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PETBOOK-Interview

TV-Hundetrainer Andreas Ohligschläger: »Bedankt euch bei eurem Hund, wenn er euch nervt!

Porträtbild von TV-Hundetrainer Andreas Ohligschläger in seinem „Revier für Hunde“
Andreas Ohligschläger ist seit über 20 Jahren Hundetrainer und durch TV-Formate wie „Hunde verstehen!“ bekannt Foto: Andreas Ohligschläger
Porträtaufnahme von Autorin Manuela Lieflaender mit Hund Elvis
Freie Autorin

27.03.2024, 12:19 Uhr | Lesezeit: 16 Minuten

Andreas Ohligschläger ist seit über 20 Jahren Hundetrainer und durch TV-Formate wie „Hunde verstehen“ (WDR) oder „Hundetrainer-Champion“ (SAT 1) bekannt. Mit viel Empathie hilft er Menschen, die Probleme mit ihren Hunden haben, dabei, sich selbst zu verändern. Wie ihm das gelingt und welche Probleme er im Zusammenleben mit Mensch und Hund sieht, verrät Ohligschläger im großen PETBOOK-Interview.

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Wenn man jemandem den Unterschied zwischen Andreas Ohligschläger und anderen Hundetrainern erklären möchte, muss man nicht lange überlegen. Denn Ohligschläger kann nicht nur mit Hunden umgehen, sondern vor allem mit ihren Menschen. Mit viel Empathie gelingt es ihm, Menschen zum Nachdenken anzuregen und notwendige Veränderungen anzustoßen. Und das seit mittlerweile 20 Jahren.

Was nach Tiefenpsychologie klingt, trifft es am Ende auf den Punkt: Der Mensch muss sich verändern, wenn der Hund Probleme macht. PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender hat’s selbst ausprobiert. Mit Australian Shepherd Jungrüde Elvis und Lebensgefährte Volker hat sie den TV-Coach in seinem „Revier für Hunde“ in Eschweiler besucht. 

„Der Hund hat gar nicht mehr die Funktion, Hund zu sein“

PETBOOK: Andreas, was hat sich in 20 Jahren Hundetraining deiner Meinung nach geändert? Hatten die Menschen damals andere Probleme als Früher?
Andreas Ohligschläger: „Nein. In Zeiten von Social Media haben die Menschen nur viel schneller Informationen, als das noch vor 20 Jahren der Fall war. Wenn man heute eine Frage bei Google eingibt, findet man hunderte Antworten. Und in den Antworten findest du vielleicht für dich schon wieder ein neues Problem. Weniger ist mehr, ist meine Devise. Denn je verkopfter der Mensch wird, desto mehr spüren das die Hunde. Sie fühlen uns, sie denken uns nicht. Wir hingegen denken über Hunde nach. Wir trainieren sie, wir konditionieren sie und machen sie zu unseren Wegbegleitern, Sozialpartnern, Kindersatz, Partnerersatz. Der Hund hat gar nicht mehr die Funktion, Hund zu sein, wie er das irgendwann mal hatte.“

Woran fällt dir das besonders auf?
„Ich habe selbst neun Hunde aus dem Tierschutz. Einer davon ist eine Herdenschutzhündin. Sie passt hier auf die 10.000 Quadratmeter auf, das ist ihr Job. Wenn ich mit ihr in einer Reihenhaus-Siedlung wohnen würde und sie die Nachbarn verbellt, hätte ich ein Problem. In solchen Situationen gehen Menschen zum Hundetrainer, weil sie das Problem lösen wollen und nicht darüber nachgedacht haben, welche Rasse sie sich in welche Lebensumstände holen.“

Auch interessant: TV-Hundetrainer André Vogt: »Das Hauptproblem mit Hunden ist die Vermenschlichung 

