
7. Mai 2025, 13:42 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Was haben eine Perserkatze und ein Mops gemeinsam? Mehr als man denkt. Neue Forschung zeigt: Jahrmillionen evolutionärer Trennung sind durch menschliche Zuchtvorlieben binnen weniger Jahrzehnte teilweise aufgehoben worden – mit weitreichenden gesundheitlichen Konsequenzen für Hunde und Katzen. PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler sprach mit einem der Studienautoren und fasst die spannenden Ergebnisse zusammen.
Hunde und Katze sind die wohl am meisten gehaltenen – aber auch durch den Menschen veränderten – Haustiere. Bei Katzen führen Zuchtverbände über 40, bei Hunden sogar über 350 verschiedene Rassen. Allerdings scheinen die Unterschiede zwischen beiden Tieren uns wohl doch relativ egal zu sein, weshalb Hunde und Katzen sich immer mehr angleichen – mit drastisch negativen Folgen für die Tiere.
Wenn Hund und Katze sich angleichen
Im August 2024 habe ich hier bei PETBOOK eine Katzenrasse vorgestellt, die gerade in Großbritannien verstärkt gezüchtet wird: Die Dwelf-Katze, manchmal auch Bully-Katze genannt. Diese experimentelle Qualzuchtrasse mit schweren Deformierungen erlebt auf den britischen Inseln solch einen Hype, das ein Zusammenschluss von Veterinären und Tierschützern namens „The Cat Group“ eindrücklich davor warnte.
„Wir bitten die Öffentlichkeit, diese Katzen unter keinen Umständen zu kaufen; dies ist unverantwortlich, da es die Popularität fördert und dazu führt, dass noch mehr Katzen mit diesen Problemen geboren werden und leiden“ schrieb die beteiligte British Veterniary Nursing Association dazu auf ihrer Website.
Der Grund für diesen Negativtrend zur Bully-Katze? Natürlich das Verbot des Bully-Hundes! Denn zunächst wurde der American Bully – in der Variante XL – nur in England verboten, später auch in Schottland. Tiere wurden massenhaft in Tierheime gebracht, teils auch eingeschläfert. Da nun der große Hund mit dem „Macho-Image“ nicht mehr gehalten werden durfte, musste als Nächstes die Katze ran, um dem Bild des Kraftprotzes so gut wie möglich zu entsprechen. Auf Kosten ihrer Gesundheit wurden Katzen einfach der Optik der Hunde angepasst.
Erzwungene Konvergenz durch Zucht
Dass es sich bei diesem Phänomen nicht um einen Einzelfall handelt, belegt nun auch eine Studie. Evolutionsbiologin Dr. Abby Grace Drake und ihre Kollegen zeigen: Durch Domestikation nähern sich Hunde- und Katzenrassen anatomisch einander an – insbesondere bei der Schädelform. Das zeigt sich am besten bei den brachycephalen also kurzköpfigen Rassen Mops und Perserkatze.
Auf den ersten Blick scheinen eine Perserkatze und ein Mops erstmal wenig Gemeinsamkeiten zu besitzen: Sind sie doch zwei völlig unterschiedliche Arten, durch rund 50 Millionen Jahre Evolution getrennt. Doch genau hier setzt die Forschung an. Drake und ihr Team analysierten 1810 Schädel von Hauskatzen, Hunden und ihren wilden Verwandten. Das überraschende Ergebnis: Zahlreiche Hausrassen beider Arten ähneln sich in der Schädelform auffallend stark.
In der Evolutionsbiologie spricht man auch von einer Konvergenz, wenn sich völlig unterschiedliche Arten doch ähnlich entwickelt haben. Ein Beispiel dafür ist die Ausprägung von Flügeln bei so unterschiedlichen Tiergruppen wie Vögeln, Insekten und Fledermäusen.
Ein noch besseres Beispiel sind Stachelschweine. Diese haben sich auf dem amerikanischen Doppelkontinent und in Afrika entwickelt – sind aber nur sehr entfernt miteinander verwandt. Durch den Selektionsdruck ihrer Umgebung (Verteidigung gegen Fressfeinde) haben sie mit komplett unterschiedlicher Genetik beide eine stachelige Körperbedeckung entwickelt.
