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Erziehungstipps

Medical Training für Hunde – so bereiten Sie ihr Tier für den Besuch beim Tierarzt vor

Durch effektives Medical Training kann der Hund auf typische Stresssituationen wie Tierarztbesuche bestens vorbereitet werden.
Durch effektives Medical Training kann der Hund auf typische Stresssituationen wie Tierarztbesuche bestens vorbereitet werden. Foto: Getty Images

31.10.2023, 06:12 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Irgendwann muss jeder Hund einmal Tabletten, Augentropfen oder eine Spritze bekommen. Das löst bei vielen Tieren Stress aus. Aber auch schon bei Untersuchungen wie in die Ohren schauen, Herz abhören oder den Bauch abtasten, gibt es oft Gegenwehr. Mithilfe von Medical Training kann man seinen Hund an solche Untersuchungen spielerisch heranführen.

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Viele Körperpflegemaßnahmen wie Bürsten, Baden oder Krallen schneiden sind für hunde komplett ungewohnt. Aber auch Untersuchungen beim Tierarzt oder die Gabe von Medikamenten können bei den Tieren Angst, Stress und massive Gegenwehr auslösen. Bevor es zu traumatischen Erlebnissen kommt, sollte man mit seinem Hund ein sogenanntes „Medical Training“ absolvieren. Dabei werden die Vierbeiner mit einfachen Tipps und Tricks an solche Situationen mit positiver Verstärkung herangeführt und daran gewöhnt. Wie das geht und wie die Gabe einer Tablette, Augentropfen oder Zecken entfernen zur Selbstverständlichkeit werden, erklärt Gesundheitsberaterin für Hunde, Philine Ebert von PETBOOK.

Was versteht man unter Medical Training?

Medical Training bezeichnet zusammenfassend das gezielte Vorbereiten von Tieren auf alle Handlungen und Erfahrungen, die sie im Zusammenhang mit tierärztlichen oder pflegerischen Maßnahmen erleben können. Um das zu erreichen, bedient man sich bewusst der klassischen, operanten Konditionierung. Was genau hinter diesem Fachbegriff steckt, schauen wir uns gleich an. Ziel ist es, den Stress für den Hund während einer Untersuchung beim Tierarzt etwa, möglichst zu minimieren.

Dieses Training kann bei allen Tieren angewendet werden, im Idealfall bereits im Welpenalter. Mit Medical Training gehen Haustiere freiwillig und entspannter zum Tierarzt oder Hundefriseur und lassen sich dort stressfrei untersuchen und behandeln.

Wie funktioniert Medical Training?

Die wichtigsten Grundlagen für das Medical Training sind Konditionierung und Gegenkonditionierung. Konditionieren bedeutet das Lernen bzw. Verknüpfen von Reizen. In der Praxis heißt das, einen zunächst neutralen Reiz wie das Berühren der Pfote mit einem positiven, angenehmen Reiz, etwa einem Leckerli, zu kombinieren. Auch Clickertraining eignet sich dafür hervorragend.

Damit das Medical Training klappt, sollte der Hund die grundlegenden Kommandos des Gehorsams – also Sitz, Platz, Pfote geben, Kopf- oder Kinnablegen und die Seitenlage – beherrschen. Dann fallen dem Tier viele Berührungen, Untersuchungen oder Behandlungen von Haus aus leichter.

Denken Sie bei allen Übungen daran, jeden kleinen Fortschritt und jede abgeschlossene Übung sofort zu belohnen. Dazu eignen sich kleine Trainingsleckerlis oder etwas ganz Besonderes, das der Hund nur für dieses Training bekommt (Trainingswurst, Käse, Obst, Gemüse etc.).

Übung 1: Berühren üben

Was der Hund am besten schon von klein auf beherrschen sollte, ist Berührungen am ganzen Körper zuzulassen. Das übt man idealerweise nach dem Spazierengehen, damit der Hund ausgelastet ist.

Ein Handtuch eignet sich nicht nur zum Abtrocknen, sondern kann auch im trockenen Zustand nützlich sein um Berührungen von Bauch, Beinen, Schenkelinnenseiten, Pfoten und Kopf zu üben. Die Pfoten können dabei durch Anheben auf eventuelle Verletzungen kontrolliert werden. Ohne dass es dem Hund besonders auffällt, können dabei auch die Augen, Ohren, Ohrinnenseiten, Nase und Maul inspiziert werden.

Dass Berührungen am ganzen Körper vom Hund zugelassen werden, sind später auch die Grundvoraussetzung für die Gabe von Medikamenten, wie Tabletten, Saft, Spray, Tropfen, Augentropfen, Ohrentropfen oder Salben sowie das Anlegen von Verbänden.