Zu viel Mensch am Hund, ist ungesund

Wenn der Mensch immer verkopfter wird, was passiert dadurch mit der Psyche des Hundes?
„Die Hunde sind antisozialer geworden. Das hat auch viel mit der Corona-Zeit zu tun. Die Hundeschulen hatten geschlossen, die Leute mussten zu Hause bleiben. Sie waren viel mit ihren Hunden zusammen, was einigen Hunden sehr gutgetan hat und anderen nicht. Zu viel Mensch am Hund, ist ungesund. Das ist bei Menschen genauso. Wenn wir zu viel Zeit mit unserem Partner verbringen, kann das schädlich für die Beziehung sein.“

Wie meinst du das?
„Wenn der Mensch in die Mensch-Hund-Beziehung zu viel emotionale Bedürftigkeit hineinsteckt, dann ist der Hund schlichtweg überfordert. Eigentlich sehnen wir uns alle nach Harmonie, Zufriedenheit und Liebe. Aber durch diese ganzen Veränderungen, durch Social Media und Corona, haben wir uns verändert und dadurch verändern sich auch die Hunde.

Wir sind antisozialer im Umgang miteinander geworden. Warum das so ist: Viele Leute können besser schreiben, als sich unterhalten. Das ist mittlerweile völlig normal, dass man sich nicht mehr ausgiebig unterhält, sondern das Handy nimmt und schreibt. Die Leute gehen ins Restaurant, setzen sich an den Tisch und dann dauert es nicht lange, bis beide das Handy zur Hand nehmen.“

„Revier für Hunde“ von Andreas Ohligschläger
Das „Revier für Hunde“ von Andreas Ohligschläger liegt in Eschweiler, auf dem Gelände zwischen Hohenstein und Aue. Mit etwa 8000 qm ist es eine der größten Hundetagesstätten Deutschlands. Foto: Andreas Ohligschläger

Andreas Ohligschläger: „Die Leute würden den Hund am liebsten nach einer Betriebsanleitung erziehen“

Volker kommt mit Elvis dazu und fragt, ob er den Hund hier ohne Leine laufen lassen darf.

Andreas Ohligschläger dazu: „Ja, er kann hier laufen, solange er mich in Ruhe lässt. Die besten Freundschaften beginnen immer mit Distanz. Ich begegne einem Hund immer respektvoll. Ich finde, dass Hunde relativ zeitnah lernen sollten, vor ihren Menschen Respekt zu haben und man eine wunderbare Freundschaft aufbauen kann, wenn man sich nicht gegenseitig überschüttet. Weder mit Spiel noch mit Leckerchen, noch mit Beschäftigungstherapien oder dass der Hund zum Befehlsempfänger wird. Mittlerweile würden die Leute den Hund am liebsten nach einer Betriebsanleitung erziehen. Wenn sie den Hund bekommen, hätten sie am liebsten eine Gebrauchsanleitung mit 15 Punkten und ‚Geling-Garantie‘ dabei.“

Mittlerweile hat Volker Elvis wieder an die Leine genommen. Das passt dem Jungrüden nicht. Er ist unruhig, beißt in die Leine und fiept. Volker versucht, ihn zu beruhigen.

Andreas Ohligschläger dazu: „Wenn man dem Hund zu viel Aufmerksamkeit gibt, lernt er natürlich, dass er die immer bekommt. Egal, was er macht. Umso mehr Aufmerksamkeit er von 1, 2 oder 10 Menschen bekommt, desto mehr Dinge nimmt er sich raus. Die Menschen, die für den Hund verantwortlich sind, sagen dann plötzlich, der Hund hört nicht mehr vernünftig, springt die Leute an, bellt andere Hunde an, zieht an der Leine – jetzt gehen wir zum Hundetrainer.“

»Wenn ich Probleme abtrainieren möchte, muss ich beim Menschen anfangen

Und wenn die Hundebesitzer bei dir angekommen sind, wie geht das dann weiter?
„Der Mensch kommt dann hier her und zählt auf, welche Probleme der Hund hat. Ich sage dann zu dem Hund: ‚Komm, wir gehen mal zu den Hunden und dann erzählst du mir mal, was du von Mama und Papa hältst.‘ Und dann zeigt der Hund mir in seinen Verhaltensweisen, wer er wirklich ist, und diese Chance sollte er haben. Das ist fair. Die Menschen urteilen immer sofort und bewerten.

