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Bestäuber-Business

Massentierhaltung und Antibiotika-Einsatz? Wie Hummeln für den Anbau von Tomaten leiden

Erdhummel bei der Bestäubung an Tomanten
Hummeln sind besonders erfolgreich bei der Bestäubung von Tomaten und werden daher im kommerziellen Anbau massenhaft eingesetzt. Foto: GettyImages/ajcespedes
Sonja Jordans

7. Juli 2025, 6:39 Uhr | Lesezeit: 17 Minuten

Sie gelten als fleißige Helfer im Gewächshaus – besonders Tomaten profitieren von der einzigartigen Vibrationsbestäubung durch Hummeln. Doch was nach natürlicher Landwirtschaft klingt, hat eine dunkle Kehrseite: Millionen gezüchteter Hummeln sterben nach getaner Arbeit unter fragwürdigen Bedingungen. PETBOOK deckt auf, wie ein lukratives Geschäft auf Kosten von Tierwohl und Artenvielfalt funktioniert – und warum der Einsatz von Zuchthummeln kritischer hinterfragt werden muss.

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Hummeln spielen nicht nur in freier Natur eine wichtige Rolle als fleißige Bestäuber. Eine besondere Fähigkeit, die Vibrationsbestäubung, macht sie auch zum idealen Nutztier im kommerziellen Obst- und Gemüseanbau. Besonders Tomatenzüchter, die ihre Früchte in Gewächshäusern anbauen, profitieren von der speziellen Hummelbestäubung. Doch was naturnah und biologisch klingt, ist für die eingesetzten Hummeln im Anbau von Tomaten offenbar alles andere als angenehm. Millionenfach in großen Hallen für die Landwirtschaft gezüchtet, droht ihnen nach getaner Arbeit der Tod durch Verbrennen oder Einfrieren, wie Naturschützer und Hummelexperten kritisieren.

Der Grund: Die Tiere dürfen nicht in die Freiheit entlassen werden, da sie als Gefahr für heimische Insekten gelten. PETBOOK ist diesen Vorwürfen nachgegangen und erläutert, welche Probleme Zuchthummeln bereiten können und wie Händler und Gemüseproduzenten damit umgehen. Die Recherchen haben gezeigt: Mit Hummeln lässt sich offenbar viel Geld verdienen – nicht nur im Anbau von Tomaten. Das Business ist straff organisiert. Nachfragen allerdings werden nicht gerne gehört.

Hummel als günstige Nutztiere im Gemüseanbau

Blüh- und Nutzpflanzen müssen bestäubt werden, um sich vermehren zu können. Zudem fällt der Ertrag bestäubter Obst- und Gemüsepflanzen höher aus, die Qualität der Früchte ist besser. Besonders Nachtschattengewächse wie Tomaten, Auberginen und Kartoffeln benötigen Bestäubung. In freier Natur übernehmen unter anderem Wind, Vögel, Bienen und Hummeln diese Aufgabe. 1

Pflanzen, die in Gewächshäusern oder Folientunneln angebaut werden, sind jedoch für freilebende Insekten nahezu unerreichbar. Vor allem aber Tomaten sind oft geschützt angebaut und kommen dadurch nicht mit Bienen oder Hummeln in Kontakt. Bis Ende der 1980er-Jahre mussten Züchter daher ihre Pflanzen mühevoll händisch schütteln, um die Bestäubung sicherzustellen. Noch heute kursiert unter Hobbygärtnern der Tipp, Tomatenblüten mit einer elektrischen Zahnbürste zu Leibe zu rücken, um die Bestäubung durch Hummeln nachzuahmen und gute Erträge zu erzielen.

