
6. Mai 2025, 17:53 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Sie liegen scheinbar hilflos im Gras, ganz allein – und lösen bei Spaziergängern sofort den Impuls aus zu helfen: Rehkitze wirken schnell verlassen. Doch wer jetzt eingreift, riskiert mehr Schaden als Hilfe. Warum selbst schon Streicheln lebensgefährlich sein kann, erfahren Sie hier.
In den Monaten Mai, Juni und mitunter Juli gebären die Wildtiere ihren Nachwuchs und die Zahl der Jungtiere steigt stark an – darunter auch die der Rehkitze. Immer mal wieder kommt es dann vor, dass Spaziergänger Jungtiere in Wald und Wiese antreffen. Da die Tiere aber mittlerweile in urbane Lebensräume vordringen, kann es sogar passieren, dass man die Kitze an den unmöglichsten Stellen findet – etwa neben Mülltonnen. Hier ist die Gefahr besonders groß, dass Leute den Tieren vermeintlich helfen wollen. Zudem verleiten die niedlichen Kitze den ein oder anderen dazu, es streicheln zu wollen. Wer ein Rehkitz gefunden hat, sollte jedoch unbedingt Abstand halten, denn jede Berührung kann fatale Folgen haben. Auch Hundehalter sollten sich zu dieser Zeit unbedingt an die Leinenpflicht halten.
Allein, aber nicht verlassen: die Strategie der Ricke
Viele Menschen glauben irrtümlich, allein liegende Rehkitze seien ausgesetzt worden. Tatsächlich folgt dieses Verhalten einem überlebenswichtigen Instinkt der Mutter. Rehmütter, sogenannte Ricken, halten sich gezielt auf Abstand zu ihren Kitzen, um Fressfeinde nicht durch ihren eigenen Geruch auf die Jungen aufmerksam zu machen. Die Tarnung der Jungtiere ist perfekt: Sie besitzen noch keinen Eigengeruch und ihre Fellzeichnung hilft ihnen, in der Vegetation nahezu unsichtbar zu bleiben.
In den ersten Lebenswochen legt die Ricke ihr Kitz im hohen Gras ab und kehrt lediglich zum Säugen zurück. Droht Gefahr, ducken sich die Tiere reflexartig – ein angeborener Schutzmechanismus. „Vor einem Fuchs ist es so beispielsweise geschützt und ist die Gefahr vorüber, kommt das Muttertier zurück“, erklärt der DJV.
Jungtiere in Wald und Wiese – Abstand ist Pflicht
In den Monaten Mai, Juni und mitunter Juli steigt die Zahl der Wildtiergeburten merklich an – insbesondere auch bei Rehen. Immer wieder kommt es vor, dass Spaziergänger beim Waldspaziergang ein Rehkitz entdecken, teils sogar nahe am Wegesrand. Die Tiere wirken oft verlassen und rufen schnell Mitleid hervor – besonders bei Menschen, die versuchen, sie zu streicheln oder aufzuheben. Doch gerade das ist gefährlich: Wer ein Rehkitz entdeckt, sollte dringend Abstand halten. Auch Hundehalter sind in dieser Zeit besonders gefragt – sie sollten die Leinenpflicht unbedingt einhalten.
Gefährliche Nähe: Warum Anfassen ein Tabu ist
Ein einzelnes Rehkitz sollte niemals berührt werden. Der Deutsche Jagdverband (DJV) warnt eindringlich: „Durch das Anfassen haftet der menschliche Geruch am Jungtier und es kann passieren, dass die Ricke ihr Kitz bei ihrer Rückkehr verstößt.“ Wird das Kitz dann nicht mehr angenommen, ist es auf sich allein gestellt – und verhungert, da Rehmütter ihren Nachwuchs nicht mit sich führen, sondern an Ort und Stelle zurücklassen.
Auch mitten in der Stadt kann man Rehkitze finden
In der Regel findet man Rehkitze auf Feldern oder am Wegrand. Aber weil die Tiere auch immer mehr in urbane Lebensräume eindringen, passiert es immer öfter, dass man Rehkitze auch an Orten findet, an denen man die Tiere nicht erwarten würde – etwa mitten zwischen Mülltonnen. Grund dafür ist, dass Rehkitze, Hirschkälber und Co. kein Nest haben wie Vögel, Eichhörnchen oder Kaninchen, wie die Wildtierrettung Bad Waldsee e. V. in einem Beitrag auf Instagram erklärt.
Ihr „Nest“ sei dort, wo das Muttertier sie ablegt. Dies geschieht meist in den frühen Morgenstunden. Zu dieser Zeit ist es dunkel und Spielplätze, Parkplätze oder Baustellen menschenleer. Das Muttertier kann ja nicht wissen, dass dort später Kinder spielen, Hunde frei herumlaufen oder Bauarbeiten stattfinden, wie die Wildtierrettung in ihrem Beitrag schreibt.
So verhalten sich Spaziergänger richtig
Der DJV empfiehlt, sich während der sogenannten Brut- und Setzzeit ausschließlich auf festen Wegen zu bewegen. Wer Wildtiere beobachten möchte, sollte dies aus sicherer Entfernung und am besten mit einem Fernglas tun. Nur wenn ein Rehkitz sichtbar verletzt ist oder eindeutig verwaist wirkt, kann Hilfe angebracht sein – jedoch nicht im Alleingang. „Ortsansässige Jäger können den genauen Zustand eines Wildtieres einschätzen und sollten daher um Hilfe gebeten werden, bevor das Tier berührt oder gar mitgenommen wird“, so der Verband.

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Hund an die Leine – zum Schutz der Wildtiere
Ein besonders hohes Risiko geht in dieser Jahreszeit von freilaufenden Hunden aus. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten mahnt: Hunde sollten nicht nur angeleint werden, sondern auch nicht auf langen Schleppleinen durch Wiesen stöbern. „Denn Rehkitze sind frei laufenden Hunden schutzlos ausgeliefert.“ Allein die Nähe eines Hundes kann ausreichen, um die Ricke dauerhaft zu vertreiben.
Noch gefährlicher wird es, wenn ein Hund instinktiv zupackt. Dabei können Rehkitze schwer verletzt oder sogar getötet werden. Hundehalter tragen daher in dieser sensiblen Zeit eine besondere Verantwortung – zum Schutz des Wildtiernachwuchses.
Mit Material der dpa