
17. Juni 2025, 15:48 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Haie atmen nicht durch ihre Nase – doch diese scheinbar nutzlosen Öffnungen sind alles andere als überflüssig. Hinter den Schlitzen verbirgt sich ein erstaunlich feines Riechsystem, das diesen Raubfischen hilft, ihre Beute auch in großer Entfernung aufzuspüren. Ein Geruchssinn mit Superkraft.
Erinnern Sie sich an die Szene aus dem Disney-Pixar-Animationsfilm „Findet Nemo“ in der der Weiße Hai Bruce einen einzelnen Tropfen von Doktorfisch Doris Blut in sein Nasenloch sog? Der Spitzenprädator hatte eigentlich das hehre Ziel, sich nur noch vegetarisch zu ernähren. Kurz darauf gingen jedoch die Instinkte mit dem Gründer der Selbsthilfegruppe „Fische sind Freunde, kein Futter“ durch und er versuchte, Marlin und Dori zu verspeisen. Aber warum haben Raubfische wie Haie eigentlich Nasenlöcher, obwohl sie doch keine Lunge haben? Und sind sie nicht auch dafür bekannt, eine Blutspur in über einem Kilometer Entfernung riechen zu können? PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler erklärt, wie das zusammenhängt und warum es tatsächlich funktioniert.
Warum die Nasenlöcher bei Haien anders funktionieren
Wie bei den meisten Fischen läuft auch bei Haien die Atmung über die Kiemen ab. Damit filtern sie Sauerstoff aus dem Wasser, der dann in ihren Blutkreislauf gelangt und ihre Organe mit dem wichtigen Stoff versorgt und den Stoffwechsel in Gang hält.
Die Nasenöffnung dagegen – auch Naris oder Riechgrube genannt – ist ein spezielles Organ von Knorpel- und Knochenfischen. Dabei handelt es sich um die Naris und die dahinterliegenden Nasenhöhlen. Eine Verbindung zum Mund- und Rachenraum existiert nicht. Zur Atmung dienen diese daher auch nicht. Stattdessen befindet sich dort ein einzigartiges Riechorgan, das vor allem chemische Sinneseindrücke verarbeitet.
Innerhalb der Naris befindet sich ein mehrschichtiges Riechorgan namens Rosette. Dieses erkennt Geruchspartikel im Wasser und ist in Struktur und Komplexität je nach Hai-, Rochen- oder Seekatzenart unterschiedlich ausgeprägt. Gemeinsam zählen diese Tiere zur Gruppe der sogenannten Elasmobranchier.
Riechen statt atmen – das Geheimnis der Hainase
Das Wasser strömt entweder passiv in die Naris ein, während der Hai schwimmt, oder wird bei manchen Arten durch winzige, zilienartige Härchen aktiv hineingeleitet. Dadurch gelangt es direkt zur Rosette, wo die Geruchsanalyse beginnt – ganz ohne aktives Schnüffeln, wie es Landtiere gewohnt sind. Die Darstellung, wie der Weiße Hai Bruce also das Blut von Dori quasi aufsaugt, ist leider nicht wirklich naturgetreu.
Ein besonderes Merkmal des Hai-Geruchssinns ist aber seine Richtungsfähigkeit. Wird ein Geruch auf der linken Seite stärker wahrgenommen, kann der Hai gezielt in diese Richtung schwimmen. Gerüche verhalten sich im Wasser jedoch anders als in der Luft – sie lösen sich auf, bewegen sich auf verschiedenen Ebenen und werden durch Strömungen verteilt.
Dies wurde auch 2010 in einer Untersuchung festgestellt. Ein Forschungsteam um Jayne M. Gardiner (University of South Florida und Mote Marine Laboratory) und Jelle Atema (Boston University Marine Program und Woods Hole Oceanographic Institution) zeigt in einer experimentellen Studie, dass kleine Haie ihre Bewegungsrichtung nicht durch die Stärke eines Geruchsreizes, sondern durch minimale Zeitunterschiede in der Ankunft des Geruchs an ihren beiden Nasenöffnungen bestimmen.
Dafür nutzen Haie Strömungen, welche die olfaktorischen Reize zu ihrer Nase geleitet haben, und schwimmen dann in die Richtung, in der sie den chemischen Duft – in der Studie auch Duft-Filament oder Geruchsplumes genannt – zuerst wahrgenommen haben. So gelingt es Haien, binnen Sekunden eine Geruchsspur wahrzunehmen und ihr über den entsprechenden Meeresstrom zu folgen. Dieses hocheffiziente Riechsystem verschafft ihnen im Meer einen evolutionären Vorteil. 1

Riechen Haie wirklich einen Tropfen Blut über Kilometer?

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Die Erkenntnis, dass Haie minimale Zeitdifferenzen zwischen den Nasenöffnungen zur Richtungsbestimmung nutzen, stellt ein zuvor unbekanntes Modell olfaktorischer Navigation dar. Das „Stereo-Riechen“ erlaubt es den Tieren, sich präzise in komplexen Duftlandschaften zu orientieren, wie sie in natürlichen Gewässern vorkommen.
Diese Fähigkeit scheint evolutionär bedeutsam: Je weiter die Nasenöffnungen auseinanderliegen, desto feinere Winkel können bei höherer Schwimmgeschwindigkeit aufgelöst werden. Das könnte auch die auffällige Kopfform der Hammerhaie erklären, deren weit auseinanderliegende Nasen ihnen überlegene Zeitauflösung bei der Geruchsortung ermöglichen könnten.
Und was ist, wenn Haie menschliches Blut im Wasser riechen? Was dann passiert, hat Dr. Iris Ziegler von der internationalen Hai- und Artenschutzorganisation „Sharkproject“ PETBOOK in diesem Artikel erklärt: 11 Hai-Mythen im Check – riechen sie wirklich einen Tropfen Blut über Kilometer?
Anstatt nämlich wie Bruce aus „Findet Nemo“ zu reagieren: „Lecker! Nur einmal beißen“ geht die Expertin eher von einem anderen Fall aus. Fischblut bedeute für den Hai tatsächlich: „Lecker, ich komme.“ Wohingegen Menschenblut bei den Tieren folgende Reaktion auslöse: „Kenne ich nicht, schmeckt wahrscheinlich nicht.“