Hummeln sind als einzige Bestäuber für Tomaten in Gewächshäusern geeignet

Was bei einer Handvoll Pflanzen noch geht, ist im kommerziellen Anbau jedoch viel zu zeitintensiv und – wegen des hohen Personaleinsatzes – sehr teuer. Daher sind immer mehr Gemüse- und Obstanbaubetriebe auf die Hummel gekommen: Speziell gezüchtete Völker übernehmen die Bestäubungsarbeit im geschützten Anbau. Im Gegensatz zu Honigbienen verlieren Hummeln im Gewächshaus nicht die Orientierung. Damit gelten sie bisher als das einzige Bestäuberinsekt, das erfolgreich im Gewächshaus bestäubt.

Hummeln gehören zu den Wildbienen. Weltweit gibt es rund 250 Hummelarten, 41 davon kommen in Deutschland vor. Neben Acker-, Wiesen- und Gartenhummel dürfte die Dunkle Erdhummel die bekannteste Vertreterin sein. Erkennbar ist sie an ihrem weißen Hinterleib und zwei dunkelgelben Streifen auf ihrem schwarzbraunen Körper. Bei ihrer engen Verwandte, der hellen Erdhummel, sind die Streifen am Körper heller gelb. Arbeiterinnen der Dunklen Erdhummel messen etwa elf bis 17 Millimeter, männliche Tiere, Drohnen genannt, 14 bis 16 Millimeter. In der Natur nisten Erdhummeln bevorzugt in ausgedienten Mäusebauten und anderen, unterirdischen Löchern. 2 3

Die Völker leben eine Saison, im Herbst sterben Arbeiterinnen, Drohnen und Altkönigin. Im Frühjahr bildet die Jungkönigin, die als einzige überwintert hat, ein neues Volk.  Hummeln sind fleißig und besuchen an ihrem 18-Stunden-Arbeitstag rund 3000 Blüten pro Tier. Zudem sind sie meist viel früher unterwegs als ihre Verwandten, die Honigbienen. Während diese erst ab mindestens zehn Grad Celsius anfangen, auszufliegen, reichen Hummeln bereits Tagestemperaturen von zwei bis sechs Grad. Die zum Fliegen nötige Körperwärme bilden Hummeln selbst, indem sie mit ihrer Brustmuskulatur vibrieren.

Mit Vibrationen zu besserer Ernte

Die Fähigkeit, vibrieren zu können, sorgt jedoch nicht nur für einen wohlig-warmen Körper der Tiere. Auch bei der Bestäubung bestimmter Pflanzen ist die Fähigkeit der Hummel nützlich. Denn sie schafft dadurch, was weder Biene noch Schmetterling gelingt: Etwa tief in einer Tomatenblüte festsitzende Pollen herauszuschütteln. Dazu lässt sich die Hummel unter den Staubblättern der Tomatenblüte nieder, beißt sich daran fest und vibriert mit der Muskulatur ihrer Flügel. Vibrationsbestäubung wird dieses Verfahren daher passend genannt.

Dadurch lösen sich die Pollen aus der Blüte und fallen sowohl auf darunter liegende Blüten und auf die Hummel selbst. Somit werden umliegende Blüten bestäubt. Außerdem trägt die Biene Pollen aus ihrem Pelz zu anderen Blüten, wo sie an der klebrigen Narbe des Blütenstempels hängen bleiben und die Pflanze ebenfalls bestäuben. Dieser Effekt ist es, der Hummeln für die kommerzielle Landwirtschaft und besonders für Züchter von Tomaten interessant macht. Seit Ende der 1980er-Jahre werden die Tiere daher gezielt gezüchtet.4

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Umweltverbände kritisieren Massenzucht der Hummeln für die Bestäubung von Tomaten

Während ein Honigbienenvolk gleich mehrere Tausend Sammlerinnen zur Bestäubung zur Verfügung stellt, leben in einem Hummelsaat im Schnitt 500 Tiere. Je nach Bedarf und Größe der zu befruchtenden Anbaufläche kommen daher gleich mehrere Kartons mit Hummelvölkern an verschiedenen Stellen der Gewächshäuser zum Einsatz. 40 Arbeiterinnen können etwa 1000 Quadratmeter Tomatenpflanzen für acht bis zwölf Wochen bestäuben. Der Vorteil: Nicht nur das teure und mühsame händische Bearbeiten der Pflanzen entfällt. Dort, wo Hummeln aktiv sind, werden in der Regel auch deutlich weniger chemische Mittel gegen Schädlinge und Pflanzenkrankheiten eingesetzt. Denn diese könnten auch der Hummel schaden.

