
16. Mai 2025, 11:11 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Er sieht aus wie eine Mischung aus Murmeltier, Capybara und Kuscheltier. Und wenn er den Mund aufmacht, klingt es, als würde jemand in der Warteschlange beim Amt lautstark nach seiner Mutter rufen. Der Hyrax, auch Klippschliefer genannt, ist gerade dabei, sich vom zoologischen Underdog zum viralen Social-Media-Liebling zu mausern – mit einem Schrei, den man nicht mehr aus dem Kopf bekommt.
Seit einigen Monaten gibt es in den sozialen Medien kaum noch jemanden, der an dem schimpfenden Geräusch des Hyrax – auf Deutsch auch Klippschliefer – vorbeikommt. Alles begann mit einem Video, indem ein kleines Tier in seinem Bau gefilmt wurde – und dabei schimpfte wie ein Rohrspatz. Egal, ob man „Wawa“ oder „Mama“ auf der Aufnahme hören mag – wer den Schrei des Hyrax und die prompt entstanden Memes über das grummelige Tier gesehen hat, kann sich seinem besonderen Charme nicht entziehen.
Vom Felsen zum Feed – was ist eigentlich ein Klippschliefer?
Er sieht aus wie ein übergewichtiges Meerschweinchen auf Safari. Seine Zähne erinnern an Elefanten-Stoßzähne im Miniformat. Und wenn er den Mund aufmacht, klingt es, als würde jemand eine quietschende Tür durch ein Megafon jagen. Dürfen wir vorstellen? Der Hyrax. Auch bekannt als Klipp- oder Baumschliefer. Und neuerdings auch TikTok- und Instagram-Star.
Wir haben schon einige tierische Internet-Stars gesehen: Grumpy Cat, tanzende Kakapos, oder Möwen mit dramatischem Zoom. Aber der Hyrax bringt eine neue, fast schon antiästhetische Note ins Spiel: niedliche Optik trifft auf akustischen Wahnsinn. Und vielleicht ist es genau das, was ihn für viele so nachvollziehbar macht – ein bisschen wie wir alle an einem Montagmorgen, wenn die Kaffeemaschine gerade den Geist aufgegeben hat. Hören Sie im Video gern einmal selbst, wie er klingt:
„MAMAAA!“ – der Ruf, der alles veränderte
Der virale „Mama“-Schrei ist vermutlich ein sogenannter Alarmruf – von jungen Hyrax genutzt, um andere Gruppenmitglieder vor Beutegreifern und Eindringlingen zu warnen. Oder, ganz ehrlich: Vielleicht hatte er einfach wirklich Hunger und keine Lust mehr darauf, gefilmt zu werden.
Seit dem Upload des ersten Materials vom liebevoll auch „Wawa“ genannten Tier finden sich immer mehr Memes und humorvolle Videos, in denen ein Kilppschliefer die Hauptrolle spielt. Unter den Hashtags „Wawa“ und „Hyrax“ finden sich etliche Videos mit Titeln wie: „Wenn Mama ins Zimmer kommt und die Tür nicht wieder zu macht“ oder „Wenn du in der Schlange im Supermarkt als Nächstes dran bist, dein Mann aber das Geld hat und spontan noch Bier holen will“.
Was auf Social Media zum Running Gag wird, ist für Verhaltensforscher seit Jahren ein spannendes Studienfeld. Klippschliefer gehören zu den wenigen nicht-primatenartigen Tieren, die vokale Syntax nutzen – also Lautfolgen mit wiedererkennbaren Mustern und Bedeutungen. Manche Männchen nutzen bis zu 21 verschiedene Lauttypen in einer einzigen Rufsequenz. Einige wurden sogar dabei beobachtet, wie sie zu singen begannen, wenn sie schreienden Nachwuchs hörten. 1
Hyrax ist nicht mit Nagetieren, sondern Elefanten verwandt
Doch auch abgesehen von einem scheinbar mürrischem Schrei ist der Hyrax faszinierend. Wie eingangs erwähnt, ist er tatsächlich am nächsten mit Elefanten und auch mit Seekühen verwandt. Sie teilen sich einen Vorfahren, der etwa vor 50 Millionen Jahren lebte. Daher ist er – auch wenn sein Aussehen drauf schließen lässt – auch kein Nagetier.
Vom Hyrax gibt es außerdem mehrere Arten, darunter den Klippschliefer (Procavia capensis) sowie seinen nahen Verwandten den Gelbgepunkteten Klippschliefer (Heterohyrax brucei), die vor allem in steinigen, sandigen Gebieten Afrikas leben. Die Baumschliefer haben sich dagegen eher an ein Leben in bewaldeten Gebieten angepasst. Von ihnen gibt es vier verschiedene: den Südlichen, Östlichen, Westlichen sowie der Benin-Dendrohyrax.
Alle besitzen gemeinsame anatomische Merkmale wie kleine Stoßzähne (die oberen Schneidezähne), Fußsohlen mit Drüsen, die für besseren Halt auf Felsen oder Rinde sorgen, und ein ähnliches Verdauungssystem, das auf Pflanzenkost ausgelegt ist – die großen Zähne nutzen sie zum Graben, statt zum Jagen. Hyraxe sind jedoch im Gegensatz zu ihrem Rüssel-bewehrten Cousins mit maximal 60 cm Körperlänge und vier Kilogramm Lebendgewicht deutlich handlicher.
Auch ihre Thermoregulation ist kurios: Hyraxe können ihre Körpertemperatur nicht gut konstant halten. Sie sind wechselwarmer als man für ein Säugetier erwarten würde. Deshalb sieht man sie häufig beim Sonnenbaden auf Felsen – quasi als pelzige Photovoltaikanlagen.

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Warum wir den Hyrax so lieben
Der Hyrax mag ein evolutionäres Kuriosum sein – aber er zeigt uns, dass man nicht schön oder exotisch sein muss, um viral zu gehen. Man muss nur klingen, als hätte man gerade etwas Essig in seinen Kaffee bekommen.
In einer Welt voller perfekt gestylter Insta-Katzen und edler Hundefilter wirkt der Hyrax wie ein Gegenentwurf: Unförmig, laut, ein bisschen überfordert – und genau deshalb so verdammt sympathisch.
Baum- und Klippschliefer sind also Paradebeispiele dafür, wie sehr uns Tiere faszinieren können – gerade dann, wenn sie sich nicht an unsere Erwartungen halten. Was aussieht wie ein fauchendes Plüschtier mit Midlife-Crisis, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als sozial intelligentes, stimmlich begabtes und evolutionär spannendes Wesen. Und ja – auch als virales Goldstück.