3. Juni 2025, 6:42 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Was kann ich tun, wenn mir im Urlaub ein Straßenhund zuläuft? Kann oder muss ich helfen? PETBOOK-Autorin Nina Ponath hat Erfahrungen zu diesem Thema gesammelt und verrät es Ihnen.
Wenn ich an unsere Familienurlaube in der Kindheit zurückdenke, kommen mir dazu nicht nur weite Strände mit weichem Sand, Eiscreme und alte, griechische Ruinen in den Sinn. Viel eindrucksvoller waren die Begegnungen mit Tieren, wie den Katzen in der Toskana, die ich jeden Morgen vor dem Frühstück gefüttert habe, dem Hund – ebenfalls in der Toskana – der am Hotel herumstreunte, und Babykatzen auf Ibiza, von denen das eine Katzenbaby an einer Bindehautentzündung litt. Ich erinnere mich daran, wie ich jeden Tag nach dem Frühstück bei der Katze mit Wundsalbe anhielt, um ihre feuerroten Augen zu verarzten.
Ich liebe Tiere im Allgemeinen und Hunde im Besonderen. Das geht so weit, dass sich in meiner Kindheit die Qualität eines Urlaubs früher bei mir ganz nach der Zahl an Hunden und Katzen gemessen hat, mit denen ich mich im Laufe des Urlaubs angefreundet habe. Heute sehe ich das ein bisschen anders. Wenn ich im Urlaub auf Tiere stoße, freue ich mich zwar immer noch, sie ein Stück begleiten zu können. Heute sehe ich aber vor allem das Elend der Straßentiere und frage mich häufig, ob ich irgendwie anders helfen kann, als indem ich den Tieren Aufmerksamkeit schenke.
Wie entscheide ich, ob ein Tier Hilfe braucht?
Manchmal ist die Frage ganz klar. So wie in meinem Urlaub in Marrakesch vor fünf Jahren. Ich war zusammen mit einer Freundin dem Winter entflohen, als mir auf einer morgendlichen Joggingrunde plötzlich drei Welpen buchstäblich vor die Füße liefen. Winselnd, schwanzwedelnd und mit großen, dunklen Augen, die mich fragend anblickten, kamen die kleinen Hunde auf mich zu, als hätten sie nur auf mich gewartet. Ich blieb stehen, drosselte meinen Schritt, blickte mich suchend um – vielleicht war ihre Mutter ja in der Nähe?
Die Hunde schienen von einem kahlen Sandplatz zu kommen, auf dem kein anderer Hund zu sehen war. Auch die Hundemutter war dort nicht zu sehen. Ich ging langsam weiter: 100 Meter, 200 Meter, 300 Meter – die Welpen folgten mir dabei und machten aufgeregte Geräusche. Was dann kam, gab den ausschlaggebenden Rest zur Entscheidung, die Hunde mit ins Hotel zu nehmen: Eine Frau, die mir auf einem schmalen Feldweg entgegenkam, verscheuchte einen der kleinen Hunde grob mit einem Stock. Straßenhunde schienen in dieser ländlichen Gegend in Marokko, in der ich unterwegs war, nicht viel Wert zu haben. Mein Herz zog sich zusammen. Ich hob die Welpen vom Boden auf, presste sie an mich. Ich konnte sie unmöglich einfach zurücklassen.
Rettung in letzter Sekunde
Zurück in Riad, die Welpen im Arm, durchsuchte ich das Internet nach Tierheimen in Marrakesch. Nach einigen Telefonaten stiegen wir mit den Welpen in ein Taxi. Die Tierärztin, die uns dort empfing, nahm die Welpen mit zu einer Untersuchung und bedankte sich anschließend herzlich dafür, dass ich die Hunde hergebracht hatte. Die Welpen waren ihrer Schätzung nach erst sechs Wochen alt, zu klein, um allein zu überleben. Ein paar Tage später wären sie vermutlich tot gewesen. Stattdessen konnten sie so nun in der „Société Protectrice des Animaux et de la Nature (SPANA du Maroc)“ bleiben und bis zu ihrer Vermittlung versorgt werden.
Was mache ich, wenn ich einen Straßenhund sehe?
Mitunter ist die Frage, ob und wie man helfen soll, jedoch nicht so einfach zu beantworten. Braucht ein Tier Hilfe oder nicht? „Es ist zunächst wichtig, dass wir uns als Touristen bewusst machen, ob die Tiere wirklich akut leiden“, sagt Lisa Frankenberger, Pressesprecherin vom Tierschutz Tasso.