Umweltverbände und Hummelexperten sind vom großangelegten Einsatz der brummenden Bestäuber dennoch nicht begeistert. Sie kritisieren unter anderem Massenzucht der Tiere unter schlechten Bedingungen, vorbeugende Medikamentengaben, die Verbreitung von Krankheiten und Gefahren für die heimische Insektenwelt. Zudem würden Hummeln, die nicht mehr benötigt werden, kurzerhand getötet. Ist tatsächlich etwas dran an diesen Vorwürfen?

Dunkle Erdhummel bevorzugt

Gezüchtet wird meist die Dunkle Erdhummel, wissenschaftlich Bombus terrestris. Ursprünglich begann die Hummelzucht noch mit Wildfängen aus der Türkei und Griechenland. Heutzutage werden Hummeln speziell für den Einsatz in Gewächshäusern und Folientunneln millionenfach in großen Hallen herangezogen.

Durch gezielte Auswahl sind die Hummeln inzwischen offenbar auf Höchstleistung getrimmt. Mit ihren wilden Verwandten haben sie nicht mehr viel gemein, wie Hummelexperte Harry Abraham aus Willich in Nordrhein-Westfalen im Gespräch mit PETBOOK erläutert. „Hummeln gehen denselben Weg wie Honigbienen, die für menschliche Bedürfnisse immer weiter verzüchtet wurden.“

Der größte Teil der weltweit produzierten Tomaten wird durch Hummeln bestäubt

Tatsache ist: Ein niederländischer Hummelzüchter, dessen Tiere auch in Deutschland eingesetzt werden, wirbt mit besonders langlebigen und großen Völkern. Das „Bestäubungspotenzial“ seiner Tiere sei bis zu 30 Prozent höher als das der Hummeln anderer Anbieter. Rund 30 Betriebe weltweit betreiben Hummelzucht, in Europa sind Belgien, die Niederlanden und Spanien führend. Und das Hummel-Business brummt: Inzwischen werde der größte Teil der rund um den Globus produzierten Tomaten durch Hummeln bestäubt. Das teilte die Tierschutzorganisation Peta mit Berufung auf Zahlen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) bereits vor einigen Jahren mit.

Zur Orientierung: Im Jahr 2023 wurden weltweit rund 190 Millionen Kilogramm Tomaten erzeugt. Deutsche Hummelzüchter sind meist als lokale Vertriebspartner für Großzüchter aus dem benachbarten Ausland tätig, wie zwei Betriebe auf Nachfrage von PETBOOK angaben. Sie vertreiben, was unter anderem in den Niederlanden herangezogen wurde. 5 6

Zuchthummeln als Gefahr für heimische Insekten

Doch selbst wenn die Hummeln, die für die Zucht von Tomaten in heimischen Gewächshäusern eingesetzt werden, Zuchtformen der natürlich vorkommenden Dunklen Erdhummel sind – aus ihren Einsatzorten entkommen und sich mit ihren wildlebenden Verwandten paaren, sollten die Zuchtexemplare nicht. Nicht nur, weil es in Deutschland schlichtweg verboten ist, nicht heimisch vorkommende Tiere freizulassen, wie Hummelkenner Abraham betont. Er beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren mit Hummeln, klärt über die Tiere auf und weiß, wie man sie am besten in den Garten lockt. 7

Wie zahlreiche Natur- und Umweltverbände ist auch er ein Kritiker der kommerziellen Hummelbestäubung. Unter anderem stelle das Entkommen gezüchteter Tiere eine Gefahr für ihre freilebenden Verwandten dar, wie auch der Naturschutzbund (Nabu) Südbaden und die Stiftung für Mensch und Umwelt mitteilen.

