
8. Juli 2025, 15:23 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Normalerweise geht von Honigbienen keine Gefahr aus. Doch in bestimmten Situationen greifen auch lammfromme Völker plötzlich an. So kürzlich geschehen in Frankreich, wo Bienenvölker auf einem Hoteldach 24 Menschen attackierten. Doch warum griffen die Insekten plötzlich an? PETBOOK-Redakteurin Saskia Schneider ist Biologin und Imkerin und erklärt mögliche Gründe.
Nachrichten über Bienen, die Menschen attackieren, kommen in der Regel aus Amerika, wo die sogenannten „Killerbienen“ immer wieder für Schlagzeilen und Todesfälle sorgen. Umso ungewöhnlicher ist die Meldung eines Vorfalls in Frankreich, wo Honigbienen eine halbe Stunde lang Menschen in der Stadt Aurillac auf der Straße angriffen.
Die Bienenvölker standen auf einem Hoteldach und verletzten insgesamt 24 Menschen – drei davon mussten wegen allergischer Reaktionen im Krankenhaus behandelt werden, wie das regionale Zeitungsmagazin „La Montagne“ berichtete. Dabei handelte es sich weder um berüchtigte Killerbienen noch um besonders aggressive Völker. Die Bienenstöcke standen bereits seit zehn Jahren dort. Warum attackierten die Bienen also plötzlich Menschen?
Sind manche Honigbienen besonders aggressiv?
Die Bienenart, die Imker hier in Europa halten, ist die Europäische Honigbiene, Apis mellifera. Sie gilt als sanftmütig, obwohl es – wie bei allen Lebewesen – individuelle Unterschiede geben kann. So sind manche Völker etwas „stechfreudiger“ als andere. Allerdings sorgen Imker in der Regel durch ausgewählte Zucht für sanftmütige Bienen, denn Ziel ist es, möglichst auch ohne Schutzkleidung an den Völkern arbeiten zu können.
Als besonders sanftmütig gelten Völker, deren Bienen bei Störungen nicht gleich auffliegen und zustechen. Aber auch stechfreudige Völker greifen in der Regel nicht einfach Menschen an, die sich in der Nähe der Beuten – wie Imker die Bienenbehausungen nennen – aufhalten. Doch es gibt Situationen, in denen Bienen tatsächlich Menschen attackieren – und zwar auch Völker, die sonst selten stechen.
Warum Bienen plötzlich Menschen attackieren
Als Imerkin besitze ich selbst mehrere Bienenvölker. Manche davon sind etwas „mehr auf Zack“ als andere. Aber selbst bei meinem sanftmütigen Volk ist es mir bereits passiert, dass die Tiere von einer Minute auf die andere attackierten. Nach fünf Minuten war alles vorbei und die kleinen Insekten waren wieder ganz mit sich selbst beschäftigt – so, als ob nichts gewesen wäre. Warum mich mein Volk plötzlich angriff, weiß ich nicht. Generell gibt es aber verschiedene Gründe, warum Bienen Menschen attackieren können.
Gewitter
Einer der häufigsten Gründe, warum Bienen, die sonst sanftmütig sind, plötzlich ungemütlich werden, ist ein heranziehendes Gewitter. Dabei können die Tiere dies meist schon Stunden im Voraus spüren und entsprechend reagieren. Steht man dann in der Nähe der Völker, ist die Gefahr hoch, gestochen zu werden. Allerdings sind das, meiner Erfahrung nach, nur einzelne Bienen, die stechen. Anders sieht es aus, wenn man die Völker öffnet. Dann kann es tatsächlich zur Attacke kommen.
Akute Wetterwechsel
Nicht nur Gewitter, sondern auch akute Wetterwechsel können der Grund sein, warum Bienen plötzlich angreifen. Vor allem schwüles Wetter scheint den kleinen Insekten zu schaffen zu machen. Allerdings habe ich dieses Phänomen an meinen Völkern extrem selten beobachtet.
Zurückgehende Tracht
Als Tracht bezeichnen Imker die von den Bienen eingetragene Nahrung, besonders Nektar, Pollen und Honigtau. In der Regel gibt es verschieden große Trachten im Jahr. Im Frühjahr ist das zum Beispiel der Raps, im Sommer die Linde – also Pflanzen, die in großen Mengen Nektar und Pollen bringen.