Zwar leben Straßentiere oft nicht so, wie es unseren Vorstellungen entspricht und wie es gesundheitlich optimal wäre, dennoch leidet nicht jedes Straßentier grundsätzlich, sagt die Tierschützerin. Helfen sollten wir ihrer Meinung nach: „In Situationen, in denen ein Tier in Gefahr oder bedroht, verletzt ist.“
Vorsichtig sollten Sie zudem bei der Annäherung sein, denn viele Tiere kennen keinen Kontakt zu Menschen, oder haben gar schlechte Erfahrungen gemacht. „Subtile Signale, wie ein Wegdrehen des Kopfes oder ein leichtes Anlegen der Ohren, können zeigen, dass ein Tier keinen Kontakt möchte“, sagt Tierarzt Dr. Hölter. Er rät: „Wer sich nicht gut mit der Körpersprache von Hunden und Katzen auskennt, sollte vorsichtig sein und den Tieren ihren Raum lassen.“
Anders kann es aussehen, wenn Hunde oder Katzen schon an Touristen gewöhnt sind und sie freundlich den Kontakt suchen. Trotzdem sollte man auch hier Vorsicht walten lassen. „In manchen Urlaubsländern kommt Tollwut noch vor, und Bisse oder Kratzer können lebensgefährlich sein. Auch durch einfaches Streicheln können Parasiten wie Krätzemilben, Giardien oder Wurmlarven übertragen werden“, sagt Dr. Hölter. Deshalb: Nach jedem Kontakt gründlich Hände waschen.
Straßentiere füttern oder nicht?
Darf man Straßentiere für die Zeit des Urlaubs mit Futter unterstützen, oder besser nicht? „Das ist eine schwierige Sache“, sagt Lisa Frankenberger von Tasso. Verlassen sich die Tiere zu sehr darauf, dass sie versorgt werden, könne dies außerhalb der Feriensaison zu Problemen führen: „Wenn die Ferienunterkünfte leer stehen und sich niemand um die Tiere kümmert, verlieren sie wichtige Futterquellen.“
Hat man die Straßentiere kurzzeitig versorgt, sei es deshalb sinnvoll, zu Hotel- oder Ferienparkbetreibern Kontakt aufzunehmen und diese zu bitten, sich um die Tiere zu kümmern. „Wir als Touristen haben durchaus Einfluss mit unseren Wünschen und sicherlich reisen viele Menschen auch gerne in eine Unterkunft, in der tierfreundlich mit Streunertieren umgegangen wird“, sagt Lisa Frankenberger.
Dr. Joachim Hölter rät: „Am meisten hilft es Straßentieren, wenn Sie Hilfe über lokale Tierschutzorganisationen organisieren. In akuten Fällen – etwa bei kranken Tieren oder verwaisten Welpen – sind diese Organisationen die besten Ansprechpartner. Informationen über Tierschutzprojekte am Urlaubsort findet man zum Beispiel auch über deutsche Organisationen wie Vier Pfoten oder den Deutschen Tierschutzbund.“
Wer im Urlaub Streunern helfen möchte, könne sich bereits im Vorfeld informieren, welche seriösen Tierschutzprojekte es am Urlaubsort gibt und den Auslandstierschutz zum Beispiel mit Kastrationsprojektenunterstützen. „Es müssen vor Ort nachhaltige und verlässliche Lösungen geschaffen werden, um das Streuntertier-Elend langfristig zu beenden. Wer das erreichen möchte, sollte Organisationen und Menschen unterstützen, die sich vor Ort dafür einsetzen“, sagt Lisa Frankenberger von Tasso.
Was mache ich, wenn ich einen Hund in Übersee finde?
Aus meiner persönlichen Erfahrung gilt: Je weiter man von der europäischen Heimat entfernt ist, desto schwieriger ist es, Straßentieren zu helfen. Das weiß ich seit meinem letzten Urlaub in Sri Lanka, wo meinem Partner und mir ein Straßenhund zulief. Ganz, ohne dass wir den Hund anfütterten oder ihn anderswie lockten, suchte der Hund unsere Nähe und wich uns nicht mehr von der Seite.
