
20. Mai 2025, 12:59 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Hätten Sie gedacht, dass es Bienen gibt, die in Blüten übernachten? Dabei handelt es sich allerdings nicht um die allgemein bekannte Honigbiene. Es sind vor allem Männchen bestimmter Wildbienenarten, die sich diese romantisch anmutende Schlafplätze aussuchen – warum, erklärt PETBOOK-Redakteurin und Biologin Saskia Schneider.
Wer im Sommer frühmorgens durch den Garten streift oder auf einer blühenden Wiese unterwegs ist, kann mit etwas Glück ein seltenes Schauspiel beobachten: kleine, unbewegliche Wildbienen, die scheinbar selig in einer Blüte schlummern. Was auf den ersten Blick wie ein Zufall wirkt, ist in Wahrheit ein erstaunliches Verhalten mit biologischem Hintergrund. Denn viele Wildbienen – vor allem die Männchen – verbringen ihre Nächte oder Ruhephasen nicht im geschützten Nest, sondern draußen in der Natur. Besonders faszinierend: Einige Bienen suchen sich gezielt Blüten zum Schlafen aus. Warum sie das tun, welche Pflanzen sie bevorzugen und woran man schlafende Bienen erkennt – das erkläre ich Ihnen in diesem Artikel.
Wie schlafen Bienen?
Auch Bienen müssen sich ausruhen – egal, wie fleißig sie sind. Doch ihr Schlaf sieht ganz anders aus als unserer. Honigbienen beispielsweise verbringen ihre Ruhephasen meist gut organisiert im geschützten Bienenstock: Während junge Bienen dabei in Zellen im Zentrum des Stocks ruhen, schlafen die älteren Sammlerinnen eher am Rand der Waben – manchmal sogar in hängender Position.1
Auch Hummeln und andere Wildbienen ruhen regelmäßig. Dabei verfallen sie in eine Art Schlafstarre. Viele Arten bevorzugen dabei überraschend exponierte Schlafplätze: draußen, an Pflanzen – häufig in Blüten.
Andere hängen sich, oft zu mehreren, unter die Körbchen von Kardengewächsen oder Korbblütlern. Dazu verbeißen sich mit ihren Mundwerkzeugen in Pflanzenteile wie ein Blattstiel, ein kleiner Zweig oder ein Grashalm und verharren regungslos mit hängendem oder waagrecht abstehendem Körper.2 Die Männchen mancher Furchenbienen (Halictus, Lasioglossum) übernachten so gemeinsam an dürren Fruchtständen. 3, 4

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Warum schlafen Bienen in Blüten?
Blüten sind für viele Wildbienenarten nicht nur Nahrungsspender, sondern auch Schlafplatz. Das hat praktische Gründe: Blüten bieten Bienen beim Schlafen Schutz vor Regen, Wind und Fressfeinden. Besonders glockenförmige Blüten wie jene der Campanula (Glockenblumen) werden häufig aufgesucht. Sie schließen sich nachts und bilden so einen sichereren, trockenen Unterschlupf für müde Insekten.5, 6
Vor allem männliche Bienen schlafen in Blüten. Zwar werden sie auch von den weiblichen Bienen zum Schlafen und als Schutzraum genutzt, in der Regel übernachten sie aber in denen von ihnen angelegten Niströhren. Männliche Bienen haben hingegen keinen Zugang zum Nest. So ist eine gut geschützte Blüte oft der einzige Rückzugsort. Dort können sie ungestört ruhen und bei Bedarf sogar mehrere Tage ausharren – etwa bei Regenperioden.
Welche Bienen schlafen in Blumen?
Besonders häufig findet man männliche Wildbienen schlafend in Blüten – vor allem jene Arten, die „solitär“ leben und keine Staaten bilden. Dazu gehören:
- Kegelbienen (Coelioxys)
- Wespenbienen (Nomada)
- Filzbienen (Epeolus)
- Harz- oder Bastardbienen (Trachusa, Anthidium)
- Furchenbienen (Halictus, Lasioglossum)
- Scherenbienen (Chelostoma, z. B. die Glockenblumen-Scherenbiene)
In Südeuropa nächtigen die Männchen von Langhornbienen (Eucera), Mauerbienen (Osmia) und Wollbienen (Anthidium) regelmäßig in den nektarlosen Blüten von Serapias, einer Orchidee, die sie als Gegenleistung bestäuben.7
Viele dieser Arten bilden dabei regelrechte Schlafgemeinschaften. In einer einzigen Blüte können dann mehrere Bienen friedlich aneinandergeschmiegt dösen – ein faszinierender Anblick.
Auch Hummeln können in Blüten schlafen. Vor allem im Spätsommer findet man die Insekten schlafend am Lavendel oder in Blüten beim Nickerchen. Viele dieser Draußen-Übernachter sind Hummel-Männchen, sogenannte Drohnen. Sie haben nur eine Aufgabe: sich mit Jungköniginnen zu verpaaren. Dafür verlassen sie einige Tage nach dem Schlüpfen das Nest und kehren – im Gegensatz zu den Drohnen der Honigbiene – nicht wieder zurück. Zum Schlafen suchen sich nachts häufig in größeren Blüten Unterschlupf. 8
Woran erkenne ich schlafende Bienen?
Schlafende Wildbienen erkennt man oft erst auf den zweiten Blick. Sie:
- bewegen sich nicht oder nur minimal
- haben hängende Fühler
- sitzen in ungewöhnlichen Positionen (z. B. kopfüber an einem Halm)
- beißen sich fest (meist mit dem Oberkiefer an einem Pflanzenteil)
- pressen Beine und Flügel eng an den Körper
Wenn Sie genau hinschauen, entdecken Sie manchmal sogar, wie sich eine Biene vor dem Einschlafen putzt – eine kleine Abendtoilette, bei der Kopf, Beine und Flügel noch aktiv sind, bevor sie zur Ruhe kommt.
Die Nickerchen sind oft kurz und dauern etwa 15 Minuten. Dann beginnen die Fühler wieder zu zucken, und die Biene wird langsam aktiv. Ist das Wetter schlecht und die Temperaturen niedrig, kann das Schläfchen aber auch mal mehrere Stunden oder gar Tage dauern.

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In diesen Blumen können Sie schlafende Bienen finden
Wenn Sie Bienen beim Schlafen in Blüten beobachten möchten, suchen Sie am besten früh morgens oder abends nach den Insekten. Besonders gute Chancen haben Sie bei folgenden Pflanzen:
- Glockenblumen (Campanula)
→ die Lieblingsplätze vieler Scherenbienen - Storchschnabel (Geranium)
- Malven (Malva)
- Wegwarten (Cichorium)
- Disteln (Cirsium, Carduus, Onopordum)
- Flockenblumen (Centaurea)
- Kugelmalven (Globe Mallow / Sphaeralcea) – in Nordamerika
Auch die getrockneten Fruchtstände, Blütenkörbchen oder Ästchen von Korbblütlern und Kardengewächsen sind beliebte Rastplätze. Mit etwas Geduld und einem ruhigen Blick lassen sich diese kleinen Schlafgäste besonders gut im naturnahen Garten oder auf Wildblumenwiesen entdecken.
Gut zu wissen: Seien Sie nicht enttäuscht, wenn Sie im eigenen Garten keine schlafenden Bienen entdecken. Nur weil dort die richtigen Pflanzen wachsen, ist die keine Garantie, dass sich auch die passende Wildbienenart vor Ort befindet. Denn neben ihren Wirtspflanzen benötigen, die kleinen Insekten vor allem passende Nistgelegenheiten.