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Kurioses Verhalten

Studien beweisen, dass Strauße Menschen tatsächlich attraktiv finden

Ein Vogelstrauß beginnt mit dem Balzen
„Man, siehst du heute wieder gut aus!“ – manche Strauße beginnen Balztänze, wenn Menschen in ihre Nähe kommen Foto: Getty Images / shcherbak volodymyr
Louisa Stoeffler
Redakteurin

16. Juni 2025, 17:02 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Tiere, die in Gefangenschaft gehalten werden, zeigen Verhalten, das sie in der Natur wahrscheinlich nicht erlernt hätten. Besonders auffällig ist dies beim Vogelstrauß, der Menschen so attraktiv findet, dass er uns gegenüber Balzverhalten zeigt. Woher diese Erkenntnis stammt und wie man sie sogar für den Tierschutz einsetzen kann, erklärt PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler im Folgenden.

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Was passiert, wenn Strauße sich mehr für Menschen als für Artgenossen interessieren? Eine skurrile, aber ernst gemeinte Studie aus England hat gezeigt, wie menschliche Nähe das Sexualverhalten von Straußen auf Farmen beeinflusst – mit überraschenden Folgen. Der kurios klingende Forschungsansatz wurde sogar mit einem IgNobelpreis für Biologie ausgezeichnet. Und er hat seither wichtige praktische Konsequenzen für alle, die mit Straußen zu tun haben.

Straußenzucht führt zu Fehlprägung

Nicht nur in Europa wächst das Interesse an der Straußenzucht. Die großen Vögel werden zunehmend für die Landwirtschaft gehalten, insbesondere für Fleisch, Eier und Federn. In Südafrika ist dies längst gängige Praxis. Allerdings lässt das Tierwohl hierbei sehr zu wünschen übrig und viele wissen nicht, wie man mit den Vögeln richtig umgeht. Auch die Zucht neuer Strauße stellt Landwirte vor besondere Herausforderungen – aus einem kuriosen Grund.

Beobachtungen und Studien deuten darauf hin, dass viele Strauße auf Farmen auffälliges Verhalten gegenüber Menschen zeigen – insbesondere in der Fortpflanzungssaison. Zuerst untersucht wurde dies zunächst 2002 von Dr. Charles Deeming aus Lincoln, England, der für seine Arbeit den „Ignoble Nobel prize“ erhielt – den Preis für kuriose, bahnbrechende Forschung, die Menschen erst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringt. Und welche Erkenntnis fällt eher in diese Kategorie als die, dass Strauße Menschen attraktiv finden?

Forscher vermuteten schon vor der Arbeit von Deeming, dass Strauße auf Menschen „prägen“, also in einer kritischen Phase ihrer Entwicklung lernen, Menschen als Artgenossen zu sehen. Dies könnte dazu führen, dass sie das Interesse am eigenen Geschlecht verlieren und sich stattdessen zu Menschen hingezogen fühlen – mit fatalen Folgen. Die Studie zielte daher darauf ab, diesen Zusammenhang wissenschaftlich zu untersuchen und die Verhaltensmuster der Strauße in verschiedenen sozialen Kontexten zu analysieren.

Männliche und weibliche Strauße fanden Menschen gleichsam attraktiv

Die Studie zeigte klar: Die Anwesenheit von Menschen beeinflusst das Balzverhalten von Straußen erheblich. Besonders auffällig war, dass männliche Strauße in der Nähe von Menschen vermehrt Balzverhalten zeigten – darunter auch körperliche Displays, die sowohl sexuellen als auch territorialen Zwecken dienen können.

Überraschend: Viele weibliche Strauße wurden durch menschliche Nähe stimuliert und paarten sich anschließend mit männlichen Tieren – ebenfalls in Gegenwart von Menschen. Das bedeutet, dass Strauße sexuelle Aktivität vor allem dann zeigen, wenn Menschen anwesend sind. Umgekehrt mieden sie einander, wenn keine Menschen in der Nähe waren. Ohne menschliche Reize verloren offenbar viele Tiere das Interesse an ihren Artgenossen – was eine erfolgreiche Paarung erheblich erschwert.