Erdhummel drängte einheimische Art in Chile an den Rand des Aussterbens

Die Verpaarung gezüchteter, entkommener Hummeln mit wilden Tieren, befürchten Experten, hätte zur Folge, dass heimische Wildhummel-Arten in ihrer ursprünglichen Form irgendwann vermutlich nicht mehr existieren. Diese „Faunenverfälschung“ könne den Artenbestand in einem Gebiet nachhaltig verändern, so etwa der Nabu.8

Schon 2018 etwa berichtete der Belgische Rundfunk- und Fernsehsender BRF darüber, dass aus Belgien stammende Zuchthummeln in Südamerika für Unruhe sorgten. Der Grund: Die zwar in Europa, nicht aber in Südamerika heimische Dunkle Erdhummel kam in der neuen Heimat hervorragend zurecht und wurde zur invasiven Art. Von Chile breitete sie sich rasch bis Argentinien aus. Dort brachte sie unter anderem die in Südamerika heimische Riesenhummel Bombus dahlbomii an den Rand des Aussterbens. In einigen Regionen gab es sie bald darauf nicht mehr. 9

Kommerziell gezüchtete Hummelvölker oft von Parasiten befallen

Auch in Nordamerika richteten entkommene Export-Hummeln Schäden an. So sollen sie unter anderem die heimische Gelbgebänderte Hummel und die Rostbraungefleckte Hummel verdrängt haben. Die Sorte Franklins Hummel gilt gar seit 2006 als ausgestorben, wie der Nabu Südbaden mitteilt. Die Tiere wurden demnach entweder von der starken Konkurrenz der Zuchthummeln oder von eingeschleppten Krankheiten verdrängt. Denn nicht nur als Nahrungs- und Habitatkonkurrent bereiten Export-Hummeln offenbar Probleme. Gezüchtete Exemplare bringen ihre in der Natur lebende Verwandtschaft mit unbekannten Parasiten und Krankheiten in Kontakt, denen wilde Hummeln nichts entgegenzusetzen haben.

Eine britische Studie aus dem Jahr 2013 zeigte etwa, dass kommerziell gezüchtete Hummelvölker in 37 von 48 Fällen von Parasiten befallen waren. Diese können auch auf wildlebende Verwandte übergreifen. Entflogene oder absichtlich in die Freiheit entlassene Tiere könnten also Erreger entweder direkt an andere Hummeln oder indirekt, etwa über an Blüten hinterlassene Spuren, übertragen. Bedient sich eine erkrankte Hummel an den Pollen einer Blüte, kann sie Spuren ihrer Erreger dort hinterlassen. Fliegt ein anderes Insekt diese Blüte an, kann es die Erreger zusammen mit den Pollen aufnehmen.10

Massentierhaltung und Antibiotika-Einsatz?

Parasiten spielten offenbar auch eine Rolle bei der drastischen Dezimierung der Orangen Erdhummel aus Südamerika. Ihre europäische Verwandte, die. man zur Bestäubung von Kulturpflanzen importiere, brachte offenbar Parasiten mit. Diese setzten der heimischen Hummelart stark zu.

Ein Grund dafür, dass Parasiten unter Zuchthummeln ein leichtes Spiel haben, sehen Hummelexperten wie Harry Abraham in der Massenzucht der Tiere. Zuchthummeln würden in großen Hallen dicht an dicht, zusammengepfercht in Plastikboxen, herangezogen, wie etwa Hummelkenner Harry Abraham und der Naturschutzbund Nabu mitteilen. „Die Tiere stehen dort zu Tausenden gestapelt in Plastikboxen, werden mit Zuckerlösung gefüttert, damit sie heranwachsen und dann in alle Welt verschickt“, so Abraham. „Das hat mit Öko nichts mehr zu tun.“ Diese Massentierhaltung bietet Pilzen, Viren und Bakterien ein ideales Umfeld. In den engen Boxen können sich Parasiten und Bakterien schnell von Volk zu Volk verbreiten.

