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PETBOOK-Interview mit Wildtier-Auffangstation

So werden Fischotterbabys aufgepäppelt und wieder ausgewildert 

Noch wird Fischotterwelpe Henry im Wildtier- und Artenschutzzentrum in Schleswig-Holstein aufgepäppelt. Im Sommer soll er wieder ausgewildert werden.
Noch wird Fischotterwelpe Henry im Wildtier- und Artenschutzzentrum in Schleswig-Holstein aufgepäppelt. Im Sommer soll er wieder ausgewildert werden. Foto: Wildtier- und Artenschutzzentrum gGmbH
Dennis Agyemang
Redakteur

02.05.2023, 17:30 Uhr | Lesezeit: 10 Minuten

Allein, schwach, schutzlos und völlig dehydriert – so wurden in den letzten Monaten vier Fischotterbabys von Tierschützern aufgegriffen. Von ihren Eltern oder Geschwistern fehlt jede Spur. Nun werden die verwaisten Jungtiere im Wildtier- und Artenschutzzentrum in Klein Offenseth-Sparrieshoop, Schleswig-Holstein aufpäppelt und auf ihre Auswilderung vorbereitet.

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In diesem Sommer soll es auch schon so weit sein, sagt Katharina Erdmann, Leiterin des Wildtier- und Artenschutzzentrums. Sie sprach mit PETBOOK über die Situation der vier Waisentiere und worauf bei einer Auswilderung so geachtet werden muss.

PETBBOK: Wie kamen Sie an die Tiere? In welchen Zustand haben Sie sie vorgefunden? 
Katharina Erdmann: „Wir haben vier Jungtiere mit unterschiedlichen Herkünften, die als Waisenkinder aufgefunden wurden. Die haben den Weg zu uns gefunden, weil die Finder sich bemüht haben, einen adäquaten Platz zu finden und so sind sie letztendlich nach und nach alle bei uns gelandet.“
 
Sind die Tiere alle aus Deutschland? 
„Ja, denn aus dem Ausland nehmen wir eigentlich keine Tiere. Das ist sonst auch eine Strecke und Entfernung, die im Zweifel gar nicht im Sinne der Tiere ist. Das bedeutet für die Tiere sonst nur Stress.“

Auch interessant: Darf man Wildtiere als Haustiere halten?

In Deutschland gelten Fischotter als potenziell gefährdet. Dennoch wurde erst kürzlich in Bayern der Abschuss von Ottern erleichtert.
In Deutschland gelten Fischotter als potenziell gefährdet. Dennoch wurde erst kürzlich in Bayern der Abschuss von Ottern erleichtert. Eine alarmierende Entwicklung. Foto: Wildtier- und Artenschutzzentrum gGmbH

„Die Menge Fisch, die so ein Fischotter verdrückt, ist nicht ganz unerheblich.“

Waren das die ersten Otter oder haben sie das häufiger? 
„Wir hatten immer mal wieder vereinzelt Fischotter, allerdings ist es für uns eher eine Seltenheit. Das zeigt sich jetzt darin, dass so in wenigen Monaten gleich vier Fischotter bei uns gelandet sind. Das ist einerseits ein gutes Zeichen, weil es zeigt, dass sich die Art hierzulande wieder etabliert, führt aber auch dazu, dass immer mehr Tiere verunfallen beziehungsweise in Not geraten und dann entsprechend Hilfe brauchen.“

Wie werden die Fischotter gefüttert? Gerade dann, wenn sie jung sind? Und was muss beim Aufpäppeln von Wildtieren in diesem Fall beachtet werden? 
„Also letztendlich müssen die natürlich das zu fressen bekommen, was die Tiere jeweils von Natur aus brauchen. Das ist letztendlich bei jedem Säugetier in den ersten Wochen erst mal Milch. Bei uns bekommen sie Aufzuchtmilch. Da wir letztendlich viele Tiere im Jahr mit der Flasche großziehen und das letztendlich mehr oder weniger oft auch die gleiche Aufzuchtmilch ist, haben wir die dann auch da. Sobald sie alt genug sind und von der Flasche entwöhnt werden können, müssen sie natürlich artgerecht ernährt werden. Bei einem Fischotter ist das, wie der Name schon sagt, maßgeblich Fisch. Die Menge, die so ein Fischotter dann verdrückt, ist nicht ganz unerheblich. Ein ausgewachsener Fischotter braucht schon ein paar Kilo Fisch am Tag. Demnach ist es schön, dass uns Anglersportvereine und andere Leute, die gut an Fisch kommen, dabei unterstützen und entsprechend mit Fisch versorgen.“

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„Man muss sich rund um die Uhr um die Tiere kümmern“