Als er uns abends zum Essen folgte, verstanden wir schließlich auch, warum. Der Hund wurde ganz offensichtlich von anderen Hunden gemobbt und auf dem einen Kilometer, den er uns vom Hotel zum Restaurant folgte, mehrfach von diversen Hunden angefallen. Anscheinend hatte er kein eigenes Territorium. Wir verteidigten ihn, indem wir uns körperlich groß machten und die Hunde, die ihn anfielen, anschrien.
Mitnehmen auf unserer Reise konnten wir ihn dann allerdings nicht, weil Hunde in Sri Lanka in den Hotels verboten sind. Wir fuhren mit einem super schlechten Gewissen ab, wohl wissend, dass so ein kleiner Angsthund allein doch gar keine Chance hat. Von der Taxifahrt in den nächsten Ort aus recherchierte ich nach singhalesischen Hilfsorganisationen. Wie ich dabei in Erfahrung brachte, werden Hunde nur sehr selten von Singhalesen aufgenommen, da sie hier als Plage gelten.
Eine Tierschützerin, mit der ich länger telefonierte, erklärte mir, man würde Straßenhunde dennoch nur ungern nach Europa vermitteln. Die Organisation hatte damit in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht, da die Tiere oft an tropischen Krankheiten leiden, mit denen sich europäische Ärzte nicht auskennen.
Rockys Rettung
Für mich war dennoch klar, dass ich den Hund, den wir gefunden hatten, nicht weiter dort lassen konnte. Er war in meiner Gegenwart so häufig von anderen Hunden angegriffen worden, dass ich mir partout nicht vorstellen konnte, dass er dort lange ohne Hilfe überleben würde. Ich nahm Kontakt zu dem Hotel auf, in dem wir übernachtet hatten und fand so über Umwege heraus, dass der Hund – „Rocky” heißt er –, tatsächlich ausgesetzt worden war. Bis vor Kurzem hatte er noch den Nachbarn des Hotels gehört, als diese vor einigen Monaten umgezogen waren, hatten sie Rocky einfach dort gelassen und entsorgt. Aus diesem Grund hatte er nun auch kein Territorium und wurde von den anderen Hunden in der Gegend nicht akzeptiert (Rüden können untereinander sehr grausam sein).

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Rockys Weg nach Deutschland
Der Hoteleigentümer, Dilsiri Welikala von „Kitesurfing Lanka” ist zum Glück selbst Tierschützer und ein unglaublich toller Mensch. Er vermittelte mir einen Kontakt zu Indira Sahadevan von „Cat Protection Sri Lanka”. Die Singhalesin kastriert seit zehn Jahren Straßentiere in Sri Lanka und rettet Tiere in Ausnahmesituationen. Sie nahm Rocky zu sich auf und ließ ihn vom Tierarzt versorgen.
Weil er dort nicht dauerhaft bleiben kann, habe ich mich dazu entschlossen, ihn nach Deutschland zu nehmen. Denn auch das kann man tun, wenn man einen Straßenhund in Übersee findet. Die Kosten liegen hier ungefähr bei insgesamt 600 Euro für Impfungen und Flug. Den Betrag zahle ich und der ist mir Rockys Leben allemal wert.
Ich weiß, dass es auch in deutschen Tierheimen genug Hunde gibt. Die wenigsten von ihnen sind aber täglich den Attacken anderer Hunde ausgesetzt, verenden an Räude oder Tollwut, wie es in Sri Lanka noch der Fall ist. Rocky kommt Ende Juni zu mir nach Hause und darf dort in meinem Rudel erst mal so lange bleiben, bis er ein endgültiges Zu Hause gefunden hat. Falls Sie als Leser das Gefühl haben, Sie könnten damit gemeint sein, melden Sie sich gern bei mir: nina@nina-ponath.de Wer Indira Sahadevan bei ihrer Arbeit unterstützen möchte, kann hier Geld für die Kastrationen weiterer Straßentiere spenden.
Fazit: Straßentiere im Urlaub zu sehen, ist oft herzzerreißend – doch manchmal können wir tatsächlich etwas bewirken. Ob durch das Bringen eines Tieres in ein lokales Tierheim, durch Unterstützung vor Ort oder, in Ausnahmefällen, durch Adoption – jede Hilfe zählt. Wichtig ist, sich gut zu informieren, verantwortungsvoll zu handeln und im Zweifelsfall Tierschutzorganisationen einzubinden. Denn für einen Hund wie Rocky kann der Einsatz eines Einzelnen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, der mir der Aufwand allemal wert ist.