Übung 2: Maul öffnen und Zähne kontrollieren

Das Maul zu öffnen und den Fang zu kontrollieren ist wichtig, um regelmäßig Zähne, Zahnfleisch, Zunge und den Rachenraum zu begutachten. Das funktioniert gut, wenn der Hund den Kopf abgelegt hat. Im Idealfall liegt der Kopf auf dem Oberschenkel des Halters, während dieser sitzt, ansonsten auch auf einem Stuhl oder einer Lehne. Sobald der Hund diese Übung beherrscht, kann man das Maul mit beiden Händen jeweils mit Daumen und Mittelfinger öffnen.

Übung 3: Augen und Ohren kontrollieren

Ohren und Augenkontrolle sollten ebenfalls von Anfang an dazu gehören. Das vorsichtige Hochschieben des oberen Augenlids oder den richtigen Winkel zum Gehörgang des Ohrs zu finden, lässt man sich am besten von einem Fachmann zeigen. Durch regelmäßiges Auswischen der Ohren und eine kurze Massage um die Ohrmuschel herum gewöhnt sich der Hund bereits an eventuelle Behandlungen, wie etwa Ohrentropfen.

Übung 4: Geräusche und Gerüche kennenlernen

Für unbeschwerte Besuche beim Tierarzt oder Hundefriseur ist es ratsam, den Hund schon vorab an die Geräusche die ihn dort erwarten zu gewöhnen. Je selbstverständlicher und vertrauter sie sind, umso weniger Probleme wird es in der entsprechenden Situation später geben.

Dazu lässt man Geräte wie Föhn, Haarschneide- oder Schermaschine in der Nähe des Tieres laufen. Optional kann man dem Hund dabei immer mal wieder tolle Leckerli anbieten. So bekommt der Hund schon mal mit, wie eine Schere beim Schneiden klingt, eine Maschine vibriert oder sich eine Bürste anfühlt, wenn sie nicht benutzt werden. Gleichzeitig verknüpft er diese Geräusche mit etwas Positivem, wenn er Leckerli dabei bekommt. Je weniger ungewöhnlich solche Geräte oder die damit verbundenen Geräusche sind, umso unproblematischer ist später der Gebrauch.

Übung 5: Zur Seite legen

Für die Zeckenkontrolle, zum Bürsten oder auch Behandlungen von Tierarzt und Hundefriseur muss der Hund oftmals liegen. Das lernt der Vierbeiner am besten, indem man ein Tuch, seine Lieblingsdecke oder ein Kissen in der entsprechenden Größe auf den Boden legt. So kann er sich in vertrauter Umgebung hinlegen und fühlt sich dabei sicher. Als Besitzer können Sie sich auch dazu legen, oder alternativ über Sitz oder Platz und dann „Umlegen“ dieses Kommando trainieren.

Auch Bürsten kann hilfreich sein, denn währenddessen legen sich Hunde fast immer von selbst hin. In dieser Position lässt sich eine Kontrolle nach Zecken oder anderen Parasiten auch mit einer kleinen Hundemassage verbinden. Der Bauch ist die empfindlichste Partie und sollte behutsam erkundet werden.

Damit das Hinlegen später auch auf einem Untersuchungstisch klappt, kann man diese Grundübung zusätzlich auf einem niedrigen Tisch oder einer Erhöhung (z. B. Palette) üben.

Tierarzt- und Hundefriseurbesuch üben

Das Stehen auf dem Tisch, das Hinlegen und dass der Hund sich überall anfassen lässt ist die beste Vorbereitung für den Besuch beim Tierarzt oder Hundefriseur.

Ein Hund, der das erste Mal in eine ungewohnte Umgebung kommt, ist durch die Gerüche, fremde Menschen oder andere Tiere im Wartebereich verunsichert. Es empfiehlt sich, vorab den Weg dort hin zu üben und kurz in die Praxis bzw. den Wartebereich hinein- und wieder hinauszugehen. Die meisten Tierärzte haben damit kein Problem und unterstützen solch ein Training gerne

Wichtig ist, den Hund dabei zu belohnen. So werden Weg und Erfahrung nicht nur zu etwas alltäglichem, der Hund verknüpft diese auch mit etwas Positiven. Wichtig ist, das Training unbedingt beizubehalten, nachdem der erste richtige Termin gemeistert ist.

Tabletten, Saft oder Tropfen geben

Lässt sich die Tablette (am Besten zerkleinert) unter das Futter mischen, muss der Hund sein Futter nur normal fressen. Da viele Tabletten jedoch einen speziellen Geruch und Geschmack haben, wird das Futter dann oft verweigert oder die Tablette wieder ausgespuckt. In diesen Fall gibt es spezielle Leckerlis mit einer Einkerbung, in denen die Tablette versteckt werden kann.

Um den Geschmack zu neutralisieren, kann man seinen Hund mit auch mit einem einfachen Trick überlisten: Geben Sie ihm erst ein normales Leckerli, dann das mit der Tablette gefüllt und danach sofort wieder ein normales. Die meisten Hunde bemerken überhaupt nicht, dass eine Tablette versteckt war. Bei einer regelmäßigen Einnahme von Medikamenten kann das ganze noch mit einem Ritual verknüpft oder ins Spiel integriert werden.