Wie sieht der Alltag von den Tieren bei Ihnen aus und wie beschäftigen Sie die Tiere? 
„Wenn das noch Tiere sind, die die Flasche bekommen, dann brauchen die mehrmals am Tag beziehungsweise auch spätabends und frühmorgens Mahlzeiten, so wie sie das von Natur aus, auch von der Mutter bekommen würden. Da versuchen wir natürlich so nah wie möglich dran zu sein, was natürlich immer nur bedingt möglich ist. Auch wir müssen mal schlafen, insofern versuchen wir das immer ein wenig herauszuziehen, damit man auch in der Nacht ein bisschen Schlaf bekommt. Wenn die Tiere sehr geschwächt sind, muss man sich allerdings schon den Wecker stellen und die Flasche geben. Sobald sie soweit stabil sind und auch schon anfangen, eigenständig zu essen, entspannt sich das Ganze.“

„Trotz allem müssen sie natürlich jeden Tag versorgt werden. Das heißt, man muss sich rund um die Uhr um sie kümmern und entsprechend Personal haben, was weiß, was es tut. Es ist also nichts, was man so nebenher macht. Man braucht natürlich auch ein entsprechendes Gehege, wo die Tiere naturnah groß werden können. Das ist notwendig, damit man sie wieder auswildern kann. Sie müssen ihren Lebensraum kennen, entsprechend artgerechtes Verhalten lernen und ausüben können. Demnach ist auch die Aufzucht in der Gruppe von Bedeutung, damit sie nicht zu zahm werden und entsprechend im richtigen Alter verwildern können, um dann wildbahntauglich zu sein.“

Als Welpen werden die Fischotter mit der Flasche großgezogen, doch so bald sie eigenständig Nahrung aufnehmen können, werden sie von der Flasche entwöhnt.
Als Welpen werden die Fischotter mit der Flasche großgezogen, doch sobald sie eigenständig Nahrung aufnehmen können, werden sie von der Flasche entwöhnt. Foto: Wildtier- und Artenschutzzentrum gGmbH

„Man kann das nicht eben mal machen, weil das so süß ist“

Werden die vier dann auch als Gruppe wieder ausgewildert?
„Das kommt darauf an. Das entscheiden wir nicht alleine. Wir stimmen uns eng mit der oberen Naturschutzbehörde ab. Da Fischotter ja zu den streng geschützten Arten gehören, können wir das nicht selbst entscheiden, wo die Tiere ausgewildert werden. Aber natürlich achten wir darauf, zwei Tiere, die hier in der Aufzucht eine enge Bindung aufgebaut haben, nach Möglichkeit auch zu zweit oder in der Gruppe auszuwildern.“

Stichwort Auswilderung: Wie nah kommen die Pfleger den Tieren? Fischotter sind ja eigentlich eher scheu und meiden Menschen in freier Wildbahn …
„Um ihnen die Flasche zu geben, muss man natürlich nah herankönnen. Da das letztendlich auch kleine Babys sind, sind sie vielleicht im ersten Moment scheu und verschlossen, aber spätestens dann, wenn sie gelernt haben, dass dieser Mensch ihnen Milch gibt und den Hunger damit stillt, ist das eigentlich kein Problem. Man muss natürlich ein Händchen dafür haben und auch ein Gefühl entwickel. So muss man wissen, was man tut. Man kann das nicht eben mal machen, weil das so süß ist, sondern man sollte schon ein bisschen Erfahrung mitbringen. Gerade bei Jungtieren ist es wie bei uns Menschen auch: Sie können Bauchschmerzen, Durchfall, Unverträglichkeiten kann und dann muss man natürlich richtig reagieren können. Sobald die Tiere eigenständig Nahrung aufnehmen können, heißt es allerdings ‚Finger weg‘ und den Kontakt massiv reduzieren – und zwar auf das Minimum. Das bedeutet, wir gehen dann eigentlich nur noch ins Gehege, um zu füttern. Und selbst das machen wir dann ab einem gewissen Alter so, dass wir in den Momenten füttern, wo die Tiere schlafen, sodass die Tiere fast keinen Kontakt mehr zu uns haben.“

Wie läuft so eine Auswilderung bei Ihnen ab?
„Das kommt darauf an, was für eine Tierart wir haben. Wir versuchen eigentlich, alle Tiere so auszuwildern, dass wir sie nicht einfangen müssen. Vögel können ja dorthin fliegen, wo sie hin wollen. Bei einem Fischotter ist das anders. Den müssen wir an Ort und Stelle bringen – eben da, wo er seinen Lebensraum hat. Der liegt leider nicht bei uns vor der Haustür. Daher sind wir uns mit der Oberen Naturschutzbehörde einig, dass wir nach einem Plätzchen suchen wollen, wo die Otter noch ein wenig geschützter sind und nicht so viel Straßenverkehr ist. Soweit ich weiß, sind die offiziellen Zahlen aus dem letzten Jahr allein im Kreis Bad Segeberg bei 40 Unfalltoten Fischottern durch Straßenverkehr und das sind nur die in einem Kreis innerhalb eines Jahres und nur die, die gefunden wurden. Die Dunkelziffer muss erschreckend hoch sein und daher ist es natürlich wichtig, so ein Tier an einen Ort zu bringen, wo die nächste Straße etwas weiter weg ist.“

