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Katzenverhalten

Katzenpsychologin über einen ihrer härtesten Fälle: »Tier attackierte das Gesicht der Menschen 

Kollage aus fauchender Katze und Porträt von Katzenpsychologin Carmen Schell
Carmen Schell ist ausgebildete Katzenssychologin und weiß um die Probleme, die immer wieder im Zusammenleben von Mensch und Katze entstehen Foto: Getty Images / Bine Bellmann
Sonja Jordans

18. März 2024, 6:40 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Im Zusammenleben mit Katze und Mensch kommt es häufig zu Missverständnissen und Problemen. Zum einen, weil vielen nicht klar ist, was die Tiere wirklich brauchen oder weil sie ihr Haustier nicht richtig verstehen. Hier kommt Carmen Schell ins Spiel, die sich selbst auch als Übersetzerin zwischen Katze und Mensch bezeichnet. Im Gespräch mit PETBOOK spricht die zertifizierte Verhaltensberaterin über ihren Berufsalltag und die herausforderndsten Fälle.

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Katzenhalter, so heißt es, schätzen an ihren Tieren deren individuelle Persönlichkeit. Doch manchmal ist es gerade diese Persönlichkeit, die Haltern zu schaffen macht. Zeigt das Kätzchen doch plötzlich Verhaltensweisen, die weder gewünscht und schon gar nicht akzeptabel sind. Meist ist dann professionelle Unterstützung vonnöten, damit Katze und Mensch wieder glücklich zusammenleben können. Katzenpsychologin und Buchautorin Carmen Schell kennt aus ihrem Alltag zahlreiche Probleme zwischen Haltern und Haustier. Im Gespräch mit PETBOOK erzählt sie über ihre härtesten Fälle und wie sie diese gelöst hat.

Gesundheitliche Gründe sind häufig Ursache für Probleme

In mehr als der Hälfte aller Fälle, in der Tiertherapeutin Carmen Schell um Rat gefragt wird, seien gesundheitliche Probleme die Ursache von Problemen. Diese würden auch bei der medizinischen Grundversorgung der Katze nicht entdeckt, erzählt sie. Das liege nicht nur daran, dass Katzen in der Regel Meister im Verbergen von Schmerzen und Krankheiten sind. Als Wildtier seien Katzen geradezu darauf programmiert, keine Schwächen zu zeigen. Das könnte sie im Umgang mit Rivalen oder anderen Tieren benachteiligen. Dieses Verhalten zeigen die Tiere dann auch im Umgang mit ihren Menschen.

Oft litten die Katzen, die Schell kennenlernt, unter schweren und schmerzhaften Zahnproblemen. „Statistisch gesehen ist jede zweite Katze ab fünf Jahren von einer sehr schmerzhaften Erkrankung, genannt FORL betroffen.“ Dabei entstehen, meist zwischen Krone und Wurzel, feine Löcher in den Zähnen der Katze. Ursache ist die Aktivierung körpereigener Zellen, die schließlich Zahnsubstanz abbauen.

Die Erkrankung könne nur über ein Dentalröntgen eindeutig sichtbar gemacht werden, so Schell. „Ab sieben Jahren sollten Katzen zudem ein Mal jährlich zur Blutabnahmen, um über die Blutwerte frühzeitig typische Alterserkrankungen wie Nierenschwäche, Diabetes oder eine Schilddrüsenerkrankung erkennen und behandeln zu können.“ Beim jährlichen Check-up würden zudem die Vitalwerte geprüft.