Extremformen in der Haustierzucht
Bei Hunden und Katzen ist diese Entwicklung allerdings kein Ergebnis der natürlichen Selektion, sondern der gezielten Auslese durch den Menschen. Eine erzwungene – und denkbar weit entfernt von gelungener Anpassung entfernte – Konvergenz. Ob sich diese Konvergenz aber auch auf das Verhalten der Tiere auswirken könnte, vermochte Professor Johnathan Losos, Co-Autor der Studie, PETBOOK auf Anfrage nicht zu sagen. Aktuell seien ihm keine Beweise dafür bekannt. „Was aber wahrscheinlich daran liegt, dass sich noch niemand mit dieser Frage beschäftigt hat. Es wäre faszinierend, dies herauszufinden.“
Obwohl sie also stammesgeschichtlich weit auseinanderliegen, haben sich manche Rassen durch vielleicht sogar unbeabsichtigte Zuchtauswahl in ihrem Erscheinungsbild angenähert. Dies konnten die Forscher mit 3D-Scans von Museumsexponaten, Veterinärhochschulen und digitalen Archiven herausfinden. Sie untersuchten Hauskatzen wie Siam, Maine-Coon und Perser sowie über 100 Hunderassen – von kurzschnäuzigen Tieren wie dem Mops bis hin zu langnasigen wie dem Collie.
Das Resultat: Die domestizierten Rassen zeigen eine größere Bandbreite an Schädelformen als ihre wilden Vorfahren. Während Wildhunde und -katzen eine eher einheitliche oder moderate Schädelform aufweisen, gibt es bei Haustieren extreme Ausprägungen, etwa bei flachgesichtigen Rassen. Für Drake fallen auch Katzenrassen, die gezielt so gezüchtet wurden, dass sie Hunden wie dem XL Bully ähneln, darunter. 1
Künstliche Selektion mit Nebenwirkungen
Diese Entwicklung bleibt allerdings nicht ohne Folgen. Wie bei vielen anderen landwirtschaftlich genutzten Tieren, etwa schnell wachsenden Masthühnern mit übergroßer Brustmuskulatur, bringt extreme Zucht oft gesundheitliche Probleme mit sich. Die Forscher zeigen auf, dass gezielte Zuchtmerkmale über das hinausgehen, was Tierkörper evolutionär leisten können.
Ein wesentlicher Faktor für diese Zuchtpräferenzen liegt tatsächlich in der Biologie des Menschen verankert. Wir reagieren stark auf sogenannte Kindchenschema-Merkmale: große Augen, runde Köpfe, kleine Nasen. Diese Merkmale lösen instinktiv Fürsorgeverhalten aus – eine evolutionäre Anpassung an den Umstand, dass menschliche Säuglinge besonders hilfsbedürftig sind.
Entsprechend hat die Atemnot von Mops und Perser oder die verdrehten Gliedmaßen der Bully-Katze viel mit einer Anpassung an menschliche Vorlieben zu tun. Doch welches Tier würde denn evolutionär bestehen, wenn es nicht richtig atmen oder sich bewegen kann? Diese qualgezüchteten einander angeglichenen Hunde und Katzen haben nichts mit einer natürlichen Entwicklung zu tun.

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Menschliche Vorlieben versus Tierwohl
Doch die gesundheitlichen Folgen solcher Zuchtziele rücken mittlerweile auch zunehmend in den Fokus – nicht nur durch die Faszination mit Bully-Katzen in den sozialen Medien. Professor Losos teilte PETBOOK mit, dass die Forscher sich für die aktuelle Untersuchung mit diesem Thema nicht auseinandergesetzt hätten. „Obwohl ich weiß, dass viele der Meinung sind, dass die sozialen Medien Teil des Problems sind, wenn einflussreiche Menschen solche Tiere haben.“
Auf PETBOOK-Anfrage sagte Professor Losos weiter, er könne sagen, dass sich Tierärzte für ein Verbot der Zucht von extremen, ungesunden Haustieren einsetzten. So hat die britische Regierung auch 2024 ihr Animal Welfare Committee mit der Bewertung neuer Tierschutzprobleme beauftragt. Das Komitee fordert mittlerweile strengere Zuchtregeln. Auch in Deutschland rückt das Bewusstsein für Qualzucht und ihre Ausprägung immer mehr in den Fokus. Nicht zuletzt durch die Arbeit von Bundes- und Landestierschutzbeauftragten und Tierschützern.
Die Forschung macht also deutlich, wie stark der Mensch durch gezielte Selektion in die Evolution eingreift – und dabei jahrmillionenalte Unterschiede zwischen Arten in wenigen Jahrzehnten so verändern kann, dass Perser und Mops unabhängig von der Rasse gemeinsam um jeden Atemzug japsen müssen. Die unbewusste Vorliebe für babyhafte Gesichtszüge hat dazu geführt, dass wir Tiere auswählen, deren Anatomie ihnen schadet.