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Fellstruktur wie Mammuts

Diese Pferde überleben Temperaturen von bis zu minus 70 Grad

Jakutpferde stehen bis über die Fesseln in schneebedeckter Landschaft
Jakutpferden macht es nichts aus, viele Monate des Jahres auf Schnee zu leben. Ganz nebenbei haben sie wirklich schlaue Strategien entwickelt, mit denen sie gut mit eisigen Temperaturen klarkommen. Foto: picture alliance / robertharding | Michael Runkel
Louisa Stoeffler
Redakteurin

14.02.2024, 16:28 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Denkt man an Regionen nördlich des arktischen Polarkreises, fallen einem Eisbären oder Rentiere als Erstes ein. Dass dort auch Pferde leben können und sich an die rauen Gegebenheiten anpassen, scheint eher unwahrscheinlich. Doch das Jakutpferd hat genau das getan und trotzt eisigen Temperaturen mit „Frostschutzmittel“ im Blut und „Sekunden-Winterschlaf“.

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Die Region Jakutien – genauer die ostrussische Republik Sacha – ist nicht nur fast so groß wie Indien, sie ist auch einer der kältesten Landstriche des Planeten. 40 Prozent dieser Region liegen oberhalb des arktischen Polarkreises. In dieser Gegend erwartet man eigentlich wenig Leben, oder doch allerhöchstens Tiere, die typisch für die Arktis stehen. Dass sich dort auch hoch spezialisierte Pferde – und nicht Eisbären oder See-Elefanten – finden, ist jedoch eher ungewöhnlich. Doch die Jakutpferde sind nicht nur für perfekt an ein Leben bis minus 70 Grad angepasst, sie haben es auch so schnell geschafft, dass sie evolutionäre Prozesse damit quasi „ausgetrickst“ haben.

Pferde Jakutiens schlagen der Evolution in nur wenigen Jahrhunderten ein Schnippchen

Viele Tier-Arten sind Spezialisten für das Leben in arktischen Temperaturen. Dafür haben sie zum Beispiel Strategien wie den Winterschlaf oder die -starre entwickelt. Doch auch dickes, flauschiges Fell und Speckschichten kommen im Polarkreis häufig vor. Dass sich sehr ähnliche Prozesse aber auch bei Pferden finden, ist tatsächlich ungewöhnlich. Denn eigentlich findet man diese Tiere nicht mehr nördlich des arktischen Polarkreises. Doch die Jakutpferde, auch Jakuten genannt, haben sich an genau dieses Klima mit schlauen Tricks angepasst. Und das – für evolutionäre Verhältnisse – mit Lichtgeschwindigkeit.

Laut einer Studie besiedelte im Mittelalter zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert ein Reitervolk Jakutien. Die turksprachige Volksgruppe versuchte vermutlich, den sich ausbreitenden mongolischen Volksstämmen aus dem Weg zu gehen. Auch die Jakutpferde wurden zu dieser Zeit in dieser Gegend angesiedelt.

Im Verlauf der nächsten 500 bis 800 Jahre entwickelten die Tiere auffällige physiologische und morphologische Anpassungen an ihre subarktische Umgebung. Normalerweise dauern evolutionäre Anpassungen mindestens einige tausend Jahre. Doch nicht bei den Jakutpferden, die nichts mehr mit den Tieren zu tun haben, die in der Region während der letzten Eiszeit lebten. Das fanden Forscher mit der vollständigen Analyse und dem Vergleich des Genoms heutiger Jakutpferde und Fossilien der Umgebung heraus. Die genetischen Merkmale der Jakutpferde, so die Studie, beruhen auf einer einzigartigen Mischung von kodierenden und nicht-kodierenden Mutationen, welche die schnell entwickelnden Anpassungen ermöglichten.

Jakutpferde nutzen Omega-Fettsäuren als „Frostschutz“

Doch wie unterscheiden sie sich nun von anderen Pferden? Zunächst einmal sind Jakutpferde kleiner als andere. Sie gehören zu den Kleinpferden und sind nicht viel größer als Ponys. Dafür können sie aber 420 bis 470 Kilogramm auf die Waage bringen und wiegen somit rund 100 Kilogramm mehr als ein durchschnittliches Pony. Die Pferde futtern sich also eine ordentliche Portion Winterspeck an.

Allerdings tun sie dies auch hoch spezialisiert. Denn sie sind auf die Vegetation ihres Lebensraums angewiesen. Dies haben Wissenschaftler herausgefunden, die sich mit der Ernährung der Tiere beschäftigten, die in der Regel sieben bis acht Monate auf verschneitem, gefrorenem Boden stehen.

Sie konnten belegen, dass sich Jakutpferde größtenteils von wildem Hafer und Süßgräsern ernähren. Durch die kurzen Wachstumsphasen und die dichte Schneedecke, welche die Pflanzen durchdringen müssen, um zum Licht zu gelangen, bleiben sie eher klein und hart. Doch dies sorgt auch dafür, dass dieses Gras besonders gehaltvoll und kräftig ist.

Unter anderem befinden sich darin konzentrierte Omega-3- und -6-Fettsäuren, wie Alpha-Linolensäure oder Arachidonsäure. Diese lagern die Jakutpferde dann in den kurzen, arktischen Sommern in Leber, Muskeln und Körperfett an. Diese Fettsäuren dienen laut einer Untersuchung als „Frostschutz“ und erlauben den Tieren, ihre Energie während dem langen Winter besonders effizient einzuteilen.

Jakutpferde entwickeln „Sekunden-Winterschlaf“

Doch das wohl faszinierendste an den Jakutpferden ist eine erlernte Technik, mit der sie im Winter Energie sparen. Sie machen eine Art Winterschlaf, wie sie sich auch bei arktischen Zieseln findet. Denn sie verringern im Winter die Menge des frei zirkulierenden Blutes und fahren ihren Stoffwechsel komplett herunter. Denn bei Temperaturen bis zu minus 70 Grad würde vielen Tieren das Blut regelrecht gefrieren. Durch die Verringerung des fließenden Blutes können sie jedoch der inneren Vereisung vorbeugen.

Allerdings geht dies nur in kurzen Phasen, denn es entzieht den inneren Organen den Sauerstoff. Doch das ist gar kein Problem, denn Pferde schlafen in der Regel nur wenige Minuten am Stück. Dies ist auch der Fall beim Pseudo-Winterschlaf der Jakutpferde. Sie dämmern während ihrer Winternickerchen so tief weg wie Tiere, die tatsächlich Winterschlaf halten. Somit verlangsamen sie ihren Stoffwechsel, aber nie so lang, dass er komplett herunterfährt. Man kann diese Taktik also wie eine Art Sekundenschlaf in Kombination mit Winterschlaf-Mechanismen beschreiben.

Auch ihr buschiges Fell hat eine ganz besondere Struktur und Textur. Die Unterwolle wird bis zu acht Zentimeter lang, dazu kommt noch ein zottiges Oberfell von ungefähr 15 Zentimeter Länge, das aus einer sehr dicken Haut herauswächst, in der sich noch extra Fettpölsterchen befinden. Somit gleicht die Fellstruktur der Jakutpferde der von Mammuts. Dieses Fell tragen die Tiere jedoch nicht nur im arktischen Winter, sondern auch im kurzen Frühling und Sommer. Denn die verdickte Haut und vliesartige Unterwolle schützen die Tiere auch gegen Insektenstiche und Sonneneinstrahlung. Im kurzen jakutischen Frühling fahren sie dann ihren Metabolismus so schnell wie möglich wieder hoch, um so viel frisches Grün wie möglich zu verspeisen.

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Quellen

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