Tiervideos sind in den sozialen Netzwerken sehr beliebt. Leider handelt es sich dabei nicht immer um harmlose Inhalte. So ging im Mai ein Video online, das zeigte, wie ein Kätzchen im Mixer zerstückelt wurde. Tagelang war das Video in sozialen Netzwerken zu sehen und erreichte Millionen von Aufrufen. Bisher gibt es in Deutschland kein Gesetz, dass die Darstellung von Tierquälerei verbietet. Die Welttierschutzgesellschaft e. V. fordert daher eine Anpassung im Strafgesetzbuch.
Dass Tiervideos nicht immer zugunsten des Tierwohls gehen, ist nichts Neues. Auf Twitter, Facebook, Instagram und Co. finden sich Tausende Videos, in denen Halter ihre Haustiere absichtlich Stress und Angst für die Klicks aussetzen. Sie stecken Hunde in Kostüme, erschrecken Katzen mit Gurken oder baden das Kaninchen. Doch es gibt noch eine viel dunklere Seite. So tauchen immer wieder Videos in den sozialen Netzwerken auf, in denen offensichtlich Darstellungen von Tierquälerei stattfinden. In manchen werden Tiere sogar vor laufender Kamera getötet. Im Mai 2023 erreichte das ganze noch einmal neue Dimensionen, als ein Video online ging, in dem eine junge Katze in einem laufenden Mixer brutal getötet wird. Der knapp einminütige Clip hielt sich über Stunden, in einigen Netzwerken sogar über Tage. Trotz des eindeutig brutalen und verstörenden Inhalts wurde er unter Millionen Nutzerinnen und Nutzern verbreitet.
Übersicht
- Bisher gibt es keine rechtliche Grundlage gegen die Darstellung von Tierquälerei
- Strafgesetzbuch schützt nur vor Darstellung von Gewalt gegen Menschen
- Grausame Videos bleiben tagelang online
- Tierquäler verdienen oft weiterhin Geld mit Videos
- Novellierung des Paragrafen könnte sogar bei Strafverfolgung von Tierquälerei helfen
- Wie wahrscheinlich ist eine Anpassung des Paragrafen?
Bisher gibt es keine rechtliche Grundlage gegen die Darstellung von Tierquälerei
Mittlerweile ist das Originalvideo zwar gelöscht. Es kursieren aber weiterhin zahllose Kopien in Bewegtbild und Bildschirmaufnahmen einzelner Szenen weiter. Denn viele wollten von der Aufmerksamkeit, die das Video hervorgerufen hat, profitieren. Sie stellten Szenen nach, kommentierten und reagierten auf die Inhalte. Zwar drückten ein Großteil der Nutzer klar ihren Unmut aus. Letztendlich trugen sie aber mit dazu bei, dass die Reichweite des Videos auf über 10 Millionen wuchs. Die Frage, die sich vielen dabei stellt, ist: Wie kann es sein, dass solche Inhalte überhaupt auf sozialen Plattformen landen?
„Bisher gibt es keine Gesetzgebung – auch global nicht –, die die Darstellung einer solchen Tat verbietet“, sagt Wiebke Plasse, die Leiterin Kommunikation der Welttierschutzgesellschaft im Gespräch mit PETBOOK. Seit gut drei Jahren betreut sie die Kampagne „Stoppt Tierleid in sozialen Netzwerken!“ der Organisation. „Die Tat selbst der Tierquälerei ist natürlich strafbar“, erklärt Plasse. „Ich gehe davon aus, dass es fast in jedem Land dieser Welt nicht erlaubt wäre, eine Katze im Mixer zu töten.“ Gegen die Darstellung der Tat in einem Video gebe es jedoch keine rechtliche Grundlage.
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Strafgesetzbuch schützt nur vor Darstellung von Gewalt gegen Menschen
Das Strafgesetzbuch stellt im Paragrafen 131 nur die verherrlichende oder verharmlosende Darstellung grausamer Gewalttätigkeiten gegenüber Menschen und menschenähnlichen Wesen unter Strafe. Dabei sind mit menschenähnlichen Wesen übrigens nicht einmal Primaten gemeint, sondern Zombies oder Aliens. Ein Video auf YouTube einzustellen, in dem einem Zombie der Kopf abgeschnitten wird, ist also bei Strafe verboten. Aber Katzen im Mixer zu pürieren? Hier liegt es an der Verantwortung der Moderatoren von Twitter, Facebook und Co. solche Inhalte zu löschen.
Die Welttierschutzgesellschaft schlägt daher vor, den Paragrafen um die beiden Wörter „oder Tiere“ zu ergänzen. Dann gebe es endlich eine Handhabe gegen die Darstellung von Tierquälerei in den sozialen Netzwerken, sagt Plasse. Zudem wären die Netzwerke aufgefordert, bei der Strafverfolgung der Täterinnen und Täter aktiv zu werden und unter anderem IP-Adresse, Klarnamen und mögliche Kontaktdaten freizugeben.
