden Jagderfolgs.4

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Fazit:
Der Dunkle Tigerpython ist nicht nur ein biologisches Wunderwerk im Hinblick auf Muskelkraft und Verdauungsleistung – er ist auch ein Paradebeispiel dafür, wie viel wir noch über das Innenleben selbst altbekannter Tierarten lernen können. Die neuen Erkenntnisse über ihre Knochenverdauung zeigen einmal mehr: Die Natur ist oft viel ausgeklügelter, als wir je vermuten würden.