
5. Mai 2025, 17:03 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Eine Katze vom Bauernhof – das klingt so romantisch. Doch die Erfahrungen von PETBOOK-Redakteurin Saskia Schneider zeigen ein anderes Bild. Die Expertin für Katzenverhalten erklärt, warum die Tiere nicht nur einige gesundheitliche Probleme mitbringen können. Auch ihr Verhalten kann für Katzenbesitzer eine echte Herausforderung sein.
Die meisten Katzen führen auf dem Bauernhof ein unabhängiges Leben. Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, Mäuse oder andere Nager zu fangen. Mit dem gediegenen Leben einer Hauskatze hat ihr Alltag oft wenig gemeinsam. Und trotz Verordnungen, die bereits in vielen Regionen gelten, sind die wenigsten Katzen auf Bauernhöfen kastriert. Daher entsteht schnell ungewollter Nachwuchs, den Landwirte meist bereitwillig abgeben.
So kam ich auch zu meinen ersten beiden eigenen Katzen. Beide kamen als ungewollter Nachwuchs auf einem Reiterhof zur Welt und sollten eigentlich mit dem Spaten erschlagen werden. Stattdessen fing man zwei der vier Kätzchen für mich ein. Meine Frage, ob die Tiere bereits entwurmt seien, wurde bejaht. Später stellte sich heraus: Diese Katzen hatten bis zur Abholung kaum bis keinen Menschenkontakt und waren alles andere als frei von Parasiten.
Kitten sind oft schlecht sozialisiert
Nicht nur die Paarung läuft bei Katzen auf dem Land oft ohne die Kontrolle der Besitzer – auch der Nachwuchs kommt meist unbemerkt zur Welt. Denn Katzenmütter suchen sich dafür abgelegene und gut versteckte Orte aus. Erst später, wenn die Kätzchen etwas älter sind, fällt der tierische Familienzuwachs. Das bedeutet aber auch: Bis zu diesem Alter hatten die Kitten keinerlei Kontakt zu Menschen, was dazu führen kann, dass die Katzen später immer eine gewisse Scheu beibehalten.
Denn die Prägungsphase bei Katzen, auch Sozialisierungsphase genannt, liegt hauptsächlich zwischen der zweiten und siebten Lebenswoche der Kätzchen. In dieser Zeit sollten sie alles kennenlernen, was später im Leben wichtig ist. Das passiert auf dem Land aber meist nicht. Keiner der Menschen verbringt aktiv Zeit mit den Kitten. So war es auch bei Kim und Kila, meinen beiden Katzen vom Bauernhof. Beide waren anfangs sehr scheu und ließen sich kaum anfassen.
Für den ersten Tierarztbesuch musste ich die Katzen damals mit einem Trick in die Transportbox locken. Dort angekommen, schossen die beiden geradezu aus dem Behälter. Erst nach einer halben Stunde gelang es dem Personal, beide Tiere mithilfe eines Handtuchs wieder einzufangen und zu untersuchen. Dabei zeigte sich das zweite große Problem …
Katzen von Bauernhof sind gesundheitlich oft nicht gut versorgt
Zwar wurde mir mitgeteilt, die Tiere seien wenigstens einmal entwurmt wurden, doch der Zustand der Kätzchen ließ die Tierärztin stark daran zweifeln. Beide waren sehr dünn und ausgemergelt – ein Zeichen für Darmparasiten. Doch bevor wir eine Kotuntersuchung machen konnten, kam der nächste Schreck: Beide hatten Flöhe. Für Tiere auf dem Bauernhof ist das nichts Ungewöhnliches. Doch blauäugig hatten wir beide Kätzchen bereits seit zwei Tagen die gesamte Wohnung erkunden lassen. Da Wurmeier bis zu einem halben Jahr überleben, hieß das erst einmal: Großputz für die Wohnung.
Als Nächstes kam der Blick in die Ohren. Aber die Tierärztin kam gar nicht so weit, weil die Gehörgänge fast komplett von Milbenkot blockiert waren. Also bekamen wir neben einem Flohmittel und Entwurmungstabletten auch noch Ohrentropfen verschrieben, die wir dreimal täglich anwenden sollten. Wie praktisch – bei Katzen, die sich noch kaum anfassen ließen.