Wenn ich in den letzten Wochen oder Monaten Mäuschen Zuhause gewesen wäre, hätte ich gesehen, dass viele Dinge antrainiert wurden und dass die Probleme vom Menschen hausgemacht sind. Wenn man die abtrainieren möchte, muss ich ja beim Menschen anfangen und nicht beim Hund.“

Jetzt kommt der Mensch aber zu dir, weil er den Hund ändern möchte und nicht sich selbst. Wie schaffst du es, ihm klarzumachen, dass er sich selbst erst mal ändern muss?
„Als guter Coach darf man die Menschen nicht verurteilen oder von oben herab sagen: ‚ihr seid nicht dazu in der Lage, euren Hund zu erziehen.‘ Stattdessen begegnet man ihnen auf Augenhöhe, vermittelt ihnen ihre Stärke und das, was sie auch schon alles richtig machen.

Ich finde es schade, dass Menschen nicht das Positive sehen, was der Hund schon kann, sondern sich auf dieses eine Problem fokussieren und die 110 Prozent haben wollen. Da wird dann Druck aufgebaut und das merkt der Hund. Wir sind alle selbst zu sehr in dieser Leistungsgesellschaft gefangen und übertragen das auf den Hund.“

„Wir bekommen immer den Hund, an dem wir wachsen dürfen“

Wenn jemand wie ich mit seinem pubertierenden Hund zu dir kommt, was gibst du ihm mit auf den Weg?
„Wenn etwas nicht so funktioniert, sollte man das in der Pubertät nicht so verbissen sehen, sondern stattdessen in die Selbstreflexion gehen und daran denken, wie man selbst in der Pubertät war. Wir haben auch nicht immer funktioniert und das war gut so, denn wir haben dadurch gelernt, wo unsere Grenzen sind.

Ich finde, wir bekommen immer den Hund, an dem wir wachsen dürfen und den wir in bestimmten Lebensabschnitten brauchen. Wenn du dann einen Hund hast, wie Elvis, der klare Grenzen braucht, dann musst du dich fragen: ‚Wo sollte ich in meinem Leben sonst noch klarere Grenzen setzen?‘

Ihr glaubt nicht, wie viele Menschen hier hinkommen und mir davon erzählen, welche Probleme sie mit ihrem Hund haben. Ich merke jedoch schnell, dass sie Probleme auf der Arbeit, in ihrer Beziehung haben, dass sie mit sich unzufrieden sind, körperlich nicht fit oder kurz vorm Burnout stehen. Diese Probleme werden ungefiltert auf den Hund übertragen.“

PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender mit Rüden Elvis und TV-Hundetrainer Andreas Ohligschläger in seinem „Revier für Hunde“
PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender besuchte Andreas Ohligschläger in seinem „Revier für Hunde“ Foto: Manuela Lieflaender

„Meine Hunde können fast alle kein ‚Sitz‘ und ‚Platz‘“

Wie findest Du heraus, wo die eigentlichen Probleme liegen?
„Ich habe ein wunderbares Experiment gemacht. Ich frage Menschen, was ihr Hund für ein Typ wäre, wenn er unabhängig von ihnen auf der Straße leben würde. Wie wäre Deine Hündin? Würde sie nur Party machen oder wäre sie immer pünktlich zu Hause?

