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Zeichen von Unsicherheit

Freudenpipi beim Hund – was bedeutet das und was kann man dagegen tun?

Freudenpipi Hund
Oft hat das sogenannte Freudenpipi beim Hund mit Freude nichts zu tun. Was wirklich dahinterstecken kann, erklärt PETBOOK. Foto: Getty Images / Capuski
Sonja Jordans

09.04.2024, 06:06 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Manch Hundehalter kennt das: Man trifft auf Bekannte, die den Hund freudig begrüßen und zack, hinterlässt er eine Urinpfütze unter sich. Auch bei Begegnungen mit anderen Hunden verliert der eigene Vierbeiner vor lauter Aufregung plötzlich Harn. „Freudenpipi“ nennen Hundehalter dieses Verhalten meist. Doch woher kommt es, dass ein Hund in bestimmten Situationen plötzlich Urin abgibt? Geschieht das tatsächlich aus Freude oder steckt vielleicht sogar eine Krankheit dahinter? Und wie kann man dem Hund das wieder abgewöhnen? PETBOOK informiert.

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Wer bei Eva Kaiser (Name geändert) an der Haustür klingelt, wird von der Bewohnerin mit Eimer und Wischlappen in der Hand empfangen. Der Grund ist Mischlingshündin Luna. Sobald sie Besucher erblickt und begrüßt wird, hinterlässt sie eine kleine Urinpfütze auf dem Boden im Flur. „Und zwar wirklich jedes Mal“, sagt Eva. „Zum Glück ist hier gefliest.“ Doch außer der Tatsache, dass Eva stets zum Putzlappen greifen muss, sobald Besuch ihre Wohnung betritt, ist ihr diese Eigenart Lunas auch ziemlich unangenehm. „Manche Leute denken, mein Hund wäre nicht stubenrein und er würde auch sonst überall hinmachen.“ Das stimme aber absolut nicht. „Luna pinkelt nur in den Flur, wenn Besuch kommt und sie sich freut, ansonsten ist sie stubenrein.“

Dennoch verzichtet Eva Kaiser öfter auf Besuch, als ihr lieb ist. Auch könne sie Luna meist nicht mitnehmen, wenn sie selbst Freunde oder Familienmitglieder besucht. „Nicht, dass sie sich dort dann auch so sehr freut, dass hinterher eine Pfütze im Wohnzimmer ist“, so Eva. Auch Geschäfte oder Cafés sind wegen Lunas Hang zum Freudenpipi tabu. Da der knapp acht Jahre alte Mischling ein Erb-Hund ist, weiß Eva nicht, wann und wie Luna dieses Verhalten entwickelt hat. „Aber ich fände es wirklich schön, wenn ich ihr das abgewöhnen könnte, es nervt gewaltig.“

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Woher kommt das sogenannte Freudenpipi beim Hund?

Die gute Nachricht: Eine ernsthafte Erkrankung steckt in der Regel nicht dahinter. Die schlechte: Mit „Freude“ hat das Urinieren allerdings auch meist nichts zu tun, obgleich Menschen die Urinabgabe oft so interpretieren. Meist sind Aufregung und Unsicherheit die Ursache, wie zahlreiche Hundeexperten übereinstimmend sagen. Zwar können auch eine Harnwegsinfektion oder Inkontinenz Gründe für den Harnverlust sein. Dann aber uriniert das Tier nicht nur in aufregenden Situationen oder wenn Besuch kommt.

Urinverlust bei Harnwegsinfektionen tritt zudem meist plötzlich auf. Zudem zeigt der Hund dann auch andere Verhaltensweisen, leckt sich, winselt vor Schmerzen oder hat Blut im Urin. Besteht der Versacht, dass der Hund eine Harnwegsinfektion hat oder unter Inkontinenz leidet, gehört er in tierärztliche Behandlung. In allen anderen Fällen gilt: Mit Training kann man seinem Hund das vermeintliche „Freudenpinkeln“ abgewöhnen. Doch hierbei ist Geduld und Selbstdisziplin der Halter gefragt.

