
4. Juli 2025, 11:09 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Haustiere gelten oft als Seelentröster. Doch wie viel Einfluss haben sie wirklich auf unser Wohlbefinden – gerade in Krisenzeiten? Eine neue ungarische Langzeitstudie deckt überraschende Zusammenhänge auf: Zwar steigt die gute Laune kurz nach der Anschaffung eines Tieres deutlich, doch dieser Effekt hält nicht lange an.
Während der Pandemie erfüllten sich viele den Wunsch nach einem eigenen Haustier. Nicht nur, weil viele durch Home-Office-Regelungen und Ausgangssperren viel Zeit hatten, um Hund, Katze oder Kaninchen rund um die Uhr zu betreuen. Manche fühlten sich durch die stark reduzierten sozialen Kontakte auch einsam.
Doch egal, aus welchem Grund sich Menschen während der Pandemie ein Haustier holten: Die Erwartung war oft, dass sie dadurch glücklicher würden. Das war zunächst auch bei vielen der Fall. Doch besonders bei Hundehaltern kippte das Stimmungsbild, wie eine Studie aus Ungarn zeigt. Demnach fühlten sich viele Besitzer nach einigen Monaten weniger aktiv, ruhig und zufrieden. PETBOOK fasst die spannenden Ergebnisse zusammen.1
Untersuchung unterscheidet sich deutlich von früheren Arbeiten
Die neue Studie wurde von einem Forschungsteam der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest durchgeführt und im Wissenschaftsmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht. Sie analysierte die Auswirkungen von Haustieranschaffung und -verlust auf das Wohlbefinden während der COVID-19-Pandemie.
Dabei unterscheidet sich die Untersuchung deutlich von früheren Arbeiten: Die über 2700 Teilnehmer wurden repräsentativ ausgewählt – unabhängig von einer Tierliebe oder Pflegerolle. So konnte das Forscherteam erstmals untersuchen, wie sich das bloße Zusammenleben mit einem neuen Haustier auf das emotionale und psychische Befinden auswirkt – und das in einer Ausnahmesituation wie einer globalen Krise.
Auch interessant: Welche Haustiere seit Beginn der Corona-Pandemie einen Boom erleben
Neue Studie wollte frühere methodische Schwächen vermeiden
Frühere Studien zum Thema Haustier und Wohlbefinden kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Viele Untersuchungen nutzten Querschnittsdaten und konzentrierten sich auf engagierte Tierfreunde, was die Aussagekraft einschränkte. Zudem wurde Haustierbesitz oft ungenau definiert oder die Auswahl der Probanden verzerrte das Bild – etwa durch Fokus auf Menschen, die gerade einen Hund adoptieren wollten. Auch positive Effekte verschwanden häufig, wenn sozioökonomische Unterschiede berücksichtigt wurden.
Die neue Studie wollte genau diese methodischen Schwächen vermeiden. Mithilfe eines objektiven, bevölkerungsrepräsentativen Panels in Ungarn untersuchten die Forscher nicht nur kurzfristige Euphorie-Effekte, sondern auch längerfristige Veränderungen. Zudem wurden Unterschiede je nach Tierart (Hund, Katze, andere) berücksichtigt. Ein weiterer Forschungsaspekt war, ob Menschen mit geringerem Wohlbefinden eher dazu neigen, sich ein Tier anzuschaffen – also ob psychische Verfassung ein Motivator für Tieranschaffung ist.
Was wurde untersucht – und wie?
Die Studie begleitete 2783 ungarische Erwachsene über drei Zeitpunkte während der COVID-19-Pandemie (März bis Oktober 2020). Die Teilnehmer wurden aus einem repräsentativen Onlinepanel ausgewählt, das die Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Bildung und Wohnort abbildet. Ziel war es, Veränderungen im Wohlbefinden zu messen, wenn ein neues Tier in den Haushalt kam oder ein Tier verloren ging.
Die Untersuchung fokussierte sich allerdings nicht auf diejenigen, die für das Tier hauptverantwortlich waren, sondern auf Haushalte allgemein. Tieranschaffung wurde als Neuaufnahme eines Haustiers definiert, Tierverlust als dessen Wegfall (z. B. durch Tod oder Weitergabe). Die psychische Verfassung wurde mit mehreren etablierten Skalen gemessen (u. a. WHO-5-Wohlbefindensindex), und die Daten wurden standardisiert, um allgemeine Pandemie-Effekte herauszurechnen.
Nach 6 Monaten sank das Wohlbefinden bei Hundebesitzern
