17. Juni 2025, 10:51 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sie ist kaum noch wegzudenken: Künstliche Intelligenz. Auch im Alltag vieler Hundehalter ist sie in Form von Kamerasystemen, GPS-Trackern für das Halsband oder Verhaltensanalyse-Apps eingezogen. Wie sinnvoll diese Technologien sind, schätzt Hundetrainerin Katharina Marioth ein.
Hundetraining im Jahr 2025 steht an der Schwelle zu einer digitalen Revolution. Neben klassischen Methoden und bewährtem Wissen halten zunehmend technologische Helfer Einzug in den Alltag von Hundetrainern. Besonders die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) sorgen für Bewegung in der Szene: Von smarten Halsbändern über Apps mit Analysefunktionen bis hin zu KI-gestützten Verhaltenserkennungen – der Markt boomt. Doch wie sinnvoll sind diese Technologien wirklich? Können sie klassische Trainingsmethoden ersetzen oder nur ergänzen und wie wirkt sich Künstliche Intelligenz auf die Mensch-Hund-Beziehung aus?
Was ist eigentlich künstliche Intelligenz im Hundekontext?
Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet Systeme, die eigenständig Daten analysieren, Muster erkennen und daraus lernen können. Im Hundekontext bedeutet das zum Beispiel: Ein Halsband erkennt über integrierte Sensoren den Aktivitätsgrad des Hundes und sendet Daten an eine App. Diese interpretiert Bewegungsmuster, erkennt Stressphasen oder Schlafverhalten und gibt Handlungsempfehlungen – individuell und lernfähig.
Einige Systeme nutzen sogar maschinelles Lernen, um zu verstehen, in welchen Situationen ein Hund vermehrt bellt oder sich unruhig verhält – etwa bei Trennungsstress, bei Besuch oder bei Veränderungen in der Umgebung. Die gesammelten Daten ermöglichen eine präzisere Einschätzung des Verhaltens als es eine Momentaufnahme im Trainertermin je könnte. Kombiniert mit Videoanalysen oder akustischer Auswertung entsteht ein umfassendes Bild vom Hundeverhalten im Alltag.
Technologien im Überblick: Was gibt es schon?
Die Bandbreite an Tools und Gadgets wächst rasant. Hier ein Überblick über gängige Technologien von Künstlicher Intelligenz für Hunde:
- Smarte Halsbänder und Tracker: Diese Geräte messen Bewegung, Herzfrequenz, Temperatur, Schlafphasen und erkennen teilweise auch Lautäußerungen wie Bellen oder Winseln. Sie liefern in Echtzeit Daten an eine App.
- Verhaltensanalyse-Apps: Mithilfe von KI-gestützten Algorithmen erkennen Apps Muster im Verhalten, dokumentieren Trainingsverläufe und geben Tipps zur Optimierung.
- KI-gestützte Kamerasysteme: Diese analysieren Bewegungsabläufe des Hundes in der Wohnung oder im Garten und schlagen Alarm bei auffälligem Verhalten (z. B. exzessives Bellen oder zielloses Umherlaufen bei Trennungsangst).
- Digitale Trainingsbegleiter: Plattformen mit individualisierten Trainingsplänen, die sich an das Fortschrittstempo des Mensch-Hund-Teams anpassen.
Vorteile für den Alltag
Für viele Halter bietet der technologische Fortschritt eine wertvolle Ergänzung. Besonders Menschen mit wenig Trainingserfahrung profitieren von unterstützenden Tools, die Verhaltensanalysen anschaulich visualisieren. Durch Erinnerungen und Fortschrittsdiagramme wird das Training strukturierter und motivierender.
Auch für Hundetrainer eröffnen sich neue Möglichkeiten: Trainingserfolge lassen sich dokumentieren, Veränderungen im Verhalten objektiv nachverfolgen und Halter besser in den Prozess einbeziehen. „Gerade bei verhaltensauffälligen Hunden kann es entscheidend sein, objektive Daten zu haben“, erklärt Katharina Marioth. „Oft zeigen Hunde im Training ein anderes Verhalten als zu Hause – hier helfen Wearables enorm.“
Zudem ermöglichen KI-Systeme auch die Fernbetreuung von Kunden. Trainer können Verhaltenstracker und Videoanalysen auswerten, ohne ständig vor Ort zu sein. Das spart Zeit und macht Betreuung flexibler – besonders hilfreich für Menschen in ländlichen Regionen oder mit eingeschränkter Mobilität.