Manche Leute sagen dann, also meine Hündin wäre total frei. Die wäre auf vielen Partys unterwegs, würde gerne feiern. Und wenn ich den Menschen dann frage, ob er gerne feiert, sagt er: ‚Ja, total gerne. Aber ich komme in letzter Zeit nicht mehr dazu.‘ In dem Moment kommt dieser Hundebesitzer in die Selbstreflexion und ich kann ihm dabei helfen, in die Veränderung zu kommen. Der Hund wird sich ohnehin daran anpassen. Das muss man ihm nicht beibringen. Hunden muss man sowieso nicht viel beibringen. Klar, ein paar Signale, Kommandos … Meine Hunde können zum Beispiel fast alle kein ‚Sitz‘ und ‚Platz‘. Nur ein ‚Warte‘, ein ‚Komm‘ und ein ‚Go‘ – das reicht.“

Werden unsere Hunde verhaltensauffällig, weil wir Menschen uns nicht mehr ausleben?
„Ja. Ich habe von vielen Menschen gehört, dass sie viel zu viel für andere machen. Auch für ihren Hund. Sie haben sich selbst aufgegeben. Viele erzählen ihren Kummer ihren Hunden. Wenn man in die Wohnzimmer hineinschauen könnte, würde man sich wundern, wie viel Hunde auffangen müssen. Da ist es nicht verwunderlich, dass Hunde verhaltensauffällig werden.

Wir müssen bedenken, die wenigsten Hunde suchen sich ihre Menschen aus. Aber Menschen ihre Hunde. Mit dieser Entscheidung ist aber nicht jeder Hund glücklich. Erst recht nicht mit den Lebensumständen, die er vorfindet. Und da setze ich an. Ein Australian Shepherd oder ein Border Collie möchte im besten Fall hüten. Wenn er das nicht kann, ist er nicht ausgelastet. Dann hat er Langeweile und sucht sich eine andere Beschäftigung. So etwas habe ich in den letzten 20 oder 30 Jahren häufig erlebt“.

»Wer nicht bereit ist, in die Selbstreflexion zu gehen, dem kann ich nicht helfen

Bist du noch als Hundetrainer aktiv?
„Ich bezeichne mich selbst als Mensch-Hund-Coach. Mein Ansatz ist, erst zu schauen, warum sich der Hund so verhält. Was hat der Mensch zu dieser Entwicklung beigetragen? Ich gebe Wochenend-Seminare. „Coach on Tour“ heißt meine aktuelle Seminar-Reihe, die in verschiedenen Großstädten stattfindet. Ende des Jahres und Anfang nächsten Jahres ist eine große Live-Tour geplant, bei der ich abends auf die Bühne gehe. Vor anderthalb Jahren habe ich das schon ein paar Mal gemacht, im kleinen Rahmen mit 300 Leuten. Der Plan ist, das ein wenig größer aufzuziehen, weil ich meine Philosophie in die Welt tragen möchte. Das ist mir wichtig.“

Was ist denn deine Philosophie?
„Ich bin ein Sprachrohr für die Hunde. Es kann nicht darum gehen, dem Hund immer etwas abtrainieren zu wollen. Der Mensch muss seine Verhaltensweisen ändern. Wer nicht bereit ist, in die Selbstreflexion zu gehen, dem kann ich nicht helfen. Das ist wie mit dem Rauchen. Wer aufhören will, zu rauchen, der muss einfach aufhören. Alles andere funktioniert nicht.

Jeder steht in der Verantwortung, für sich selbst zu sorgen und zu gucken, dass er einen stabilen Weg geht und dies eben nicht auf die Hunde abwälzt. Und dann zum Hundetrainer geht und sagt, das müssen wir aber jetzt wegtrainieren und ich hätte gerne, dass er das und das noch kann. Ich sage dazu, wir Menschen dürfen erst mal lernen, bestimmte Dinge sein zu lassen.“

»Bedankt euch bei eurem Hund, wenn er euch nervt

Das ist der schwierigere Weg …
„Na klar. Aber wir müssen uns die Ursache anschauen und nicht die Symptome bekämpfen.  (Mit Blick auf Elvis, der am Reißverschluss unserer Jacken kaut.) Wenn ich dir jetzt sage, der kaut am Reißverschluss herum, weil er nicht akzeptiert, dass du ihm ein Signal sendest, dass er damit aufhören soll. Dann nimmt er dich nicht ernst. Warum nimmt er dich nicht ernst? Und schon sind wir im Gespräch. Wer nimmt dich sonst nicht ernst? Wie oft musst du ‚nein‘ sagen?

