
22. April 2025, 16:24 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Berichte von Wildtieren, die sich nach dem Verzehr von vergorenen Früchten „betrunken“ verhalten haben, sind nichts Neues. Allerdings wurde bisher davon ausgegangen, dass der Verzehr von Alkohol bei Tieren selten und zufällig ist. Laut Wissenschaftlern gibt es aber nun Hinweise, die darauf hindeuten, dass nicht nur der Mensch gelegentlich gerne zu alkoholhaltigen Dingen greift …
Wer hätte gedacht, dass auch Tiere gezielt Alkohol konsumieren? Das nehmen jedenfalls Wissenschaftler an. Denn Ethanol – so wird Alkohol chemisch korrekt bezeichnet – kommt in fast jedem Ökosystem natürlich vor. Daher wird er sehr wahrscheinlich regelmäßig von frucht- und nektarfressenden Tieren aufgenommen. Im westafrikanischen Guinea-Bissau wurden nun Schimpansen dabei beobachtet, wie sie in Gruppen alkoholhaltige Früchte aßen.
Schimpansen konsumieren in Gruppen Alkohol
So konnten Forschende der Universität Exeter mehrfach Schimpansen im Cantanhez-Nationalpark dabei beobachten, wie sie vergorene Früchte des Afrikanischen Brotfruchtbaums (Treculia africana) konsumierten. Dabei konnte in den bis zu 30 Kilogramm schweren Früchten ein Alkoholgehalt von bis zu 0,61 Prozent nachgewiesen werden.1
Mithilfe von Kamerafallen wurden insgesamt 70 Ereignisse aufgezeichnet, bei denen Schimpansen die Früchte aßen. In 9 von 10 Fällen, in denen sich die Menschenaffen diese Nahrung teilten, enthielten die Früchte Alkohol. Wie die Gruppe im Fachjournal „Current Biology“ schreibt, liefern ihre Daten „den ersten Beleg für das Teilen von alkoholhaltiger Nahrung durch Menschenaffen.“ Zwar könne man nicht mit einhundert prozentiger Sicherheit sagen, ob die Tiere den Alkohol wirklich gezielt konsumieren und ob dieser wie bei uns Menschen einen Rauschzustand verursacht.
Ist die Beobachtung eine urtümliche Variante des Feierns?
Dennoch unterstütze die Beobachtung die Vermutung, dass der Gebrauch von Alkohol durch den Menschen tief in der Geschichte der Evolution verwurzelt ist. Demnach könnte dieses Verhalten eine Art des urtümlichen Feierns oder Trinkgelage darstellen. „Wir wissen, dass das Trinken von Alkohol bei Menschen zur Ausschüttung von Dopamin und Endorphinen führt, was Gefühle von Glück und Entspannung verursacht“, erklärt Erstautorin Bowland.
„Wir wissen zudem, dass das Teilen von Alkohol – auch im Rahmen von Traditionen wie etwa Feiern – zur Bildung und Stärkung sozialer Verbindungen beiträgt.“ Vor dem Hintergrund, dass bei den „Trinkgelagen“ Schimpansen beider Geschlechter und verschiedener Altersgruppen beteiligt waren, scheint diese Vorstellung durchaus plausibel.2 Sämtliche Antworten zu den Fragen rund um das Wie und des Warum müssen nun noch erforscht werden.
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Überreife Früchte können überraschend hohen Alkoholgehalt enthalten
Doch es gibt bereits erste Studien, die sich mit dem Alkoholkonsum in der Tierwelt beschäftigen. „Wir bewegen uns weg von der anthropozentrischen Sichtweise, dass Ethanol nur etwas ist, das der Mensch verwendet“, erklärt Verhaltensökologin Kimberley Hockings von der Universität Exeter. „Es kommt in der Natur viel häufiger vor, als wir bisher dachten, und die meisten Tiere, die zuckerhaltige Früchte fressen, kommen in gewissem Umfang mit Ethanol in Berührung.“
Zwar erreichen natürlich vergorene Früchte nur ein bis zwei Volumenprozent Alkohol und sind somit nicht besonders stark, doch gewisse Früchte können tatsächlich beim Gären einen verhältnismäßig hohen Alkoholgehalt entwickeln. So konnte in Panama bei überreifen Palmfrüchten eine Konzentration von bis zu 10,2 Prozent nachgewiesen werden. Das entspricht vom Alkoholgehalt her etwa Starkbier oder Portwein, um sich das mal bildlich vorzustellen.