Um das eindämmen zu können, müssten Hummelzüchter, ähnlich wie in der Mast von Schweinen und Hühnern, vorbeugend zu Medikamenten greifen. „Wir kennen das Problem aus der Massentierhaltung, beispielsweise von Zuchtschweinen“, so auch der Nabu Südbaden auf seiner Homepage. „Dort werden prophylaktisch Medikamente wie Antibiotika eingesetzt.“ So gehe man auch bei Hummeln vor, wie Abraham sagt: „Die Tiere werden allein schon deshalb mit Antibiotika versorgt, damit sie die paar Wochen, die sie in einem Gewächshaus bestäuben sollen, überhaupt überstehen.“

Eine Million Zuchthummeln pro Jahr

Wer seine Anpflanzungen von Hummeln bestäuben lassen möchte, kann die Tiere wie Bekleidung oder Bücher im Internet bestellen. Je nach zu bestäubender Anpflanzung und Größe des Areals können einzelne oder zusammengesetzte, größere Kartons mit je rund 60 bis 70 Tieren pro Volk bestellt werden. 11

Die Preise für die tierische Ware sind jedoch nicht öffentlich einsehbar. Auch auf Nachfrage von PETBOOK bei mehreren Händlern nannten diese keine Preise. Nur, dass die Tiere mit dem verringerten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gehandelt werden, teilte ein Händler auf Nachfrage mit. Verschickt werden die Tiere in den Behältnissen, in denen sie später auch im Gewächshaus leben werden. Meist sind es stabile Boxen mit einem Umkarton, in denen sich das Hummelnest befindet. 12 13

In der Regel werden Arbeiterinnen inklusive Kokons, Puppen und Königin verschickt. In der Anfangszeit der Hummelzucht seien die Tiere ohne Königin verschickt worden, so Hummelexperte Harry Abraham. Inzwischen ist man jedoch von dieser Praxis abgerückt, da ein Volk mit Königin deutlich länger lebt als eines ohne.

Händler von Hummelvölkern geben kaum Auskunft

Rund acht bis zwölf Wochen, je nach zu bestäubender Pflanzenart und Menge, werden die Hummeln im Schnitt eingesetzt. Mehr als eine Million Hummelvölker kommen so pro Jahr allein in Europa für die kommerzielle Nutzung zum Einsatz. Zwar klingt die Hummelzucht überwiegend nach einem Saisongeschäft, vor allem, wenn es um das Befruchten von heimischen Beeren geht. Dennoch: „Wir verkaufen eigentlich das ganze Jahr über für Gewächshäuser“, so ein Händler gegenüber PETBOOK. Ansonsten gibt er sich wortkarg – so wie auch sämtliche seiner befragten Kollegen.

Einer der größten Hummelzuchtbetriebe mit Sitz in den Niederlanden wirbt zwar mit seinen brummenden Exportschlagern und einem großen Händlernetz. Hinter die Fassade schauen lassen wollen sich die Beteiligten aber nicht und sorgen offenbar dafür, dass auch ihre Vertriebspartner und Kunden nicht zu viel verraten. Nahezu jeder Hummelhändler, der in Deutschland aktiv ist, hat jedoch offensichtlich Verbindungen zum Großzüchter aus den Niederlanden. 14

„Wir züchten die Tiere nicht, wir vertreiben sie nur“, hieß es mehrfach auf PETBOOK-Anfrage. Fragen zur Hummelhaltung, zum Versand und damit, was mit den Tieren nach verrichteter Arbeit geschieht, beantwortete keiner der deutschen Partner. Da noch lebende Hummeln wie bereits beschrieben allerdings nicht freigelassen und auch nicht zurückgeschickt werden dürfen, wie ein von PETBOOK befragter Hummelhändler dennoch aussagte, scheint das Schicksal der Tiere besiegelt.