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Praktisches Beispiel aus dem Trainingsalltag
Ein typisches Beispiel: Ein Hund zeigt zu Hause ständiges Bellen und Unruhe, während er sich in der Hundeschule unauffällig und ruhig verhält. Die Halterin fühlt sich unverstanden, weil der Trainer den Hund nie „in Aktion“ erlebt. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz, wie etwa mit einem smarten Halsband kann mit akustischer Analyse dokumentiert werden, wann und in welchen Situationen das Verhalten des Hundes auftritt.
Die Auswertung zeigt, dass der Hund besonders bei bestimmten Außengeräuschen oder zur Dämmerung unruhig wird. Ergänzend liefert die Kamera Hinweise auf ein Bewegungsmuster, das auf Trennungsstress schließen lässt. Mit diesen objektiven Daten kann das Training gezielter angesetzt werden – in diesem Fall durch gezielte Gegenkonditionierung auf Außenreize und ein angepasstes Entspannungsprogramm.
Die Grenzen der Technik
So hilfreich diese Technologien auch sind – sie ersetzen niemals die menschliche Intuition, Erfahrung und Empathie. Viele Daten sind interpretierbar – zum Beispiel kann erhöhte Aktivität auf Stress, aber auch auf Spielfreude hindeuten. Ohne Kontext bleibt die Technik oft oberflächlich. Die Qualität des Trainings hängt maßgeblich davon ab, wie die Daten interpretiert und in die Beziehungsarbeit eingebettet werden.
Die emotionale Beziehung zwischen Mensch und Hund lässt sich nicht digitalisieren. Körpersprache, Stimmung, Vertrauen – all das sind feinfühlige Prozesse, die Technik allein nicht erfassen kann. „Technik darf niemals zum Ersatz für echte Kommunikation mit dem Hund werden“, warnt Marioth. „Sie ist ein Werkzeug – aber kein Ersatz für Achtsamkeit, Präsenz und Führung.“
Datenschutz und ethische Fragen
Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach Datenschutz und ethischer Vertretbarkeit: Was passiert mit den gesammelten Daten? Wer hat Zugriff darauf? Wie werden diese Daten gespeichert, verarbeitet und eventuell kommerziell genutzt?
Einige Hersteller arbeiten mit Cloudsystemen, die nicht transparent darlegen, wo genau die Daten gespeichert werden oder ob sie weitergegeben werden. Gerade bei sensiblen Informationen wie Standortdaten, Gesundheitsparametern oder Videoaufnahmen ist Vorsicht geboten.
Ich plädiere daher für einen verantwortungsbewussten Umgang und empfehle Ihnen, nur Geräte zu nutzen, die transparent mit ihren Datenschutzrichtlinien umgehen, auf europäische Standards achten und die Möglichkeit bieten, Daten lokal zu speichern oder gezielt zu löschen.
Auch ethisch gilt es, sich selbst zu hinterfragen: Dürfen wir das Verhalten unseres Hundes permanent überwachen? Wie sehr vertrauen wir noch auf unsere eigene Wahrnehmung, wenn uns ein Gerät etwas anderes sagt? Und wann beginnt Kontrolle, das Vertrauen zu ersetzen?

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Zwischen Fortschritt und Verantwortung
Künstliche Intelligenz im Hundetraining ist kein kurzfristiger Hype – sondern eine ernstzunehmende, dynamische Entwicklung, die viele Chancen birgt. Wenn sie sinnvoll eingesetzt wird, kann sie Mensch und Hund gleichermaßen entlasten, Training strukturieren und Verhalten besser verständlich machen.
Voraussetzung: Der Mensch bleibt in der Verantwortung – nicht die Technik. Vertrauen, Beziehung und Präsenz sind durch kein Gerät ersetzbar. Wer KI als Unterstützung begreift und nicht als Allheilmittel, kann mit ihr das Beste aus zwei Welten verbinden: smarte Analyse und echte Verbindung.
Zur Autorin
Katharina Marioth ist Gründerin der Marke Stadthundetraining und des KEML-Prinzips. Sie ist IHK- und behördlich-zertifizierte Hundetrainerin und Verhaltensgutachterin für gefährliche Hunde des Landes Berlin. In ihrem Daily Business arbeitet sie eng mit Veterinären, Wissenschaftlern und anderen Spezialisten zum Thema Hund zusammen. Mit Ihrem Wissen und Können konnte sie sich in der Sat.1-Sendung „Der Hundetrainer-Champion“ den Titel der Hundetrainerin des Jahres 2023 sichern.