Grausame Videos bleiben tagelang online
„Zu Beginn der Kampagne haben wir tatsächlich auf die Eigenverantwortung der Netzwerke gehofft“, führt Plasse aus. Es sei aber ein Jahr einfach nichts oder zu wenig passiert. „Unserer Meinung nach müsste ab der ersten Meldung reagiert werden. Wir wissen aber, dass es bei den gemeldeten Videos keinerlei Priorisierung gibt. Wenn ich als Nutzerin oder Nutzer ein Video von einer Katze im Mixer melde, landet das zusammen mit Tausenden anderen Meldungen.“ So bleibe das Video lange genug online, um Millionen von Klicks zu generieren und sich weiterzuverbreiten.
„Und auch wenn ich mich als Nutzerin total aufrege über diesen Inhalt, den ich sehe, weil er ganz, ganz furchtbar ist. Ich gebe dem Video zusätzliche Reichweite, allein, weil ich es mir anschaue“, macht Plasse klar. So nachvollziehbar auch etwaige Negativreaktionen sind, verhelfen auch diese leider dem Inhalt zu noch mehr Aufmerksamkeit. Denn jede Erwähnung, jede Kopie und jede Bildschirmaufnahme dieser brutalen Tierquälerei fördere die vom Original-Ersteller wohl erhoffte Reichweite.
Sobald man das Gefühl habe, die Inhalte in einem Video seien nicht okay, sollte man dies sofort melden, rät Plasse. „Und dann weg damit! Bloß nicht weiter die Reichweite befördern. Das ist ganz wichtig.“
Tierquäler verdienen oft weiterhin Geld mit Videos
Eines der großen Probleme in Bezug auf Darstellung von Tierquälerei in sozialen Netzwerken sei, dass die Ersteller mit solchen Videos oft weiterhin Geld verdienten, erklärt Plasse. In einem Artikel auf ihrer Webseite nennt die Welttierschutzgesellschaft das Beispiel eines Katzenmörders, der zwischen 2019 und 2022 in Pohang, Südkorea aktiv war und seine grausamen Taten auf seinen YouTube-Kanal veröffentlichte. Zwar konnte die Polizei den Täter dank Hinweisen von Kindern, die den Mann dabei beobachteten, ausfindig machen und hinter Gittern bringen. Doch ein Großteil seiner Videos blieb weiterhin online.
Diese sammeln auch weiterhin „Views“. Denn obwohl jedem, der auf das Profil kommt, klar ist, dass es sich dabei um Tierleid handelt, befeuern auch Negativreaktionen den Algorithmus auf YouTube. So verdient der Tierquäler, während er seine Haftstrafe absitzt, mit jedem Klick auf seine Videos Geld für seine grausame Tat.
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Novellierung des Paragrafen könnte sogar bei Strafverfolgung von Tierquälerei helfen
Eine Novellierung des Paragrafen 131 im Strafgesetzbuch könnte Plattformen nicht nur dazu verpflichten, Videos mit tierquälerischen Inhalten sofort zu löschen. Sie müssten auch bei der Strafverfolgung mithelfen und der Polizei Informationen wie Nutzer-IPs oder Klarnamen offenlegen, sagt Plasse. Momentan seien Strafverfolgungsbehörden bei solchen Fällen in Deutschland die Hände gebunden, da es sich oft um anonymisierte Profile handle.
„Die posten solche Videos ja unter Nutzerprofilen mit Fakenamen und dann postet ein neues Fake-Profil morgen dasselbe Video“, führt Plasse aus. „Man kann einfach von außen nicht auf die Daten zugreifen, die man braucht, um diese Tat zu verfolgen.“ Deswegen seien die Tierschützer von der Novellierung des Paragrafen 131 sehr überzeugt, weil er wichtige Punkte mitbrächte, um der Darstellung von Tierquälerei in sozialen Netzwerken Einhalt zu gebieten.
Zudem würde es bewirken, dass auch die Moderatoren-Teams der Netzwerke geschult würden, ist sich Plasse sicher. Denn wenn sie gesetzlich dazu angehalten sind, Darstellungen von Tierleid löschen oder ahnden zu müssen, müssen sie dieses ja überhaupt erst mal erkennen können.
Wie wahrscheinlich ist eine Anpassung des Paragrafen?
Im Rahmen der Kampagne „Stoppt das Tierleid in den sozialen Netzwerken!“ hat die Welttierschutzgesellschaft eine Petition ins Leben gerufen, in der sie die Bundesregierung unter anderem auffordert, den § 131, Absatz 1 StGB (Strafgesetzbuch) um die Tiere zu ergänzen.
„Wir sind dazu mit verschiedenen Parteien und politischen Vertreterinnen und Vertretern im Austausch und sehen ein großes Interesse an dem Thema“, erzählt Plasse. Das läge auch daran, dass es sich hierbei um ein Thema handele, bei dem sich auch Politiker anderer Ressorts bewusst seien, was es für die eigenen Kinder oder für die Gesellschaft bedeute, stetig mit derartiger Tierquälerei konfrontiert zu werden. „Das heißt, hier sind wir jetzt mit Nachdruck dran, denn das Strafgesetzbuch wird dieses Jahr angefasst. Daher haben wir die Hoffnung, dass auch unser Vorschlag, den Paragrafen 131 zu novellieren, mit umgesetzt wird.“