Diese Art des Verhaltens nennt sich auch „Imprinting“ – also eine frühe Prägung, die dann zu einer engen Bindung führen kann. Da man nun weiß, dass Strauße bei einer falschen Sozialisierung dazu neigen, Menschen attraktiv zu finden, kann man dies in der Interaktion künftig vermeiden – und sie ihre ersten, prägenden Erfahrungen mit Artgenossen machen lassen. 1

Strauße haben besondere Voraussetzung für Domestizierung

Allerdings zeigen diese Ergebnisse auch, wie tiefgreifend der menschliche Einfluss auf die vermeintlich „wilden“ Strauße bereits ist. Besonders, wenn diese in menschlicher Obhut aufgezogen werden – oder in einer besonders prägenden Phase viele Menschen gesehen haben. Wird also bei jungen Straußen nicht auf ausreichend Kontakt zu Artgenossen geachtet, kann dies zu langfristigen Verhaltensstörungen führen, die eine natürliche Fortpflanzung behindern.

Seitdem Denning seine Beobachtungen veröffentlichte, hat sich die Wissenschaft verstärkt dem Phänomen gewidmet – denn es ist ungewöhnlich, dass sich Tiere so sehr an die Gegenwart von Menschen angepasst haben. In zwei Untersuchungen von 2018 und 2023 zeigte sich, dass Strauße mittlerweile sogar von ihrer Menschengebundenheit profitieren. Sie sind also auf dem Weg, domestiziert zu werden.

Besonders in Südafrika wurde wissenschaftlich untersucht, wie sich menschliche Präsenz auf Strauße auswirkt. Denn Strauße sind sehr sensible Tiere, die bei Ungewohntem starkes Fluchtverhalten und Stress zeigen. Daher gestaltet sich tierschutzrechte Haltung schwierig, da man die Bedürfnisse und das komplexe Verhalten von Straußen noch nicht gut versteht.

In der Untersuchung von 2018 zeigte sich, dass sie jedoch sehr positiv auf Zuwendung, Streicheleinheiten und eine ruhige Stimme reagieren, wenn sie frühen Kontakt mit Menschen haben. Junge Straußenküken gewöhnen sich ungewöhnlich gut daran – was später ihren Stress deutlich reduziert. So kann ein Einfangen für eine Untersuchung beim Tierarzt leichter bewältigt werden. Dies erfolgte allerdings bevor sie geschlechtsreif wurden, damit sie später nicht wieder Menschen statt Artgenossen attraktiv fanden. 2

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Wie diese Erkenntnis dem Schutz von Straußen dienen kann

Dass diese Freundlichkeit gegenüber Menschen tatsächlich bereits Veränderungen bei Straußen auf der DNA-Ebene bewirkt hat, zeigte eine weitere Untersuchung 2023. Strauße, die mit positiven menschlichen Kontakten aufgewachsen waren, zeigten eine deutlich höhere Bereitschaft, sich ihnen zu nähern. Sie ließen Berührungen zu und verhielten sich auch insgesamt zahmer. Strauße reagierten sogar deutlich positiver auf vertraute Testpersonen. Auch die Heritabilität (Erblichkeit) dieses Verhaltens wurde in dieser Studie bestätigt. 3

Die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen Menschen ist zudem ein Hinweis auf kognitive Lernprozesse und potenziell höheres Vertrauen gegenüber bekannten Bezugspersonen. Hierbei zeigte sich klar: Strauße sind in sehr hohem Maße sensibel für eine Mensch-Tier-Bindung. Sie sollte jedoch in die richtigen Bahnen gelenkt werden, damit die Tiere von der Interaktion profitieren, statt sich uns zu prägen und Menschen attraktiv zu finden.

Entscheidend sind dabei nicht nur die Erfahrungen der Strauße, sondern bereits ihr Erbgut. Beide Erkenntnisse lassen sich, sowohl in der landwirtschaftlichen Haltung sowie im Tierschutz, nutzen, um Straußen ein artgerechteres Leben in kurzzeitiger oder längerer menschlicher Obhut zu ermöglichen.

Quellen

  1. Brown C. IgNobel (2): Is that ostrich ogling me? CMAJ. 2002 Dec 10;167(12):1348. PMCID: PMC137344. ↩︎
  2. Pfunzo T. Muvhali, Maud Bonato, Anel Engelbrecht, Irek A. Malecki, Denise Hough, Jane E. Robinson, Neil P. Evans, Schalk W. P. Cloete: „The Effect of Extensive Human Presence at an Early Age on Stress Responses and Reactivity of Juvenile Ostriches towards Humans“, Animals, 2018, 8(10), 175. ↩︎
  3. Muvhali, P.T., Bonato, M., Engelbrecht, A., Malecki, I.A., Cloete, S.W.P. (2023): Genetic and environmental parameters for behavioural responses towards humans in farmed ostriches. Applied Animal Behaviour Science, 263, 105897. ↩︎

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