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Gastgeber der Fußball-WM

Wie steht es um den Tierschutz in Katar?

Zwei Welpen liegen völlig apathisch in einem doppeletagigem Käfig auf einem Haustiermarkt in Katar
Zwei Welpen liegen apathisch in einem zweistöckigen Gitterkäfig auf dem Souq Waqif Haustiermarkt in Doha Foto: Animals' Angels e.V.
Louisa Stoeffler
Redakteurin

18.11.2022, 10:56 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten

Die Fußball-WM hat gestartet und viele Menschen blicken dieses Mal besonders kritisch auf den Austragungsort: das Emirat Katar, wo Frauen konsequent benachteiligt werden und einen männlichen Vormund haben müssen, wo Arbeitsmigranten ausgebeutet werden und Homosexualität verboten ist. Wie steht es in einem solchen Land eigentlich um den Tierschutz? PETBOOK hat sich das genauer angeschaut und auch mit Tierschützern gesprochen.

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Katar ist ein Land voller Kontroversen. Es will einerseits als modern und einladend gelten, andererseits weist das Emirat enorme Defizite in puncto Menschenrechte auf. Zuletzt sorgten Berichte über erzwungene Vaginaluntersuchungen bei Abflug in Doha und homophobe Äußerungen eines WM-Botschafters für heftige Kritik. Es sind Schlagzeilen, die mit dem westlichen Lebensgefühl nicht vereinbar sind. Doch wie steht es in dem Emirat, was die Tierwelt anbelangt? PETBOOK zieht eine ernüchternde Bilanz.

Tierschutz in Katar – die gesetzliche Lage

Im Strafgesetzbuch Katars gibt es ein paar Paragrafen, die sich mit dem Tierschutz im Land beschäftigen. Artikel 393 besagt, dass wenn man absichtlich ein Tier „beschädigt“ oder tötet, das Dinge tragen oder ziehen soll, dies eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und 5000 Riyal (umgerechnet rund 1300 Euro) nach sich ziehen kann. Der Artikel 394 befasst sich mit der absichtlichen Tötung von Bienen und Haustieren. Hierfür wird eine Höchststrafe von drei Monaten Gefängnisaufenthalt und 2000 Riyal (ca. 530 Euro) fällig. Vergehen wie Tierquälerei, das Schlagen oder übermäßige Belasten von Tieren können mit zwei Monaten im Strafvollzug und bis zu 1000 Riyal (rund 260 Euro) geahndet werden.

Ebenfalls gibt es seit 1974 ein eigenes Tierschutzgesetz in Katar, was das die Abgabe und die Vernachlässigung von Tieren unter gesetzliche Strafe stellen soll. Dort werden unter anderem die Registrierung von Tieren, Schadensersatz im Falle von Beschädigungen der Tiere und Steuersätze für Haustierarten geregelt. Artikel 1, der in der Normenhierachie von Gesetzen gemeinhin als der wichtigste gilt, besagt, dass Tiere nicht außerhalb ihres Geheges oder eines geeigneten Ortes zu halten sind. Es sei auch nicht zulässig, Tiere in bewohnten Gebieten verwahrlosen zu lassen.

„Souq Waqif“– Haustiermarkt zeigt das Fehlen von Tierschutz in Katar

Dass dieser erste Artikel des Tierschutzgesetzes häufig keine Beachtung findet, zeigt die Recherche von der Animals‘ Angels e. V. Die Tierschützer besuchten den Souq Waqif, der eine Touristenattraktion im Wüstenstaat ist. Der Begriff „Souq“ ist im arabischen Raum häufig ein traditionsreicher Markt oder sogar ein ganzes Viertel, in dem Waren gehandelt werden. Beim Souq Waqif handelt es sich um einen nachgebauten antiken Markt im Zentrum von Doha.

Laut Julia Havenstein von Animals‘ Angels e. V. werde dort alles Mögliche gehandelt, wie z. B. Gewürze, Parfüms, Kleidung und Haushaltswaren. Und neben all dem auf dem sogenannten „Birdsouq“ auch Tiere. Während in Deutschland bereits Verbote für Lebendverkäufe auf Märkten erlassen wurden, boomt das Geschäft mit den Tieren in den katarischen Souks noch immer. Und das unter kritischen Bedingungen, wie Fotos der Tierschutzorganisation eindeutig belegen.

Weiße Albinokaninchen werden unter tierschutzwidrgien Bedingungen auf einem Markt in Katar gehalten
Mehrere Albinokaninchen sitzen auf blanken Gittern in einem mehrstöckigen Käfig auf den Souq Waqif in Doha Foto: Animals' Angels e.V.

Tierschutzrelevante Kamelhaltung in Katar

Die Kamel- oder insbesondere die Dromedarhaltung hat in den arabischen Ländern eine lange Tradition, wobei die Tiere jeweils unterschiedlichen Anforderungen genügen sollen, je nachdem, für welchen Zweck sie eingesetzt werden. Auch hier weisen Experten auf Missstände im Emirat hin.

Renndromedare

Laut Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes, gibt es in Katar eine Zweiklassengesellschaft in der Haltung von Kamelen. Dies gilt besonders bei Dromedaren, die im Wüstenstaat als Reit- sowie Nutztiere und bei Turnieren eingesetzt werden. „Speziell gezüchtete Renndromedare werden, wenn ihre Besitzer vermögend sind, in teuren, klimatisierten Ställen mit eigenen Pools, abgestimmter Futterration und Leibarzt gehalten.“ Dies sei jedoch nur oberflächlich betrachtet eine aus Sicht der Tiere art- und tiergerechte Haltung. Sie würden häufig in Einzelboxen ohne ausreichenden Auslauf oder Artkontakt gehalten.

