
13. Mai 2025, 10:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
PETBOOK-Redakteurin Louisa Stoeffler findet: Die letzte Stunde im Leben eines Haustiers ist nicht der Moment für sentimentale Gesten auf Kosten der Tiergesundheit. Schokolade für sterbende Hunde und Katzen? Das ist nicht tröstlich – das ist falsch verstandene Tierliebe.
Ich musste schon vielen Haustieren Lebewohl sagen. Das letzte Streicheln, der Blick, der hängen bleibt, die Stille danach – das sind Momente, die sich einprägen. Für immer. Aber eines ist mir dabei klar: Sterbende Hund und Katze brauchen in den letzten Minuten Liebe, Nähe – aber ganz sicher keine Schokolade.
Woher der Gedanke kommt
Und doch gibt es Tierarztpraxen, die genau das tun: Sie bieten sogenannte „goodbye kisses“ an – ein Stück Schokolade als „süßer Trost“ auf dem letzten Weg. Die Smiths Station Animal Hospital schreibt auf ihrer Facebook-Seite gar, ein Glas mit Hershey’s Chocolate Kisses, einer sehr bekannten Süßigkeit in den USA, sei für ihre Euthanasiepatienten reserviert. „[D]enn kein Hund sollte in den Himmel kommen, ohne Schokolade zu kosten.“
Dieser Post kursiert seitdem im Netz und rührt viele zu Tränen, die schon einmal ein Tier verloren haben. Allerdings merkt man hier schnell: Um die Bedürfnisse des Tiers geht es nicht, sondern um die menschliche Trauer. Das macht mich fassungslos.
Nicht nur, weil Schokolade für Hunde und Katzen lebensgefährlich sein kann. Sondern, weil es eine Form von Vermenschlichung ist, die in einem Moment passiert, in dem wir besonders viel Verantwortung tragen – nicht für unser Gefühl, sondern für das Wohl des Tiers. Denn was viele offenbar verdrängen: Schokolade ist Gift für unsere liebsten Haustiere – und wir geben sie ihnen aus guten Gründen nicht, solange sie noch gesund sind.
„Goodbye kisses“ mit Nervengift
Der Stoff, der Schokolade für uns Menschen so angenehm macht, heißt Theobromin. Bei uns wirkt er mild anregend, ähnlich wie Koffein. Doch Hunde und Katzen können diesen Stoff kaum abbauen – er bleibt stundenlang in ihrem Körper und reizt das zentrale Nervensystem. Die tiermedizinische Hochschule der Justus-Liebig-Universität in Gießen listet einmal die Symptome einer Schokoladenvergiftung bei Hund und Katze auf:
- Gleichgewichtsstörungen
- Ganganomalien
- Zitteranfälle
- Herzrasen
- epileptische Anfälle
Die Stimulation vom Theobromin ist also für das Nervensystem der meisten Tiere zu viel. Auch Beke Enderstein, Ökotrophologin und Ernährungsexpertin, warnt in ihrem Beitrag bei uns, dass Kakao und Schokolade allein dem Tierbesitzer vorbehalten sein sollten:
Futtert der unbeobachtete Hund heimlich ein paar Pralinen vom Tisch, kann es zu Verdauungsstörungen wie Erbrechen, Durchfall und Krampfanfällen mit Gleichgewichtsstörungen und Zittern kommen. Bei höheren Dosen werden Herzrasen und epileptische Anfälle beobachtet. Im schlimmsten Fall ist der Tod des Hundes durch Herzversagen nicht auszuschließen.
Zu viel Schokolade ersetzt dann schnell das Mittel zum Einschläfern
Bereits 20 bis 30 Milligramm Theobromin pro Kilo Körpergewicht lösen erste Symptome aus. Bei 100 Milligramm kann es tödlich werden. Ein Mittel zum Einschläfern braucht es dann auch nicht mehr, allerdings sterben Hund und Katze dann an einer Vergiftung mitsamt Krampfanfällen.
Ich frage mich: Wie kann es sein, dass wir das wissentlich einem sterbenden Tier noch zumuten? Würden wir uns selbst kurz vor dem Ableben noch eine Dosis Nowitschok verpassen, damit wir wissen, wie es sich anfühlt?
Was zählt am Ende wirklich?
Auch wenn ich gerade sehr drastisch wurde: Ich verstehe die Geste durchaus. Ich verstehe den Gedanken: „Noch ein Leckerbissen, bevor es vorbei ist.“ Aber Schokolade ist kein Leckerli. Sie ist kein Akt der Fürsorge – sondern ein riskanter Irrweg. Und wenn das Haustier ohnehin geschwächt, krank oder sediert ist, kann selbst eine kleine Menge Schokolade eine zusätzliche Qual bedeuten. Warum sollte ich das meinem besten Freund am Ende noch antun?
Es geht nicht darum, ob das Tier „eh stirbt“. Diese Haltung ist zynisch. Es geht darum, wie es stirbt – in welchem Zustand, mit welchen Empfindungen, mit welchem Maß an Würde. Schokolade ist kein Symbol der Liebe, wenn sie Leid bringt.
Wahre Tierliebe zeigt sich im Verzicht
Es fällt uns Menschen oft schwer, Dinge einfach sein zu lassen, wenn sie nicht uns, sondern nur dem Tier dienen. Ein besonders geliebtes Spielzeug? Vielleicht. Ein vertrauter Geruch? Sehr gern. Aber bitte keine Substanz, die in jedem Ratgeber für Hundegesundheit – und so auch bei uns – unter „hochgiftig“ geführt wird.
Ich finde, wir müssen aufhören, unsere Haustiere durch die menschliche Brille zu sehen – gerade in den sensibelsten Momenten. Sterbende Hund und Katze brauchen keinen „letzten Kuss aus Schokolade“. Sie brauchen uns. Unsere Nähe, unsere Liebe, unseren Mut.
Wenn wir es nicht schaffen, in den letzten Minuten stark für das Tier zu sein, ist das menschlich. Aber dann sollten wir wenigstens nichts tun, was seinen Zustand verschlimmern könnte – aus einer falschen Idee von Liebe heraus.

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„Sein Tier beim Einschläfern alleinzulassen, ist purer Egoismus!“
Ein Appell an Halter und Tierärzte
Ich wünsche mir daher, dass sich Tierarztpraxen kritisch mit diesem Thema auseinandersetzen. Und dass Halter sich fragen: Ist diese Geste für mein Tier – oder bin doch ich allein der Meinung, es braucht eine Süßigkeit, die ich selbst mag?
Wenn es um Abschied geht, ist weniger manchmal mehr. Ein Blick, ein beruhigendes Streicheln. Eine Stimme, die sie kennen. Das ist der letzte Kuss, den Hund und Katze wirklich brauchen. Nicht mehr – aber bitte auch nicht weniger.