Werden Hummeln nach der Arbeit grausam getötet?

In Großbritannien sollen Hummeln, die zur Bestäubung eingesetzt wurden, nach erledigter Arbeit getötet werden. So lautet eine Vorgabe der Züchter. Nutzer sollen die Nester dazu entweder einfrieren oder mitsamt der Tiere verbrennen. Die Tierschutzorganisation Peta berichtete in ihrer Zeitschrift „Du und das Tier“, dass diese Praxis unter Hummelnutzern „gang und gäbe“ sei. Seitens der Hummelzüchter werde empfohlen, die Kartons mit den darin lebenden Tieren in Plastiktüten zu packen und mindestens für eine Woche einzufrieren.

„Häufig werden diese aus Kostengründen aber nicht kalt oder lange genug gekühlt“, heißt es bei Peta dazu. „In diesen Fällen kommt es bei der anschließenden Entsorgung vor, dass Tiere aus der Kältestarre erwachen und dann entweder ersticken oder in den Plastiktüten verhungern.“ Um die Kosten für das Einfrieren zu umgehen, würden Hummelnester oft auch verbrannt. „Allerdings entkommen dabei immer einige Tiere, die dann in einem langen Todeskampf sterben, weil ihre Flügel und ihr Pelz versengt oder von Wachs verklebt sind“, so Peta. „Beide Tötungsarten sind also mit zum Teil sehr hohem Tierleid verknüpft – abgesehen davon, dass jedes Jahr unzählige Hummeln auf diese Art und Weise sterben müssen.“

Umfragen aus Großbritannien zeigen: Viele lassen Hummeln aus Mitleid frei

Wie Umfragen vor einigen in Großbritannien zeigten, hielten sich jedoch nur wenige Gemüsebauern an diese Vorgaben. Viele ließen die Tiere aus Mitleid frei oder setzen sie gleich im Freien ein, etwa in Obstplantagen. Ein von PETBOOK befragter deutscher Vertriebspartner versicherte hingegen, dass seine Kunden nicht angehalten seien, die Hummelvölker nach der Bestäubungsarbeit zu vernichten. „Die Tiere leben ja ohnehin höchstens 23 Wochen, dann sterben sie von alleine.“ Eine Tötung der Tiere sei daher nicht nötig.

Dass entflogene Hummeln womöglich eine Gefahr für ihre wilden Verwandten darstellen könnten, wies man auf Nachfrage ebenfalls zurück. „Die Hummeln entfliegen nicht, sie kehren immer wieder zu ihrem Volk zurück, und das steht im Gewächshaus“, so der Geschäftsführer des Vertriebspartners. Mehr wolle er aber nicht sagen.

Tomatenproduzent schweigt zum Hummelschicksal

Pflanzenzüchter, die Hummeln in ihren Plantagen einsetzen, halten sich auf Nachfrage ebenfalls bedeckt. Ein großer, niederländischer Tomatenproduzent, der seine Früchte hierzulande unter anderem über einen norddeutschen Discounter und eine genossenschaftlich organisierte Supermarktkette vertreibt, wirbt zwar explizit mit der Hummelbestäubung. Auf Anfrage, ob man dazu ein paar Fragen beantworten wolle, gab man sich zunächst auch freundlich und zuvorkommend. Auf den versandten Fragenkatalog aber ging man letztlich nicht ein.

Zunächst hieß es, dass die zuständigen Mitarbeiter in Urlaub seien. Schließlich sandte man die Fragen doch noch „intern“ weiter, wie es hieß. Die schließlich eingereichten Antworten aber überraschten: Sie kam eben nicht vom Tomatenproduzenten selbst, sondern von einem der größten europäischen Hummelzüchter aus den Niederlanden, der seine Tiere unter anderem über jene deutschen Händler vertreibt, die sich zuvor ebenfalls mit Auskünften zurückgehalten hatten. Die Fragen danach, was mit den Hummeln passiert, wenn alle Blüten der Tomaten bestäubt sind und wie es ist, sollten einige der Tiere ihrem Gewächshaus entkommen, wurden auch dieses Mal nicht beantwortet. Stattdessen schickte der Hummelzüchter über den Tomatenproduzenten einen kurzen, wohlklingenden Werbeflyer, in dem sich all jene Sätze wiederfanden, die auch schon von den deutschen Händlern getätigt wurden.