Die Leute sagen ‚Boah, der macht mich echt fertig, der Hund. Der nervt mich total.‘ Und ich sage: ‚Bedankt euch. Schaut genau hin!‘ Vielleicht ist er genau deswegen da, damit ihr irgendwann mal ganz klar in seinem Leben sagt: ‚Jetzt ist genug‘ – auf der Arbeit oder wo auch immer. Dann sagen die Leute vielleicht, man sei komisch geworden. Aber in Wirklichkeit ist man einfach nur konsequent mit sich.“

In dem Moment bist du Psychologe.
„In der Situation, ja.“

»Als Kind habe ich etwas erlebt, was eigentlich sehr schlecht war

Aber ist das nicht ein sehr langer Prozess, Menschen bei ihrer persönlichen Veränderung zu helfen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das in weniger als drei Monaten schaffen kann.  
„Ich habe zum Glück die Gabe, ein schnelles Auffassungsvermögen zu haben – auch was Hunde betrifft. Durch die Tausende Coachings in den letzten 20, 30 Jahren bekommst du ein Feeling dafür. Ich hatte als Kind schon ein ganz feines Gespür.“

Woher kommt dieses Gespür?
„Wenn man jetzt noch tiefer geht, habe ich als Kind etwas erlebt, was eigentlich sehr schlecht war für meine Kindheit. Auf der anderen Seite bin ich jetzt wegen dieser Geschichte, da wo ich bin. Meine Mutter war Quartals-Trinkerin, über 30 Jahre. Das habe ich in meiner Kindheit mitbekommen, habe die Flucht in die Natur angetreten. Ich war gerne als Kind alleine im Wald und habe dadurch dieses Feingefühl bekommen.

Ich habe dadurch auch ein Gespür für Menschen bekommen und gelernt, Menschen nicht zu verurteilen, sondern Verständnis aufzubringen. Das habe ich über die letzten Jahrzehnte so entwickelt und dadurch bin ich genau dahin gekommen, wo ich bin.“

„Hunde sind nicht dafür zuständig, unsere psychischen Probleme zu lösen“

Aktuelle Studien von Krankenkassen zeigen sehr deutlich, dass noch nie so viele Menschen psychische Probleme hatten wie jetzt. Das klingt nach schweren Zeiten für Hunde, oder?
„Als ich mein Burnout hatte, bin ich in die Klinik gegangen und habe mich nicht mit dem Hund auf die Couch gesetzt und ihn zugetextet. Hunde können dabei helfen, dass man spazieren geht, in der Natur unterwegs ist oder soziale Kontakte knüpfen kann. Aber sie sind nicht dafür zuständig, unsere psychischen Probleme zu lösen. Wir bringen sie dadurch in eine emotionale Abhängigkeit. Das ist letzten Endes ein Missbrauch.

Ich arbeite gerade an einer Bücher-Idee zu emotionalen Missbrauch an Hunden. Wer sich einen Hund ins Haus holt, um dadurch seine eigenen Probleme zu lösen, der schafft sich dadurch neue Probleme. Denn der Hund merkt, dass sein Mensch instabil ist und fängt an, Dinge regeln zu wollen. Das sind dann die Hunde, die auf der Straße ausflippen, die Artgenossen angreifen, die andere Hunde verletzen, Menschen angreifen und keinen mehr ins Haus lassen. Meine Aufgabe ist es, an einzelnen Stellschrauben zu drehen, Nuance für Nuance, um Raum für Veränderung zu schaffen.“

Abgesehen von den psychischen Problemen des Menschen, was sind deiner Meinung nach die größten Probleme in der Mensch-Hund-Beziehung?
„Der Kern des Problems ist immer der Mensch. Wenn der Hund bestimmte Verhaltensweisen zeigt, die dem Menschen nicht gefallen, schaut man erst mal, wer sie ihm beigebracht hat. Wenn der Hund vorher schon so gewesen ist, sollte man sich professionelle Hilfe suchen und schauen, ob man diesem Hund gerecht wird.