„Aus ökologischer Sicht ist es nicht vorteilhaft, betrunken zu sein, wenn man in den Bäumen herumklettert“
Und auch wenn viele Tiere bereits Gene besessen haben, die einen Abbau von Ethanol erlaubten, bevor Hefen diesen Stoff zu produzieren begannen, so gibt es Hinweise darauf, dass diese Eigenschaft evolutionär verfeinert wurde. Beispielsweise bei Säugetieren und Vögeln, die Früchte und Nektar verzehren. Die Eigenschaft, Alkohol besser vertragen zu können, stellt nämlich keine lebenswichtige Notwendigkeit dar, erklärt Molekularökologe und Hauptautor Matthew Carrigan vom College of Central Florida.
„Aus ökologischer Sicht ist es nicht vorteilhaft, betrunken zu sein, wenn man in den Bäumen herumklettert oder nachts von Raubtieren umgeben ist – das ist ein Rezept dafür, dass die Gene nicht weitergegeben werden.“ Daher habe es hier offensichtlich eine evolutionäre Weiterentwicklung gegeben. Allerdings zeigten die Tiere dabei eine andere Motivation für Alkoholkonsum als Menschen. Denn während sich Menschen mit Alkohol berauschen, aber nicht wirklich die Kalorien wollen, würden Tiere die Kalorien vorziehen, aber nicht den Rausch, ordnet Carrigan ein.
Es gibt noch viele offene Fragen
Allerdings muss die wohl wichtigste Frage, die sich jetzt viele stellen, noch weiter erforscht werden. Es konnte nämlich nicht abschließend geklärt werden, ob Wildtiere gezielt überreife Früchte fressen oder nicht. Die Forscher nehmen aber an, dass der Ethanolkonsum für Wildtiere durchaus auch Vorteile haben kann. Zum einen als Kalorienquelle, zum anderen könnte er auch medizinische Vorteile besitzen oder die Tiere entspannen. 3
„Auf kognitiver Ebene wird angenommen, dass Ethanol das Endorphin- und Dopaminsystem stimuliert, was zu einem Gefühl der Entspannung führt. Das wiederum könne sich positiv auf das Sozialverhalten auswirken“, so Anna Bowlands Erklärung. Sie ist Verhaltensökologin und Erstautorin der Studie.

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Schimpansen trinken Literweise starken Alkohol
In einigen Fällen gibt es aber sogar Hinweise auf regelrechtes Rauschtrinken. Das legt jedenfalls eine Studie näher, an der ein internationales Forschungsteam gearbeitet hat.4 Demnach trinken wilde Schimpansen dort gerne alkoholische Getränke. Und das wohl sogar literweise! So konnten die Wissenschaftler beobachten, wie die Tiere bis zu drei Liter vergorenen Palmsaft mit einem Alkoholgehalt von bis zu 6,9 Prozent tranken. Und nicht nur das: wie die Forschenden berichten, sollen die Affen sogar Blätter als Löffelersatz genutzt haben.
Im Anschluss sollen die Schimpansen Zeichen eines Rauschs gezeigt oder sich schlafen gelegt haben. Das berichten die Forschenden im Fachjournal „Royal Society Open Science“. Welche sozialen Auswirkungen der Ethanolkonsum bei Primaten hat und welche Enzyme beim Alkoholstoffwechsel beteiligt sind, soll nun genauer untersucht werden.5