„Hummelzucht ist eben aus zahlreichen Gründen ein streng gehütetes Geheimnis“, so Hummelexperte Harry Abraham im Gespräch mit PETBOOK. Nicht nur, weil offenkundig sehr viel Geld dahintersteckt, aber Massenzucht und Medikamentengabe nicht ins gern gezeigte Bild vom naturnahen Anbau passen. Auch die Tatsache, dass die Zucht sehr viel Energie verbrauche und Hummelvölker in die ganze Welt verschickt würden, habe wenig mit ökologischem und umweltfreundlichem Handeln zu tun. Der Verdacht, dass Hummeln nach getaner Arbeit grausam getötet werden, befleckt das Image der kommerziellen Hummelbestäubung außerdem.

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Fazit: Hummeln werden unter fragwürdigen Bedingungen für Anbau von Tomaten gezüchtet – ihr Schicksal ist ungewiss

Die Bestäubung von Tomaten durch Hummeln in Gewächshäusern sorgt für gesündere Pflanzen, besseres Wachstum und mehr Ertrag. Sobald Hummeln im Einsatz sind, werden zudem weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht. Das ist gut für Produzenten und Verbraucher. Doch die Zucht der Hummeln verschlingt viel Energie, ihr Transport quer durch Europa und in aller Welt ist CO₂-intensiv und wenig umweltfreundlich.

Zudem werden die Tiere offenbar unter fragwürdigen Bedingungen gezüchtet und eingesetzt. Ihr Schicksal nach erledigter Bestäubungsarbeit ist ungewiss, auch ihr Einfluss auf heimische Insekten muss weiter beobachtet werden. Auf diese Vorwürfe mit Transparenz und Offenheit zu reagieren, wäre daher die Aufgabe von Hummelzüchtern und Gemüseanbaubetrieben, die diese Tiere einsetzen. Doch dort schweigt man sich lieber aus. Vertrauenerweckend ist das nicht und schadet dem Ruf des angeblich naturfreundlichen und biologisch einwandfreien Hummelgeschäfts.

Themen Insekten

Quellen

  1. deutscherimkerbund.de, „Was Sie über Bienen & Blumen wissen sollten“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  2. Bund Naturschutz in Bayern e. V., „Hummeln im Garten – Bestimmungshilfe und Tipps zum Hummelschutz“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  3. nabu.de, „Nur echt mit der gelben Binde“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  4. landwirtschaft.de, „Welche Rolle spielen Hummeln als Bestäuber?“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  5. landwirtschaft.de, „Tomaten“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  6. fruchtportal.de, „Weltweite Tomatenproduktion erreichte mit über 192 Milliarden Kilo einen historischen Rekord“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  7. das-hummelhaus.de, „Warum keine Hummelvölker kaufen?“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  8. nabu.de, „Probleme durch Einwegbestäuber“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  9. deutschland-summt.de, „Hummeln und Mauerbienen im Einsatz der
    Landwirtschaft
    “ (aufgerufen am 04.07.2025)
    ↩︎
  10. pollenhoeschen.de, „Hummeln kaufen?“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  11. bestaeubungsimker.de, „Natupol – Die beste Investition für eine sichere Bestäubung“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  12. bestaeubungsimker.de, „Produktübersicht - Natürliche Bestäubung“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  13. royalbrinkman.de, „Hummelvölker“ (aufgerufen am 04.07.2025) ↩︎
  14. tastytom.de, „Vom Samen zur Tomate“ (aufgerufen am 04.07.2025 ↩︎

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