Ich begegne beim Spaziergang oder beim Fahrradfahren oft Menschen mit ihren Hunden, bei denen mir sofort auffällt, dass sie nicht gut füreinander sind. Wenn ich sehe, wie der jeweilige Hund ausrastet, hoffe ich nur, dass der Mensch es schafft, ihn an der Leine zu halten und frage mich, warum der Hund keinen Maulkorb trägt. Was ist, wenn er einen anderen tot beißt? Ich habe es in meiner Karriere schon erlebt, dass Leute mir sagen, ‚unser Hund hat schon zwei andere Hunde totgebissen und jetzt müssen wir was unternehmen.‘ Ich hätte mir gewünscht, man hätte vorher was unternommen. Die Leute, deren Hund totgebissen wurde, die sind jetzt für den Rest ihres Lebens traumatisiert.“

„Wo das Wissen endet, beginnt die Gewalt“

Okay, aber was sagst du jemandem, der einfach nur die Leinenführigkeit in den Griff bekommen möchte?
„Wenn du mir sagst, du hast ein Problem, weil der Hund an der Leine zieht, dann nimmt man das mal mit dem Handy auf und dann schauen wir uns gemeinsam an. Dann schauen wir aber nicht nur auf den Hund. Wir schauen auf dich. Vielleicht hast du gar keine Beziehung, sondern versuchst ihn nur zu erziehen. Und er vertraut dir gar nicht. Vielleicht hat er keinen Respekt vor dir. Vielleicht hat er Angst.

Manche Leute sagen, ‚dem muss mal gezeigt bekommen, wo es lang geht.‘ Dann denke ich mir: ‚Ach du meine Güte! Vermöbelt sie ihn, wenn keiner dabei ist?‘ Zu diesem Unterwerfen, auf den Rücken drehen, ins Ohr kneifen oder mit der Wasserpistole beschießen fällt mir nur ein: Wo das Wissen endet, beginnt die Gewalt.

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Von Hunden können wir lernen, wieder menschlicher zu sein

Bietest du noch Einzeltrainings an?
„Ich mache das nur in seltenen Fällen. Meistens machen das meine Mitarbeiter. Ich bin sehr viel im Tierschutz aktiv. Aktuell mache ich die Coaching-Tour und dann wird es dieses Jahr noch Live-Coachings geben. Die werden hier im Revier für Hunde stattfinden. Das bedeutet, zwei oder drei Hundehalter kommen als Aktive und mehrere Leute können mir beim Coaching zuschauen.

Ein anderes Programm wird sein, dass ich zum Beispiel mehrere Hunde auf der Wiese laufen lassen und die hündische Kommunikation erkläre. Viele wissen nämlich gar nicht, wie ihre Hunde ticken. Sie greifen entweder viel zu früh ein oder es ist das andere Extrem, sie lassen es zu lange laufen. Ich freue mich auf die Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz nächstes Jahr und dann wird’s noch ein paar andere Überraschungen geben. Die halte ich aktuell aber noch zurück.“

Was wünschst du dir für die Zukunft?
„Mir ist wichtig, dass die Hundehalter mehr Verständnis für die Hunde aufbauen und mehr nach ihren Bedürfnissen schauen. Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder mehr zurück zu ihren Wurzeln gehen. Einfach mal ein bisschen weniger Handy, ein bisschen mehr in die Natur. Wenn einem der Spaziergang mit dem Hund momentan keinen Spaß macht, dann geht man einfach mal alleine eine Runde durch den Wald, um vernünftige Energien zu bekommen. Dann freut sich auch der Hund. Von Hunden können wir lernen, wieder menschlicher zu sein.“

Themen Hundeverhalten
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