„Es kann nicht im Sinne von einem Menschen sein, so ein Tier als Haustier zu halten“

Es gibt einige Leute, die Fischotter total süß finden und in den sozialen Medien halten sich einige die Tiere sogar privat. Warum eignen sich Fischotter nicht als Haustiere? 
„Also ich habe zum Glück noch von niemandem gehört, der sich einen Fischotter als Haustier hält oder halten will. Bei anderen Tieren hört man das leider öfter – beispielsweise bei exotischen Tieren. Warum halten sich Leute, Graupapageien, Schlangen oder irgendwelche Echsen oder gar Kängurus und Silberfüchse? Das ist tatsächlich etwas, womit wir häufiger konfrontiert werden und worüber ich mich nur wundern kann, was manche Mitmenschen da für Vorstellungen von Tierliebe beziehungsweise nicht vorhandener Tierliebe haben.“

„Fischotter eignen sich deswegen nicht als Haustiere, weil es Wildtiere sind, die gar nicht mit uns Menschen zusammenleben wollen. Natürlich kann ich so ein Fischotter-Welpe so groß ziehen, dass er sich an mich bindet, aber dann ist es kein Fischotter mehr, sondern irgendein süßes Säugetier, das wahrscheinlich mit der Geschlechtsreife aggressiv werden wird, weil es fehlgeprägt ist. Es kann nicht im Sinne von einem Menschen sein, so ein Tier als Haustier zu halten, weil es irgendwann Konflikte geben wird und es nicht darum geht einen Fischotter zu haben, sondern irgendein Geschöpf, das gar nicht weiß, was es ist.“

Viele Fischotter verunfallen im Straßenverkehr, sagt Katharina Erdmann vom Wildtier- und Artenschutzzentrum.
Viele Fischotter verunfallen im Straßenverkehr, sagt Katharina Erdmann vom Wildtier- und Artenschutzzentrum. Foto: Wildtier- und Artenschutzzentrum gGmbH

„Diese Arbeit können wir nur leisten, weil wir entsprechend Unterstützung bekommen“

Gibt es etwas, das Ihnen in diesem Kontext noch wichtig ist?
„Auch wenn es manche vielleicht nicht mehr hören können, aber es ist einfach wichtig: Diese Arbeit können wir nur leisten, weil wir entsprechend Unterstützung bekommen. Aber nicht von staatlicher Seite, sondern rein aus der Bevölkerung durch Spenden. Nur so können wir das Personal bezahlen, das wir brauchen, um diese Facharbeit leisten zu können. Förderung vonseiten des Landes oder von öffentlicher Seite gibt es nur für bestimmte Projekte, die man beantragen muss. Daher ist es einfach schade, dass diese Arbeit, obwohl diese Tierart so einen strengen Schutzstatus genießt, letztendlich aber nur geleistet werden kann, wenn man entsprechendes ehrenamtliches Engagement mitbringt oder entsprechend bereit ist, nur für den Mindestlohn zu arbeiten.“

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»Wir päppeln keine Tiere auf, die von Natur aus nicht hätten weiter groß werden sollen

Was haben Sie aktuell noch für Tiere in der Aufzuchtstation, die Sie aufpäppeln?
„Jetzt ist ja Jungtierzeit, das heißt, der Großteil der einheimischen Wildtiere wird jetzt geboren oder ist bereits geboren worden. Wir haben bereits einige Fuchswelpen hier in der Aufzucht. Zudem verpflegen wir momentan Eichhörnchen, junge Feldhasen, die ersten Singvögel, junge Enten und Gänse. Also all die Tiere, die aus irgendwelchen Gründen den Anschluss zu ihren Eltern oder diese ganz verloren haben. Entweder, weil sie Opfer von Autoverkehr, Stacheldraht oder von Hunden und Katzen wurden. Wir päppeln hier eigentlich keine Tiere auf, die von Natur aus vielleicht nicht hätten weiter groß werden sollen.“

„Uns ist es wichtig, das ökologische Gleichgewicht nicht zu stören. Allerdings stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch ein ökologisches Gleichgewicht in dem Sinne gibt. Lebensraumverlust, Einschnitte, Stress, Lärm, Gift – das ist wirklich ein großes Thema, was viele unterschätzen oder nicht auf dem Schirm haben. Draußen wirkt jetzt alles so schön und grün, aber von einer freien Wildbahn kann man da eigentlich nicht mehr sprechen. Das ist alles eine Kulturlandschaft, die von Menschen geprägt ist. Für die Wildtiere ist das schon ein großes Problem.“

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