Sollte das nicht funktionieren, kann die Tablette auch aufgelöst und mit einer Pipette, Eingabehilfe oder Einwegspritze ins Maul gegeben werden. Die Gabe von Saft (z.B. Hustensaft) oder Tropfen, die nicht über das Futter oder Wasser angenommen werden, funktioniert z. B. auch in einer ausgehöhlten Hundewurst als Snack getarnt.

Ohrentropfen und Augentropfen geben

Um solche Tropfen erfolgreich und richtig dosiert zu verabreichen, muss der Hund stillhalten. Mit den Grundlagen aus uneingeschränkter Berührung und den Übungen Sitz, Platz und Kopf- bzw. Kinnablegen kann das gut funktionieren.

Der Hund befindet sich dabei am besten in der Position Sitz. Im Bereich der Augen schiebt man das obere Augenlid sanft nach oben und tropft die entsprechende Menge an Tropfen ins Auge.

Bei den Ohren verhält es sich ähnlich. Das Ohr wird leicht hochgezogen und die Tropfen dann direkt in den Gehörgang gegeben. Danach schüttelt sich der Hund reflexartig, darum sollten die Tropfen möglichst gleich nach der Anwendung einmassiert werden.

Sollten Sie sich die Gabe von Augen- oder Ohrentropfen die ersten Male nicht zutrauen, lassen Sie sich die richtige Methode von einem Tierarzt oder Tierheilpraktiker zeigen.

Krallen schneiden und Verband anlegen

Zum Krallen schneiden kann der Hund stehen oder liegen. Die Position wählt man nach Toleranz und Duldsamkeit des Tieres aus und baut die Krallenpflege als regelmäßiges Ritual ein.

Einen Pfotenverband richtig anzulegen, muss professionell erklärt und geübt sein, damit die Zehen nicht wund gelaufen werden und die Bewegungsabläufe stimmen. Um aber im akuten Notfall eine Blutung zu stoppen oder einen Verband bis zum Arzt oder Klinik anlegen zu können, sollte der Hund auch im Sitz die Pfote ohne Gegenwehr geben können und möglichst stillhalten.

Bei allen Arten von Behandlungen kann eine vertraute zweite Person zur Hand gehen. Damit das für den Hund im Akutfall keine Bedrohung darstellt, sollte es von Anfang an geübt werden. Optimalerweise sollten beide Personen auch unabhängig voneinander das Medical Training mit dem Hund beherrschen und praktizieren können.

Auch interessant: Welchen Tieren muss man die Krallen schneiden?

Positive Effekte des Medical Trainings:

  • Die Hund-Mensch-Beziehung wird trotz medizinischer oder pflegerischer Behandlungen positiv beeinflusst.
  • Spaß am Training und positive Verstärkung der Bindung tragen zum Wohlbefinden des Hundes bei.
  • Die angstbedingte Aggression und die damit verbundene Gefahr von Verletzungen (des Halters oder Behandlers) wird minimiert. Der Halter kann sein Tier im Alltag selbst kontrollieren.
  • Geht der Hund bereitwillig zum Tierarzt und lässt sich auch vom Halter freiwillig untersuchen, können gesundheitliche Probleme oder Krankheiten rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Fazit

Medical Training lässt sich durch einfache Übungen von Anfang an in den Alltag einbauen. Je selbstverständlicher Geräte, Geräusche, Berührungen, Untersuchungen oder Behandlungen für den Hund sind, umso einfacher, stressfreier und ungefährlicher ist später der Umgang damit. Indem man das Medical Training regelmäßig in Übungs- oder Trainingssequenzen integriert, stärkt man die Bindung und festigt die Vertrauensbasis. Viele Situationen, die eventuell auch einmal unerwartet entstehen, können dann gemeinsam ohne Angst und Stress für den Vierbeiner gemeistert werden.

Meine Erfahrung als Hundemama

„Ich kann jedem Hundehalter, der keine Erfahrungen mit Medical Training hat, nur ans Herz legen, von klein auf eine gute und vertrauensvolle Bindung zu seinem Hund aufzubauen. Entsprechende Erziehung, Training und ein angstfreies und stressfreies Miteinander sind die Grundlage für Berührungen, Untersuchungen oder auch eine Behandlung von Dritten, wie einem Tierarzt oder Hundefriseur. Mir persönlich hat ein Erste-Hilfe-Kurs für Hunde Sicherheit in Bezug auf die richtigen Techniken, anatomische Fragen oder Akutmaßnahmen gegeben und ich kann einen solchen Kurs jedem Hundebesitzer nur empfehlen.“Philline Ebert, PETBOOK-Autorin und Gesundheitsberaterin für Hunde
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Quellen

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