Auch interessant: Diese Krankheiten können Katzen auf Menschen übertragen

Aggressionen gegenüber Menschen wird häufig unterschätzt

Vor allem im vergangenen Jahr musste sich Verhaltenstherapeutin Carmen Schell häufiger mit einem Thema befassen, „das mich auch emotional schwer betroffen macht“, wie sie erzählt: Katzen-Aggressionen gegenüber Menschen. „Zu Beginn wird dieses Problem oft völlig unterschätzt und lange ignoriert oder nicht adäquat behandelt.“

Schell berichtet aus ihrer Praxis: „Zu Weihnachten vergangenen Jahres begleitete ich gleich drei Fälle von teils massiven Aggressionen, bei denen die Katzen über einen zum Teil langen Zeitraum gelernt haben, sich mit Krallen und Zähnen durchzusetzen.“ Besonders schlimm: Die Tiere hätten mit jeder Aggression und jeder Ausführung ihre Strategie geradezu „perfektioniert“, so die Verhaltenstherapeutin.

Katzenpsychologin als „letzte Anlaufstelle“

„Eines der Tiere attackierte unmittelbar das Gesicht der Menschen, ein anderes griff bei lauten oder schrillen Geräuschen massiv an und ein drittes Tier wurde in einer Tierklinik schlichtweg nicht angemessen diagnostiziert und behandelt.“ In zwei dieser Fälle sei aus tierärztlicher Sicht zur Euthanasie geraten worden, sagt Schell.

„Als ich von den Haltern zu Hilfe gerufen wurde, erhielt ich auch die Arztberichte und las diese Empfehlung schwarz auf weiß.“ Eine emotionale Herausforderung nicht nur für die betroffenen Familien, sondern auch für Schell „als letzte Anlaufstelle“ in diesem Fall.

Katzen attackieren oft aus Schmerz

Angriffe durch Katzen sind niemals zu unterschätzen, betont die Katzenpsychologin und haben stets eine einschneidende Bedeutung für Katze, Menschen und deren Beziehung zueinander. „In solchen Fällen gilt es daher immer, medizinisch gründlich zu untersuchen, ob das Tier erkrankt ist.“ Ursachen könnten etwa Schilddrüsenüberfunktion sein, so Tiertherapeutin Carmen Schell.

„Aber noch viel häufiger leidet das Tier unter Schmerzen und attackiert aus dieser Motivation heraus.“ Zudem sollte eine begleitende Verhaltenstherapie eingeleitet werden, die allen Beteiligten Sicherheit gibt und das Stresslevel senkt.

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So löste Carmen Schell die drei Härtefälle

Wichtig aus Sicht der Expertin: Halter sollten sich unmittelbar Hilfe suchen und auf keinen Fall darauf hoffen oder warten, dass sich das Problem von allein löst. „In einem der beschriebenen Fälle konnten wir herausarbeiten, dass die in einer Klinik gestellte Diagnose nichts mit dem Aggressionsverhalten der Katze zu tun hatte, sondern vielmehr die Grenzen des Tieres missverstanden wurden und dessen Haltung insgesamt nicht optimal war“, sagt Schell.

Der zweite Fall konnte nur durch eine Umsiedelung des Tieres gelöst werden. So konnten neue Halter weitgehend vorurteilsfrei Kontakt mit der Katze aufnehmen. „Die verletzte Halterin hatte zwischenzeitlich zu große Angst vor weiteren Angriffen und war nach jahrelangen Attacken der Katze mit ihren Kräften am Ende.“ Außerdem erhielt das Tier eine adäquate Behandlung, da es vermutlich schon seit sehr langer Zeit unter Rückenschmerzen litt.

Mit dem dritten Tier arbeitet Schell aktuell noch. Das Verhalten dieser Katze habe sich über die Zeit so sehr gefestigt, dass es umso schwerer falle, andere Verhaltensalternativen aufzuzeigen und zu etablieren. Schell betont: „In Aggressionsfällen ist Erfahrung und auch die Kenntnis über seine eigenen Grenzen essenziell. So arbeite ich mitunter auch mit einer Verhaltensmedizinerin zusammen, die im Bedarfsfall medikamentös unterstützen und einen umfassenden Blick auf Körper und Verhalten des Tieres hat.“

Themen Katzenverhalten

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