Katzen sind Freigang gewohnt
Katzen vom Bauernhof genießen meist viele Freiheiten. Das Leben in einer Wohnung ist für die meisten Tiere eine große Umstellung. Vor allem dann, wenn sie gar nicht mehr nach draußen sollen. Auch dass man plötzlich nicht mehr überall sein Revier mit Kratzen oder Urin markieren darf, müssen Katzen erst lernen – und akzeptieren. Für Katzenhalter ist diese Erziehung eine echte Herausforderung.
Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Katzen, die einmal Freigang gewohnt waren, diesen einfordern oder stark vermissen. Kim und Kila zog es ständig nach draußen. Daher passierte es öfter, dass die beiden ausbüxten, wenn wir im Hinterhof spazieren gingen, oder einer der Nachbarn vergaß, die Haustür zu schließen. Und obwohl Kimmie kastriert und schon über zehn Jahre war, legte sie sich noch mit dem Revierkater auf der anderen Straßenseite an. So ein „wildes“ Verhalten kenne ich von meinen beiden jetzigen Katzen, die beide in Wohnungshaltung aufgewachsen sind, nicht.

Meine traumatische Erfahrung mit Bauernhofkatzen
„Mit 11 Jahren war ich einmal während der Ferien ein paar Wochen auf einem Bauernhof. Neben dem Umgang mit Kühen und Hühnern lernte ich dabei leider auch, wie es dort mit ungewolltem Kitten-Nachwuchs zuging. Ich bekam den Auftrag, die Kätzchen der 17 Jahre (!) alten Hofkatze ausfindig zu machen, die zwei- bis dreimal im Jahr Junge produzierte.
Naiv, wie ich war, stöberte ich in den Büschen nach den Kitten und wurde fündig. Zusammen mit einem anderen Mädchen sollte ich die Tiere dann zum Haus bringen. Auf meine Frage, was denn mit den Kitten dort geschehen sollte, antwortete sie nur: ‚Die werden tot gemacht.‘
Mein Schock über diese Nachricht war so groß, dass ich – so fürchterlich tollpatschig wie ich plötzlich war – natürlich die wenige Tage alten Tiere sofort fallen ließ, sodass die Mutterkatze die Möglichkeit hatte, sie erneut zu verstecken. Ich weigerte mich daraufhin, sie erneut ‚zu suchen‘. Diese Erfahrung hat mich nie losgelassen, obwohl die Kätzchen, die ich der Mutter weggenommen habe, überlebten – der Rest des Wurfs nicht.“
Katzen können Verhaltensprobleme entwickeln
Katzen, die gewohnt sind, nach draußen zu gehen, haben in reiner Wohnungshaltung meist zu wenig Stimulation. Vor allem junge Kätzchen wollen die Welt entdecken. Kommen sie vom Bauernhof, ist ihnen bewusst, dass sich diese spannende Welt hinter Fenstern und Türen der Wohnung befindet. Aus Frust, nicht nach draußen zu dürfen, können Verhaltensweisen entstehen, die wir Menschen als problematisch betrachten, wie
- vermehrtes Kratzen
- vermehrtes Miauen
- Unruhe in der Nacht
- Aggression
Daher ist es wichtig, solchen Tieren entweder geregelten Freigang zu gewährleisten oder die Katzen gut auszulasten.

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Katzen vom Bauernhof führen ein autarkes Leben
Zusammenfassend könnte man sagen: Katzen vom Land haben es in sich! Und das müssen sie auch. Das Leben draußen ist hart. Nur die fittesten Kätzchen kommen durch – wenn sie der Bauer nicht (wie leider immer noch vielerorts üblich) vorher erschlägt oder ertränkt. Und auch dann ist ihre Lebenserwartung nicht besonders hoch. Krankheiten oder Straßenverkehr gehören zu den häufigsten Todesursachen.
Wer eine Katze vom Bauernhof adoptieren möchte, sollte sich bewusst machen, dass die Tiere dort ein autarkes Leben führen. Das bedeutet nicht, dass solche Katzen zu ihren Menschen nicht auch eine enge Bindung aufbauen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Tiere, die viel Freigang gewohnt sind, in reiner Wohnungshaltung unglücklich – ja, sogar depressiv werden – vor allem, wenn die Katze bereits älter ist als zwölf Wochen. Daher ist es meines Erachtens eine Voraussetzung, einem solchen Tier Freigang zu ermöglichen.
Auch den gesundheitlichen Aspekt sollte man bedenken und die Tiere möglichst schnell beim Tierarzt checken lassen – am besten noch bevor sie in der gesamten Wohnung Flöhe verteilen.