
4. Juni 2025, 6:43 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Im Internet werden sie als ereignisreiche Freizeitaktivität beworben und als Chance, dem Alltag zu entfliehen und zu entschleunigen: Alpaka-Wanderungen. Doch wie tierschutzkonform sind diese Veranstaltungen?
Alpaka-Wanderungen sind in den letzten Jahren zu einem beliebten Freizeittrend geworden – ob als besonderes Erlebnis in der Natur, als Geschenkidee oder als Entspannungsprogramm mit tierischer Begleitung. Im Internet werden sie als Freizeitaktivität beworben und als Chance, dem Alltag zu entfliehen und zu entschleunigen. Doch während die flauschigen Tiere mit ihren sanften Augen und ihrer ruhigen Ausstrahlung viele Menschen verzaubern, stellt sich zunehmend auch eine kritische Frage: Sind Alpaka-Wanderungen eigentlich mit dem Tierschutz vereinbar?
Was sind Alpaka-Wanderungen?
Bei einer Alpaka-Wanderung führen Teilnehmer jeweils ein Alpaka an einem Halfter durch Wald- und Wiesenwege, meist begleitet von einem erfahrenen Tierhalter. Die Touren dauern in der Regel zwischen ein und zwei Stunden und beinhalten oft auch Informationen über die Tiere und deren Haltung. Die meisten Anbieter begrenzen die Touren auf eine Personenzahl von bis zu 10 oder 15 Personen. Einige bieten auch Gruppengrößen von bis zu 20 Personen an. Je nach Anbieter variiert das Mindestalter zwischen fünf und zwölf Jahren, wobei die Begleitung eines Erziehungsberechtigten bei Kindern unter zwölf Jahren meist die Regel ist.
Der Reiz für den Menschen
Alpakas wirken auf viele Menschen beruhigend. Ihre sanfte Art, die langsame Fortbewegung und ihre scheue Neugier machen sie auf den ersten Blick zu idealen Begleitern für naturnahe Entschleunigung. Viele Anbieter werben mit „tiergestützter Entspannung“ oder „Achtsamkeit mit Alpakas“. Auch Kinder, Senioren oder Menschen mit Beeinträchtigungen sollen von der ruhigen Präsenz der Tiere profitieren. Oft wird ein langsames Kennenlernen der Tiere mit anschließendem Spaziergang beworben. Doch genau hier beginnt die Diskussion.
Zwischen artgerechter Haltung und touristischer Belastung
Alpakas sind ursprünglich Flucht- und Herdentiere und keine klassischen Kuscheltiere. Auch wenn sie zahm erscheinen, mögen sie Körperkontakt häufig nicht besonders – Streicheln ist für viele Tiere unangenehm. Sie sind außerdem sozial lebende Herdentiere mit einem starken Bedürfnis nach Sicherheit und klaren Strukturen. Der ständige Kontakt mit wechselnden Menschen, das Anfassen und Führen durch ungewohnte Umgebungen kann – je nach Temperament und Training – erheblichen Stress für sie bedeuten.
Die Tierrechtsorganisation Peta rät dringend davon ab, an Alpaka-Wanderungen teilzunehmen. Sie betonen, dass die Nähe zu Menschen zu Verhaltensstörungen wie etwa BLS (Berserk Llama Syndrome) der Tiere führen kann. Diese Störung gilt als unheilbar, und betroffene Tiere werden meist getötet. Außerdem können die Tiere Krankheitserreger in sich tragen, die auf Menschen übertragbar sind und die besonders für Kinder und ältere Personen ein höheres Gesundheitsrisiko darstellen.
Auch weisen sie auf die gemütliche Natur der Alpakas hin und dass diese nicht für längere Wanderungen ausgelegt sind. Sie benötigen regelmäßig lange Pausen zum Essen und Wiederkäuen. Als weiteres Argument gegen Alpaka-Wanderungen nennt Peta die Tatsache, dass Alpakas in Deutschland oft nicht artgerecht gehalten werden. Die Tiere, die ursprünglich aus den südamerikanischen Anden kommen, sind Temperaturen, die wärmer als 20 Grad Celsius sind, nicht gewohnt und leben eigentlich auf harten, steinigen Böden. In Deutschland ist es ihnen daher oft zu warm. Besonders im Sommer leiden die Tiere schnell unter der Hitze.1
Auch interessant: Wie hält man Alpakas artgerecht?
Meine persönliche Erfahrung
Ich habe vor Jahren einen Gutschein für eine Alpaka-Wanderung geschenkt bekommen und diesen vor Kurzem eingelöst. Ich muss gestehen, dass ich mit Skepsis in dieses Erlebnis gestartet bin – hauptsächlich wegen des Tierschutzgedankens. Aber ich wollte mir selbst ein Bild machen.