Im Spätsommer verringert sich dieses Angebot drastisch – und die Stimmung an den Völkern kippt. Die Bienen sind nun darauf bedacht, ihre Vorräte stärker zu verteidigen – das bekommt man auch als Imker zu spüren. Manchmal kann die Stimmung der Bienen so kippen, dass sie auch Menschen, die sich in der Nähe der Völker aufhalten, attackieren.
Räuberei
Sinkt das Angebot an Nektar und Pollen, beginnen Bienenvölker durchaus auch bei den Nachbarn zu stehlen. Das Ganze kann in einer sogenannten Räuberei enden. Dabei stürmen die Bienen eines Volkes regelrecht die Honigvorräte des anderen. Vor allem schwächere Völker, die sich weniger gut verteidigen können, sind dann betroffen. Das sorgt für Stress und kann die Insekten recht übellaunig machen.
Angriffe von Feinden
Auch wenn es in Europa nur noch wenige Bären gibt, die Bienenvölker plündern, können auch andere Tiere wie Spechte oder Mäuse dafür sorgen, dass Bienen in Stress geraten. Wird ein Volk immer wieder attackiert, sind die Bienen irgendwann regelrecht auf Krawall gebürstet und attackieren alles, was sich dem Volk nähert.
Auch die bei Imkern gefürchtete Asiatische Hornisse, Vespa velutina, könnte hierbei eine Rolle spielen. Zumindest wurde dies für die Bienenvölker beim Vorfall in Frankreich vermutet. Die Hornissenart wurde aus Asien nach Europa eingeschleppt und ist seit ein paar Jahren auch in Deutschland angekommen. Im Gegensatz zu unseren heimischen Hornissen fliegt Vespa velutina regelrechte Attacken auf Honigbienenvölker und kann die Zahl der Bienen sichtbar reduzieren und so die Völker schwächen.
Zwar sind mir bisher keine Fälle bekannt, in denen Völker durch den Angriff der Asiatischen Hornisse plötzlich aggressiv wurden und Menschen attackierten, denkbar ist dieses Verhalten aber.
Vibrationen
Ein weiterer Grund, warum Bienen Menschen attackieren, die sich in der Nähe der Beuten aufhalten, sind Vibrationen. Typischerweise sind hier Rasenmäher der Auslöser. Fast jedes Jahr bekomme ich Meldungen, dass unsere Bienen gestochen haben, als jemand versuchte, die Wiese in der Nähe der Völker zu mähen. Aber auch andere Geräte, die laute Vibrationen erzeugen, können Bienen regelrecht rasend machen.
Gerüche
Immer mal wieder kommt es vor, dass ich eine Gruppe interessierter Menschen mit zu den Völkern nehme, um die Arbeiten an den Bienen zu zeigen. Während alle um das offene Volk stehen und die Bienen träge umherfliegen, gibt es manchmal diese eine Person, die von den Tieren regelrecht verjagt und zerstochen wird.
Oft liegt das am Geruch. Vor allem Shampoos oder Parfums können Duftkomponenten enthalten, die denen des sogenannten Alarmpheromons ähneln. Bienen senden diesen hormonellen Duftstoff aus, um ihre Schwestern in Alarmbereitschaft zu versetzen und den Feind zu markieren. Es sorgt auch dafür, dass andere Bienen eher zustechen und auf Angriff gehen.
Wie oft kommt es vor, dass Bienen Menschen attackieren?
Eine Statistik zur Häufigkeit von Angriffen Europäischer Honigbienen auf Menschen gibt es nicht. Wahrscheinlich passiert es einfach zu selten. Meiner Erfahrung nach werden die meisten von Bienen gestochen, weil sie aus Versehen auf die Insekten treten oder sie quetschen.
Dass Bienen gezielt Menschen attackieren, habe ich nur erlebt, wenn die Völker aktiv bearbeitet wurden. Und dann trifft es überwiegend direkt den Imker. Aber dass Bienen einen Angriff aus dem geschlossenen Volk auf Passanten starten, die sich einfach nur in der Nähe der Beuten aufhalten, ist meines Erachtens extrem unwahrscheinlich.
Übrigens: Von einem Bienenschwarm geht in der Regel keine Gefahr aus. Diese findet man vor allem im April und Mai immer mal wieder in Bäumen oder an anderen hochgelegenen Plätzen hängen. Auch wenn so eine große Masse an Bienen beeindruckend wirkt, braucht man keine Angst zu haben. Denn diese Bienen befinden sich auf Wohnungssuche und haben weder Brut noch Vorräte, die sie verteidigen müssten.
Wie verhalte ich mich bei einem Bienenangriff?
