Direkt zum Inhalt wechseln
logo Das Magazin für alle Tierbesitzer und -liebhaber
Studie zeigt

Warum bei Kalmaren der Geburtsmonat über ihr gesamtes Leben entscheidet

Ein Speer-Kalmar in japanischen Gewässern
Beim japanischen Speer-Kalmar ist sein ganzes Leben durch seinen Geburtsmonat vorprogrammiert Foto: Getty Images / feathercollector
Louisa Stoeffler
Redakteurin

26.04.2024, 16:06 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Sein Leben nach seinem Geburtsmonat und somit dem Stern, unter dem man geboren wurde, auszurichten, wird häufig ins Reich der Esoterik verbannt. Allerdings tut auch der japanische Speer-Kalmar genau das, wie eine Studie zeigen konnte.

Artikel teilen

Von Horoskopen mag man halten, was man will. Manche schwören darauf, Dinge über ihr Sternzeichen zu lesen, andere halten dies für Humbug. Doch bei einem bestimmten Kalmar in den Gewässern um Japan hat der Monat, in dem er auf die Welt kam, völlig reale und keine esoterischen Folgen, wie eine Studie aufzeigen konnte.

Bestimmter Geburtsmonat macht Kalmare zu „Begleitern“ oder „Schleichern“

Meeresbiologe Shota Hosono von der Universität Tokio und seine Kollegen haben sich das Balz- und Sexualverhalten von Heterololigo bleekeri, dem japanischen Speer-Kalmar, genauer angeschaut. Dieser spezielle Tintenfisch kommt vor allem in den Gewässern rund um den Inselstaat vor und ist noch nicht gut erforscht. Insgesamt analysierte das Team über 269 japanische Speer-Kalmare. Dabei fielen ihnen besonders bei den 201 untersuchten Männchen extreme Größenunterschiede und unterschiedliches Verhalten auf.

Sie ordneten diese in die Kategorien „Begleiter“ (Consort), „Schleicher“ (Sneaker) oder als noch nicht geschlechtsreif ein. Diese Begriffe werden klarer, wenn man sich die Geburtsmonate der Kalmare einmal näher anschaut. Denn die im April bis Juni geborenen Tiere waren wesentlich größer und lebten mit Weibchen zusammen. Sie waren also Begleiter, die untereinander auch kämpfen, um sicherzustellen, dass sich kein anderer mit ihrer Auserwählten paarte.

Die später geborenen Speer-Kalmare waren dagegen Schleicher, die eine andere Taktik verfolgen. Denn für diese muss es nicht bedeuten, dass sie zu spät kommen, um sich noch paaren zu können. „In der Regel konkurrieren große Männchen mit Rivalen um die Paarung, während kleine Männchen den großen die Befruchtungsmöglichkeiten stehlen“, heißt es in der Studie. Die Schleicher nähern sich den Weibchen verstohlen und deponieren ihr Sperma dort, wo diese ihre Eier ablegen. So haben auch sie eine reelle Chance, sich fortzupflanzen. Denn weibliche Kalmare speichern während der gesamten Brutzeit Spermien – sowohl von den Begleitern als auch von denen der Schleicher.

Speer-Kalmare müssen sich ihre Zeit gut einteilen

Anscheinend verwenden die weiblichen Kalmare eine Mischung von Spermien aus beiden Quellen, um ihre Eier während des Laichens zu befruchten, heißt es in der Studie. So kommen auch Männchen zum Zug, die die nächste Paarungszeit vielleicht gar nicht erleben würden.

Der japanische Speer-Kalmar muss sich seine Lebenszeit gut einteilen. In der Regel lebt er nicht länger als ein Jahr. Somit ist wohl auch klar, weshalb die bereits im April bis Juni geborenen Exemplare gegenüber den späteren einen klaren Vorteil haben. Sie haben längere Zeit zu wachsen und sich zu entwickeln. So werden die Tiere im Durchschnitt um ein Vielfaches größer als die später zur Welt gekommenen Kalmare.

„Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass das Schlupfdatum bei dieser Art den gesamten Lebensverlauf bestimmt“, so Studienautor Yoko Iwata in einer Pressemitteilung. „Der unterschiedliche Schlupftermin bedeutet, dass die Tintenfische in ihrem frühen Leben unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt sind, was sich auf den Wachstumsverlauf auswirken kann.“

Auch interessant: Calamari, Tintenfisch, Oktopus? Das sind die Unterschiede

Relative Age Effect und seine Bedeutung im Tierreich

Diesem Phänomen zugrunde liegt der Relative Age Effect, den man ungefähr mit dem „relativen Alterseffekt“ übersetzen könnte. Dieser findet häufig im Jugendfußball und anderen Leistungssportarten Anwendung. Denn dort haben früher im Jahr geborene Kinder oft einen Vorteil gegenüber den später geborenen.

Diese haben gerade in den frühkindlichen Entwicklungsjahren häufig kognitive und körperliche Vorteile gegenüber den beispielsweise von Oktober bis Dezember des Jahres geborenen Kindern. Entsprechend erhalten sie häufig auch mehr Aufmerksamkeit im Training und mehr Förderung ihrer Talente.

Ganz ähnlich funktioniert dies anscheinend auch bei den japanischen Speer-Tintenfischen. Der Geburtsmonat der Kalmare definiert für ihr gesamtes Leben ihr reproduktives Verhalten. Zuvor war dieses in der Biologie auch Geburtshypothese genannte Phänomen nur bei einigen Knochenfischen beobachtet worden.

Mehr zum Thema

Monats-Horoskop der Kalmare muss noch weiter untersucht werden

Ob nun wirklich der Monat, in dem bestimmte japanische Speer-Kalmare geboren wurden, unmittelbar im Zusammenhang mit ihrer Entwicklung steht, wollen die Forscher nun weiter untersuchen. Denn auch wenn ein extremes Umweltereignis wie eine Hitzewelle während der Schlüpfzeit eintrete, könne dies die reife Körpergröße des Tintenfisches und seine anschließende Paarungstaktik beeinflussen.

Das Team möchte als Nächstes eine Struktur im Inneren des Tintenfisches untersuchen, den sogenannten Statolithen. Dabei handelt es sich um Ablagerungen, die an Getreidekörner erinnern. Sie dienen bei Fischen unter anderem dem Hör- und Gleichgewichtssinn. Außerdem wachsen sie täglich und wurden bereits in der aktuellen Studie verwendet, um das Alter eines Tintenfisches zu schätzen, indem die Anzahl der Schichten gezählt wurde. Ähnlich wie bei der Datierung von Jahresringen eines Baums.

Zusätzlich könnten die im Statolithen enthaltenen Mikroelemente dazu verwendet werden, die Meeresbedingungen abzuschätzen, denen der Tintenfisch zu der Zeit in seiner Entwicklung ausgesetzt war. So kann beispielsweise das Element Strontium zur Abschätzung der Wassertemperatur verwendet werden. Dadurch können die Forscher untersuchen, ob dies auch einen Einfluss auf ihrer Paarungstaktik haben könnte. 1

Themen Meerestiere

Quellen

  1. S. Hosono, Y. Masuda, S. Tokioka, T. Kawamura, and Y. Iwata, Squid male alternative reproductive tactics are determined by birth date. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, vol. 291, no. 2021. Apr. 2024. ↩︎
Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale-Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.