23.02.2023, 14:13 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Weil Schlangen keine von außen sichtbaren Ohren haben, ist das Vorurteil weit verbreitet, die Tiere könnten nicht hören. Aber auch in der Fachliteratur hieß es lange Zeit, Schlangen seien taub. Doch laut einer Studie ist das falsch.
Das Beschwören von Schlangen, vor allem der Kobra, ist in weiten Teilen Indiens Tradition. Dabei werden die Tiere mithilfe einer Flöte und deren Musik scheinbar hypnotisiert und zum Tanzen gebracht. Die Tiere reagieren dabei vor allem auf die Bewegung des Instrumentes – die Töne an sich sind irrelevant. Im Biologieunterricht galt diese Szene lange als Paradebeispiel, um den Schülern zu erklären, dass Schlangen nicht hören können. Aber weit gefehlt: So zeigt eine Studie im Fachblatt „PLOS One“, dass die Tiere nicht nur kleinste Vibrationen über den Boden wahrnehmen, sondern auch Schall über die Luft.
Schlangen haben kein Trommelfell
Schlangen hätten zwar ein Innenohr, aber kein Trommelfell, erklärt der Biologe und Gutachter der Studie, Ulrich Joger, der Deutschen Presse-Agentur. In einigen Lehrbüchern stehe deshalb noch immer, Schlangen seien taub. In der Wissenschaft habe man aber schon geahnt, dass das falsch ist, sagt Joger, ehemaliger Direktor des Staatlichen Naturhistorischen Museums in Braunschweig.
Bislang war bekannt, dass Schlangen Bodenvibrationen wahrnehmen, in dem sie ihren Kopf auf den Boden legen. Erschütterungen bringen beide Hälften des Unterkiefers in Schwingung, wie Joger erklärt. Diese Schwingungen würden dann über eine Reihe von Knochen bis ins Innenohr übertragen.
Auch interessant: Die 7 häufigsten Schlangenarten in Deutschland
Reaktion auf Geräusche ist stark gattungsabhängig
Nun haben australische Forscherinnen und Forscher untersucht, ob Schlangen auch auf Schall in der Luft reagieren. Teil des Experiments waren 19 in Gefangenschaft geborene Tiere sechs verschiedener Arten, die vor allem in Australien vorkommen: von der bis zu drei Meter langen Woma-Python, über den Taipan – eine der giftigsten Schlangen der Welt – bis hin zur Braunschlange, die ebenfalls sehr giftig ist.
Um zu überprüfen, ob Schlangen hören können, spielten die Wissenschaftler den Tieren drei verschiedene Tonfrequenzen in einem schalldichten Raum vor, erläutert das Team um Christina Zdenek von der University of Queensland im australischen Brisbane. Dabei hätten sie beobachtet, wie die Schlangen reagieren, und dabei auf Bewegungen des Körpers, des Kopfes, des Kiefers, der Zunge sowie auf Zischlaute geachtet. Eine der Frequenzen habe Bodenvibrationen erzeugt, die anderen beiden Schallwellen in der Luft.
Studie zeigt Das löst bei Ratten Freudensprünge aus
Gefährlicher Arachnid Die Trichternetzspinne hat für jeden Anlass ein Gift
Tachymenoides harrisonfordi Neu entdeckte Schlange nach „Indiana Jones“-Schauspieler Harrison Ford benannt
Schlangen reagieren empfindsam auf Geräusche
Im Experiment reagierten die Schlangen nicht nur auf die Geräusche, die Bodenvibrationen auslösten, sondern auch auf Frequenzen, deren Schallwellen durch die Luft übertragen werden. Die Reaktion der Schlangen sei jedoch stark von der Gattung abhängig gewesen. Während sich die Riesenschlange Woma auf das Geräusch zubewegte, bewegten sich die kleineren Giftnattern eher davon weg, wie es in der Studie heißt.
Die Forscher begründen das unterschiedliche Verhalten damit, dass die nachtaktive Woma-Python kaum natürliche Feinde haben. Deshalb müsse sie nicht so vorsichtig sein wie kleinere Arten und bewege sich eher in Richtung des Geräuschs. Taipans hingegen müssten sich zum Beispiel vor Greifvögeln schützen und seien vermutlich deswegen für Geräusche empfindsamer. Fest steht jedoch: Alle drei Gattungen waren in der Lage, das Geräusch wahrzunehmen.
Doch um die Schlussfolgerung, dass Schlangen tatsächlich hören können, wirklich zu stützen, seien zu wenige Schlangenarten Teil des Experiments gewesen, merkt Joger an. Die Ergebnisse könnten jedoch zu einem besseren Verständnis über das Hörvermögen und das Verhalten von Schlangen gegenüber Geräuschen beitragen und helfen, Schlangen abzuschrecken und Bisse zu vermeiden, schreiben die Forscher abschließend in ihrer Studie.
Mit Material der dpa