Sollte es doch einmal passieren, dass man von einer oder mehreren Bienen attackiert wird, sollte man sich sofort entfernen. Befinden sich Bienenvölker in der Nähe, gilt es, schnellstmöglich den Abstand zu ihnen zu vergrößern. Offene Hautstellen sollte man, wenn möglich, bedecken. Vor allem sollte man das Gesicht schützen, denn Bienen reagieren auf den CO₂-Ausstoß aus Nase und Mund.
In der Regel reagieren die Bienen auf einen Störfaktor direkt in der Nähe. Es kann aber durchaus passieren, dass man von einzelnen Bienen länger verfolgt wird. Vor allem, wenn Gerüche eine Rolle spielen. Sollten hier Kinder oder Allergiker betroffen sein, ist es durchaus legitim, auch mal eine Biene zu erschlagen, um größeren Schaden zu vermeiden.
Verhaltenstipps für Begegnung mit Bienenvölkern
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen, dass ein Angriff von Bienenvölkern selten vorkommt. In der Regel ist es völlig ungefährlich, sich in der Nähe von Bienenstöcken aufzuhalten. Trotzdem sollte man Respekt wahren und einige Regeln beherzigen:
- Keine Vibrationen erzeugen: Vor allem Rasenmäher bringen auch die sanftmütigsten Bienen dazu, Menschen zu attackieren. Aber auch ratternde Motorräder können diesen Effekt haben.
- Nicht vor das Flugloch stellen: Wer mutig ist und sich Bienenvölker aus nächster Nähe ansehen will, sollte sich immer von hinten nähern und nicht direkt in der Flugbahn stehen. Einige Völker fühlen sich dadurch gestört. Zudem ist die Gefahr groß, dass einem doch mal eine Biene an den Kopf fliegt, sich im Haar verfängt, Panik bekommt und zusticht.
- Nicht pusten: Bienen anpusten, etwa, um sie zu vertreiben, ist eine schlechte Idee. Denn das CO₂ im Atem kann dafür sorgen, dass die Tiere zustechen.
- Nicht nach Tieren schlagen oder Bienen zerquetschen: Wer eine Biene, die zu aufdringlich wird, vertreiben möchte, sollte sich entweder langsam entfernen oder dies mit ruhigen Bewegungen machen und das Insekt quasi in der Luft wegschieben (hilft auch bei Wespen). Wer nach einer Biene schlägt und sie zerquetscht, setzt damit ein Alarmpheromon frei, was den anderen Tieren signalisiert: Hier ist der Feind!
- Langsame Bewegungen: Generell sollte man sich an Bienenvölkern ruhig verhalten. Besonders in der Nähe der Fluglöcher können hektische Bewegungen manche Bienen zum Stechen veranlassen.

Asiatische Honigbienen rösten Hornissen bei lebendigem Leib

Neue Hornissenart erstmals in Deutschland gesichtet – wie gefährlich ist sie?

Imker werden? Warum viele Einsteiger das Hobby unterschätzen
Fazit: Bienen attackieren Menschen nur sehr selten
Angriffe von Europäischen Honigbienen sind extrem selten. Die meisten Bienenvölker sind auf Sanftheit gezüchtet, und auch „stechfreudigere“ Völker greifen für gewöhnlich nur an, wenn man die Beuten öffnet. Wenn Bienen Menschen attackieren, trifft es also vor allem die Imker. Daher ist der Fall in Frankreich auch umso ungewöhnlicher, denn die Völker befanden sich ja mehrere Höhenmeter entfernt auf dem Dach. Sie flogen also eine gezielte Attacke – und das über 30 Minuten.
Als Auslöser wurde ein Angriff der Asiatischen Hornisse vermutet. Allerdings halte ich das für extrem unwahrscheinlich. Ohne genauere Details zu kennen, würde ich eher einen Störfaktor in der Nähe der angegriffenen Passanten vermuten. Etwa starke Vibrationen, ausgelöst etwa durch Straßenbauarbeiten. Ausschließen lässt sich aber nicht, dass der Vorfall durch den Angriff von Hornissen ausgelöst wurde.

Zur Autorin
Dr. Saskia Schneider ist promovierte Biologin und beschäftigte sich in ihrer Doktorarbeit unter anderem mit dem Verhalten von Honigbienen. Von 2018 bis 2022 arbeitete sie als Redakteurin beim Deutschen Bienenjournal, einer Fachzeitschrift für Imker, und hält seit über 15 Jahren eigene Bienenvölker im Botanischen Garten Berlin.