Nur 65 von 2783 Haushalten (2,3 %) schafften sich während der Studie ein neues Tier an, 75 Haushalte (2,7 %) verloren ein Tier. Nach der Anschaffung eines Haustiers – insbesondere in den ersten ein bis vier Monaten – stieg die Fröhlichkeit signifikant (p < 0,01). Dieser positive Effekt war jedoch nur kurzfristig messbar. Mittel- und langfristig (bis sechs Monate) zeigte sich bei Neubesitzern von Hunden ein Rückgang des Wohlbefindens in mehreren Bereichen: Aktivität, Ruhe, Lebenszufriedenheit und allgemeines Wohlbefinden nahmen ab.
Auch neue Katzenbesitzer wurden weniger aktiv. Personen, die ein anderes Tier (z. B. Nagetiere) anschafften, zeigten dagegen leicht gesteigerte Aktivität. Interessanterweise hatte der Verlust eines Haustiers – unabhängig von der Tierart – keinen messbaren Einfluss auf das psychische Wohlbefinden. Außerdem gab es keine Hinweise darauf, dass Personen mit geringem Wohlbefinden gezielt Tiere anschafften, um ihre Stimmung zu verbessern.
Haustiere verbesserten das Wohlbefinden nicht dauerhaft
Die Studie widerlegt die weitverbreitete Annahme, dass Haustiere das psychische Wohlbefinden automatisch und dauerhaft verbessern. Zwar kann ein Tier kurzfristig Freude bringen – langfristig überwiegen aber offenbar die Belastungen, insbesondere bei Hunden. Mögliche Gründe sind überhöhte Erwartungen, Herausforderungen im Alltag und mangelnde Vorbereitung auf die Verantwortung. Der Rückgang an positiver Stimmung nach der anfänglichen Euphorie könnte auch durch Enttäuschung über unerfüllte Erwartungen entstehen.
Die Ergebnisse unterstreichen, dass der sogenannte „Pet-Effekt“ kontextabhängig ist: In Krisenzeiten wie der Pandemie, mit erhöhtem Stress und Unsicherheit, wirken sich Haustiere offenbar anders aus als unter normalen Umständen. Zudem spielt die Tierart eine zentrale Rolle: Während der Besitz von Hunden eher belastet, scheinen andere Tiere neutral oder sogar leicht positiv zu wirken. Für die Forschung bedeutet dies, dass künftige Studien differenzierter und unter realitätsnahen Bedingungen durchgeführt werden müssen.
Trotz Schwächen in der Datenerhebung ist das Ergebnis eindeutig
Die Studie besticht durch ihre Methodik: Repräsentative Stichprobe, longitudinale Datenerhebung über drei Zeitpunkte, statistisch fundierte Analysen mit GLMM und Bootstrapping. Der Verzicht auf Tierenthusiasten als Zielgruppe erhöht die Aussagekraft. Dennoch gibt es Einschränkungen: Die Daten stammen aus der Pandemielage – eine Ausnahmesituation, die das emotionale Erleben stark beeinflusst haben könnte. Zudem war nicht klar, ob die Teilnehmer tatsächlich die Hauptverantwortlichen für das Tier waren.
Auch die Gruppengröße der Tiererwerber war klein (nur 65 Personen), was die Generalisierbarkeit einschränkt. Positiv ist jedoch, dass viele der erfassten Tiere von ihren Besitzern als emotional bedeutsam eingestuft wurden. Ein weiterer Punkt: Die Tierarten in der Kategorie „andere“ wurden nicht spezifiziert, was die Interpretation erschwert. Zudem fehlen Angaben zur Dauer des Tierbesitzes vor Verlust. Insgesamt bleibt das zentrale Ergebnis dennoch klar: Der oft beschworene, nachhaltige psychische Nutzen durch Haustiere ist keineswegs selbstverständlich – insbesondere nicht in herausfordernden Lebensphasen.

Beziehung zu Haustieren so wertvoll wie 84.000 Euro im Jahr

Herzen von Mensch und Pferd schlagen während tiergestützter Therapie synchron

Vor diesen Tieren haben Menschen weltweit am meisten Angst
Fazit: Wer sich ein Haustier anschafft, sollte sich nicht auf emotionale Soforthilfe verlassen
Die ungarische Langzeitstudie zeigt deutlich: Haustiere bringen kurzfristig Freude, langfristig aber nicht unbedingt mehr Wohlbefinden – besonders nicht bei Hunden. Der Verlust eines Haustiers hatte im untersuchten Zeitraum keine messbaren Effekte auf die psychische Gesundheit. Für die Forschung bedeutet das: Nur differenzierte, realitätsnahe Studien können den tatsächlichen Einfluss von Tieren auf den Menschen erfassen.
Für Tierfreunde gilt: Wer sich ein Haustier anschafft, sollte sich nicht auf emotionale Soforthilfe verlassen, sondern die langfristigen Herausforderungen im Blick behalten – und sich gut vorbereiten.