Ich möchte betonen, dass ich nicht für alle Anbieter sprechen, sondern nur meine Erfahrung beurteilen kann. Zuallererst: Unter einer Alpaka-Wanderung habe ich mir etwas anderes vorgestellt. Der Begriff Spaziergang würde es meines Erachtens besser treffen.
Was gegebenenfalls als Enttäuschung gesehen werden könnte, ist aber positiv zu werten: Bei meiner Alpaka-Wanderung handelte es sich um keine mehrstündige Wanderung über Stock und Stein, sondern vielmehr um einen gemütlichen Spaziergang, der von vielen ausgiebigen Futterpausen durchzogen wurde. Im Grunde genommen liefen wir mit den Alpakas von Futterstelle zu Futterstelle, wo die Tiere dann gemütlich und ausgiebig grasten.
Was mir positiv auffiel, war, dass die Alpakas den Ton angaben. Wenn sie Lust hatten zu laufen, setzten sich auch die Menschen in Bewegung. Blieben sie aber stehen und grasten eine längere Zeit, waren auch wir gezwungen, Pause zu machen. Hier kam wohl der beworbene Entschleunigungsfaktor ins Spiel. Unsere Leiterin wies auch mehrfach darauf hin, dass sich nach den Tieren gerichtet wird und man sie keinesfalls zum Losgehen zerren sollte. Auch das Animieren hätte keinen Zweck – die Tiere haben ihren eigenen Kopf und gehen los, wenn sie es möchten.
Für Kinder ungeeignet?
Gerade für Kinder scheint eine Alpaka-Wanderung die ideale Freizeitbeschäftigung zu sein. Sie sind in der Natur, bewegen sich an der frischen Luft und können die Tiere von ganz nah betrachten. Doch oft bleibt es nicht nur beim Betrachten. Schließlich ist die Versuchung groß, die niedlich aussehenden Tiere mit ihrem weichen Fell zu streicheln.
Bei der Wanderung, die ich besucht habe, habe ich es selbst erlebt. Auch wenn zu Beginn darauf hingewiesen wurde, dass die Tiere keine Kuscheltiere seien und man sie nicht streicheln sollte, dauerte es nicht lang, bis einige Kinder die Alpakas am Kopf und am Körper streichelten. Auch, dass man die Tiere nicht führen, sondern mit ihnen laufen sollte, fiel den Kindern schwer. Häufig sah ich, wie sie versuchten, die Alpakas zum Weiterlaufen zu drängen und an ihren Leinen zerrten. Hier wäre das Einschreiten der Leiterin wichtig gewesen.
Einige Anbieter geben als Teilnahmebedingungen für Alpaka-Wanderungen ein Mindestalter an. Dieses variiert je nach Anbieter zwischen fünf und zwölf Jahren. Kinder unter zwölf Jahren benötigen in der Regel die Begleitung eines Erziehungsberechtigten. Dennoch halte ich diese Art der Wanderungen für Kinder ungeeignet. Viele Kinder sind gerade in jungen Jahren noch nicht in der Lage, den Bedürfnissen der Tiere gerecht zu werden oder auf diese zu achten und gleichzeitig ihre eigenen – wie etwa das Streicheln und Kuscheln der Tiere – in den Hintergrund zu stellen.
Wenn dann noch eine ausführliche Aufklärung über die Tiere fehlt, wie es bei meiner Aktivität der Fall war, kann eine solche Wanderung schnell zu einer Katastrophe führen – hauptsächlich für die Tiere. Und deren Wohl sollte schließlich im Fokus stehen.

Warum das „Haustier des Jahres 2024“ eigentlich keines ist

Wie hält man Alpakas artgerecht?

Sollte man mit Alpakas Hochzeitsfotos machen?
Worauf zu achten ist
Vor einer Wanderung kann man sich bei den jeweiligen Anbietern zum einen Informationen über die Haltung der Alpakas einholen. Die wichtigste Frage, die man sich vorab stellen sollte, ist, ob die Alpakas in ihrem Herdenverbund laufen dürfen. Ist dies nicht der Fall, ist dies als tierschutzwidrig einzustufen, da die Tiere ohne die Mitglieder ihres Verbundes sehr leiden. Wer unbedingt einmal die niedlichen Tiere aus nächster Nähe sehen und gern an einer Alpaka-Wanderung teilnehmen möchte, sollte zudem auf folgende Punkte achten:
- Wo leben sie?
- Wie werden sie versorgt?
- Wie sieht ihr Alltag aus?
- Haben sie Rückzugsmöglichkeiten?
- Wie häufig kommen sie für Wanderungen zum Einsatz?
Zum anderen kann die Gruppengröße erfragt werden. Je kleiner die Gruppen, desto stressfreier kann die Aktivität für die Tiere sein.
Vor Ort sollte man auf einen respektvollen Umgang der Menschen mit den Tieren achten. Idealerweise klärt geschultes Personal über die Tiere und deren Bedürfnisse auf. Der Fokus sollte dabei immer auf dem Wohl der Tiere liegen, sie sollten als Lebewesen und nicht als Eventmaterial gesehen werden und die Aktivität keinesfalls einem Streichelzoo ähneln.