
15. Juli 2025, 13:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ein neun Wochen alter Liger namens Goliath sorgt derzeit für Aufsehen. Das ungewöhnliche Raubkatzenbaby wurde Mitte Mai in einem Privatzoo im rumänischen Zaharesti geboren. PETBOOK-Redakteurin und Biologin Saskia Schneider erklärt, warum die Zucht von Ligern eigentlich verboten werden sollte.
Was ist ein Liger?
Ein Liger ist ein Hybridtier, das aus der Kreuzung eines männlichen Löwen (Panthera leo) mit einer weiblichen Tigerin (Panthera tigris) hervorgeht. Diese Tiere vereinen äußerliche Merkmale beider Elternarten: Sie haben meist ein sandfarbenes Fell mit schwachen Tigerstreifen und können vereinzelt eine Mähne entwickeln. Mit Körperlängen von über 3,5 Metern und Gewichten von bis zu 400 Kilogramm gelten Liger als die größten Raubkatzen der Welt – allerdings existieren sie ausschließlich in Gefangenschaft.
Der Zoodirektor Dorin Soimaru hatte diese Paarung bewusst herbeigeführt, um einen Publikumsmagneten zu schaffen, wie unter anderem der „Stern“ berichtete. Die Idee: Liger seien in Zoos weltweit beliebt. Tatsächlich wiegt Goliath bereits mehr als andere Jungtiere seines Alters und soll später einmal rund 400 Kilogramm schwer werden. Doch hinter der Faszination für diese gigantischen Hybride verbirgt sich eine ethisch und biologisch hochproblematische Praxis.
Würde ein Liger in der Natur entstehen?
Die Antwort ist klar: Nein, eine natürliche Entstehung ist nahezu ausgeschlossen. Löwen leben hauptsächlich in Afrika, Tiger ausschließlich in Asien. Selbst in den wenigen Regionen Indiens, in denen sich ihre Lebensräume überschneiden, verhindert das unterschiedliche Sozialverhalten eine Paarung. Während Löwen in Rudeln leben, sind Tiger Einzelgänger. Nur in Gefangenschaft, in der beide Arten gemeinsam gehalten werden, ist eine Paarung überhaupt möglich. Sie findet entweder durch gezielte Zucht von Ligern statt, oder durch fehlende Paarungskontrollen.
Warum die Zucht von Ligern problematisch ist
1. Gesundheitliche Risiken und Leiden
Liger werden häufig per Kaiserschnitt geboren, da ihre enorme Größe schon im Mutterleib zu Komplikationen führt. Viele Tiere sterben kurz nach der Geburt oder leiden ihr Leben lang unter gesundheitlichen Problemen wie Nierenversagen, Herzfehlern, neurologischen Störungen, Übergewicht und Gelenkproblemen.1
2. Unfruchtbarkeit und fehlender Artenschutzwert
Männliche Liger sind in der Regel unfruchtbar. Auch wenn weibliche Liger gelegentlich Nachwuchs mit Löwen oder Tigern zeugen können, entstehen daraus weitere Hybride wie Li-Liger. Auch wenn diese Zuchtprogramme gern unter dem Deckmantel des Artenschutzes veranstaltet werden, haben die Hybridtiere keinerlei Artenschutzrelevanz. Die Zucht der Liger trägt weder zum Erhalt bedrohter Arten noch zur genetischen Vielfalt bei. Ganz im Gegenteil: Sie kann zur Verwirrung beim Publikum führen und den artgerechten Umgang mit echten Arten in Schutzprogrammen erschweren.
3. Ungeeignetes Verhalten und Stress
Hybride wie der Liger vereinen unterschiedliche Verhaltensweisen beider Elternarten – mit negativen Folgen. Während Tiger Einzelgänger sind, bevorzugen Löwen soziale Strukturen. Liger zeigen dadurch oft inkonsistentes Sozialverhalten, was zu Stress, psychischen Störungen und Schwierigkeiten in der Haltung führen kann. Das betrifft auch die Interaktion mit Muttertieren, die mit dem Verhalten der Hybride überfordert sein können.
4. Kommerz statt Tierschutz
Wie im Fall von Goliath zeigt sich: Die Zucht von Ligern dient vorrangig kommerziellen Zwecken. Sie werden gezielt als exotische Attraktionen vermarktet, ohne Rücksicht auf ihr Wohlergehen oder den ökologischen Nutzen. Weltweit lehnen Tierschutzorganisationen und auch große Zooverbände wie EAZA und AZA die gezielte Hybridzucht deswegen ab.2

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Fazit: Zucht von Ligern geht auf Kosten des Tierwohls
Liger wie Goliath mögen faszinierende Erscheinungen sein, doch ihr Dasein basiert auf menschlicher Manipulation, nicht auf natürlicher Evolution. Sie sind das Resultat einer fragwürdigen Zuchtpraxis, die weder dem Tierschutz noch dem Artenschutz dient. Ihre Haltung erfordert enormen Aufwand und birgt hohe Risiken – für das Tier selbst wie auch für artgerechte zoologische Arbeit.
Die gezielte Zucht von Hybriden wie dem Liger ist ein Beispiel dafür, wie Profitinteressen das Wohl von Tieren gefährden können. Anstatt diese Tiere zu bewundern, sollten wir uns fragen: Dürfen wir Tiere allein zur Unterhaltung und Sensation züchten – selbst wenn sie dafür leiden?

Zur Autorin
Dr. Saskia Schneider ist promovierte Biologin. In ihrem Studium an der Freien Universität Berlin widmete sie sich vor allem der Zoologie und dem Verhalten von Tieren.