Pinkeln meist aus Unsicherheit und Unterwürfigkeit

Unsicherheit ist die Hauptursache für Urinpfützen im Flur. Besonders deutlich ist das bei Welpen zu sehen: Sie geben oft kleinere Mengen Urin ab, wenn ein erwachsenes, dominanteres Tier sich ihnen nähert und an ihnen schnuppert. Für den Welpen ist das ein Schutzmechanismus. Der erwachsene Hund wisse dann, dass er es mit einem Welpen zu tun hat und lässt ihn in Ruhe. Meist lässt sich dieses Verhalten abtrainieren, sobald der Welpe älter wird und es auch sonst mit der Stubenreinheit klappt. Welpen können außerdem ihre Blase noch nicht so kontrollieren wie erwachsene Tiere, daher passieren ihnen „Malheure“ deutlich öfter.

Manchmal pinkeln aber auch erwachsene Hunde wie die etwa acht Jahre alte Luna noch vermeintlich als Freude los. Dann hat sich das Verhalten eingeschlichen, meist, weil Tierhalter nicht oder nicht angemessen auf diese Reaktion des Hundes reagiert haben. Oftmals schenken sie dem Hund besondere Aufmerksamkeit, nachdem er eine Pfütze im Flur hinterlassen hat. Sie beschäftigen sich mit ihm, wischen die Spuren weg und reden auf ihr Tier ein. Dadurch allerdings lernt der Hund vor allem eins: Mache ich in den Flur, schenkt man mir Aufmerksamkeit. Dadurch kann es passieren, dass er sein Verhalten bei nächster Gelegenheit wiederholt.

Beschwichtigungsgeste auch bei älteren Hunden

Pinkeln ältere Hunde etwa, wenn sie auf Besucher treffen, sollten Halter auf die Körpersprache ihres Tiers achten. Freude zeigt sich durch lockeres Wedeln mit der Rute, freundlich nach vorn gerichtete Ohren und eine offene, zugewandte Körperhaltung. Duckt sich der Hund jedoch weg, wenn er begrüßt wird, klemmt die Rute ein, legt die Ohren an, wirft sich vielleicht noch auf den Rücken und präsentiert seinen Bauch, so hat das nach Hundesprache nichts mit Freude zu tun. „All dies sind Hinweise auf beschwichtigendes Verhalten, das in erster Linie einen Konflikt vermeiden und aggressives Verhalten des anderen dämpfen soll“, erklärt etwa Hundetrainerin Valérie Pöter in einem Online-Beitrag für Hundeexperte Martin Rütter.

In bestimmten Situationen zeigten Hunde dieses Verhalten dann auch gegenüber Menschen. Meist geschieht das, weil sie sich über den Hund beugen, ihn von oben anfassen oder laut auf ihn einreden. Empfindet der Hund das als bedrohlich, zeigt er Beschwichtigungsgesten, zu denen mitunter auch das von Menschen fehlinterpretierte „Freudenpipi“ gehört. „Das Urinabsetzen ist in dieser Situation eine infantile, also kindliche Verhaltensweise“, schreibt Pöter. Ziel sei es, den bedrohlichen Hund – oder in diesem Fall den als bedrohlich wahrgenommenen Menschen – von sich abzulenken. „Luna ist auch eher ängstlich, stammt ursprünglich aus dem Tierheim und niemand weiß genau, was sie erlebt hat“, sagt auch Eva Kaiser über ihr Tier.

Wie kann man dem Hund „Freudenpipi“ abgewöhnen?

So schwer es auch fällt: durch konsequentes Ignorieren. Den Hund nicht begrüßen und sich vor allem nicht über ihn beugen. Hunde, die ängstlich und unsicher sind, könnten sich durch das Anfassen von oben herab bedroht fühlen, was dann zum Harnverlust führt. Auch streicheln, knuddeln oder ansprechen sind zur Begrüßung tabu. Das muss zwingend auch Besuchern und den Haltern anderer Tiere erklärt werden, wenn der Hund etwa bei Begegnungen mit anderen Vierbeinern unter sich macht.

Wichtig dabei ist tatsächlich die Konsequenz. Wird der Hund heute ignoriert, am nächsten Tag aber wieder begrüßt oder getätschelt, wird das nicht nur nichts helfen, sondern die Situation womöglich noch verschlimmern. Und auch der Griff zu Eimer und Putzlappen sollte zunächst unterbleiben. Denn das sofortige Wegwischen der Urinpfütze schenkt dem Tier wieder Aufmerksamkeit und sorgt dafür, dass er und sein Verhalten im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Zwar dürfte das Hundehaltern besonders schwerfallen, vor allem, wenn sich das Tier auf dem schönen Parkettboden erleichtert hat. Dennoch sollte erst gewischt werden, wenn sich die Situation beruhigt hat und der Hund wieder entspannter ist.

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Kein überschwänglicher Abschied, keine stürmische Begrüßung

Pinkelt der Hund nur, wenn die eigenen Halter nach Hause kommen, sollte schon das Verlassen des Hauses nach bestimmten Regeln ablaufen. Hierbei gilt: So ruhig wie möglich bleiben. Wer seinen Hund mit vielen Worten, zahlreichen Streicheleinheiten und Gesten verabschiedet, signalisiert ihm womöglich eine stressige Situation. Ist das Tier ohnehin ungern alleine und angespannt, wenn seine Halter nicht da sind, verbessern solche Abschiedszeremonien die Situation nicht. Fällt dann die Begrüßung bei der Rückkehr stürmisch und überschwänglich aus, hinterlässt der Hund schnell wieder eine Pfütze im Flur. Am besten sollte man das Haus ohne großes Aufheben verlassen und ebenso ruhig zurückkommen.

Mitunter kann es auch helfen, wenn der Hund während der Abwesenheit seiner Halter nur einen begrenzten Platz zur Verfügung hat, an dem er sich sicher und wohl fühlt. Das kann etwa das Wohnzimmer oder Schlafzimmer sein. Kommen die Halter zurück, begrüßen sie ihr Tier erst, wenn es ruhig ist und beispielsweise in seinem Körbchen liegt. Ein eigenes Zimmer kann auch helfen, falls der Hund nur unter sich macht, wenn Besuch kommt: Das Tier darf die Gäste erst begrüßen, wenn er sich beruhigt hat und die Besucher selbst Platz genommen haben.

Nicht schimpfen oder bestrafen

Ganz wichtig: Hinterlässt der Hund eine Pfütze bei der Begrüßung oder wenn Besucher das Haus betreten, sollte er weder bestraft noch getadelt werden. Erstens schenkt ihm das wieder Aufmerksamkeit, die tunlichst vermieden werden sollte. Zweitens hilft es einem Hund nicht, der aus Unsicherheit unter sich macht, sich zu entspannen. Der Vierbeiner hat ohnehin Angst und fühlt sich unwohl, sonst würde er die Reaktion nicht zeigen. Wird er jetzt noch getadelt oder gar laut angesprochen, verschlimmert sich die Lage für ihn nur noch. Das Tier hat noch mehr Angst und wird das Urinieren dadurch nicht unterlassen. Bei Welpen hilft es, regelmäßiger Gassi zu gehen und das Tier beispielsweise zu loben, wenn es sich draußen erleichtert hat, um ihn stubenrein zu bekommen.

Fazit: Das sogenannte Freudenpipi beim Hund hat mit Freude in aller Regel nichts zu tun. Bei erwachsenen Hunden ist es eine Geste der Unsicherheit und Beschwichtigung, die noch aus der Welpenzeit übrig geblieben ist. Mit Geduld und Konsequenz lässt sich dieses Verhalten auch bei älteren Tieren abtrainieren. Zeigt der Hund jedoch Schmerzen beim Wasserlassen oder tritt der Harnverlust plötzlich auf, sollte unbedingt tierärztlicher Rat eingeholt werden.

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Quellen


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