„Zu den Rennen werden die Kamele zudem häufig im eignen Privatjet quer über die arabische Halbinsel geflogen“, erklärt Schmitz PETBOOK weiter. „Dies ist für die Tiere mit erheblichem Stress verbunden.“ Die Zusammensetzung der Nahrungsrationen sei des Weiteren nicht auf die physiologischen Bedürfnisse der Tiere, sondern allein auf die Steigerung der Leistung ausgerichtet. „Kamele benötigen normalerweise eine karge, faserreiche Kost, sodass davon auszugehen ist, dass viele Renndromedare unter chronischen Verdauungsproblemen leiden.“

Hinzu kämen noch die Belastungen, welche durch die Zucht der Tiere entstehen. „90 Prozent der Rennkamele sind weiblich”, weiß der Deutsche Tierschutzbund PETBOOK weiter zu berichten. „Damit die teuren Tiere durch die lange Trächtigkeits- und Säugezeit nicht zu lange aus dem Rennbetrieb ausfallen, sind künstliche Befruchtung und Embryonentransfer gang und gäbe“. Sowohl für die befruchteten Stuten als auch für die Leihmütter sei diese Prozedur extrem belastend. „Zudem überleben viele der Embryonen die Prozedur nicht und sind traurige Kollateralschäden der Kamelrennindustrie“, ordnet Schmitz die Lage für PETBOOK ein. Unklar sei zudem, was mit männlichen Kamelen passiert. „Entweder werden diese schon als Embryonen vor dem Einsetzen in die Leihmutter vernichtet oder später der Fleischproduktion zugeführt.”

Kamele als Nutztiere

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„Den als Nutztiere gehaltenen Dromedaren geht es freilich noch schlechter“, so Schmitz weiter. Besonders auf den in Katar zahlreichen Kamelmärkten herrschten zum Teil gravierende Zustände. So ständen die Tiere bei bis zu 50 °C im Schatten häufig stunden- oder gar tagelang in der prallen Sonne angebunden. Dabei gebe es für sie weder die Möglichkeit, in den Schatten zu gehen, noch werde ihnen regelmäßig Wasser angeboten. Für die Lauftiere, die in der Natur täglich weite Strecken zurücklegen, sei die Anbindehaltung, noch dazu mit verbundenen Vorderfüßen und in die Haut einschneidenden Fesseln, mit Schmerzen, Leiden und Schäden verbunden.

Diese Schilderung deckt sich mit dem PETBOOK vorliegenden Bericht von Animals‘ Angels e. V über die Nutztiermärkte in Katar. Auf dem Markt Abu Nakhla, der von den Tierschützern im März 2022 besucht wurde, befinden sich Kamelgehege und es finden tägliche Auktionen statt. Laut dem Bericht hatten die Dromedare in 13 von 19 Gehegen keinen Zugang zu Schatten, da sie so angebunden waren, dass sie die überdachten Bereiche nicht erreichen konnten. Auch hätten in fünf der Gehege nur ein paar der Tiere Zugang zu Wasser gehabt.

Ungeschultes Personal und tierschutzrelevante Transporte

EIne tierschutzrelevante Aufnahme aus einem Markt in Katar
Eindeutig kranke Hühner werden auf dem Umm-Salal-Vogelmarkt in Doha verkauft. Foto: Animals' Angels e.V.

Doch eines der Hauptprobleme bleibe, dass die Tiere in der Regel vollkommen ungeschultem Personal ausgesetzt seien, das keinen Handlungsspielraum habe. Sehr schwierig sei das in Bezug auf das Erkennen und Behandeln von (teilweise hochansteckenden) Krankheiten und natürlich auch im Umgang mit den Tieren, findet Julia Havenstein.

Auch Lea Schmitz findet klare Worte für die Situation in Katar: „Der Transport der Tiere zu den Märkten und Schlachthäusern, aber auch zu kleineren Rennveranstaltungen ist klar tierschutzwidrig.“ Die Tiere würden häufig auf zu kleinen und für den Tiertransport ungeeigneten Transportmitteln ohne Seitenwände oder Dach (z. B. auf der Laderampe von Pick-ups) transportiert, sodass sie der Witterung, Ungeziefer und Staub schutzlos ausgeliefert sind.

„Damit die Tiere auf der Fahrt nicht stürzen, werden ihnen im Sitzen die Beine verbunden, sodass sie sich auf der mitunter tagelang andauernden Fahrt weder hinstellen noch bewegen können“, erklärt Schmitz weiter. Zum Ein- und Ausladen gebe es darüber hinaus normalerweise keine Laderampen, sodass Stürze und Verletzungen an der Tagesordnung seien. „Zudem sind die für den Transport eingesetzten Arbeiter meist ungelernt und unerfahren und Gewalt in Form von Tritten oder Schlägen auf den Kopf oder den Körper oder Umknicken des Schwanzes sind an der Tagesordnung“.

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Übereinander gestapelte Schildkröten auf dem Souk Waqif in Katar
Die Tierschützer der Animals‘ Angels e. V. fanden auch diese übereinander gestapelten Schildkröten auf dem Souk Waqif in Doha Foto: Animals' Angels e.V.

Julia Havenstein von Animals‘ Angel ordnet die Lage des Tierschutzes in Katar für PETBOOK ein: „Wir haben uns in den letzten Jahren vor allem mit den Tiermärkten im Land beschäftigt. Wir wurden mit unseren Anliegen stets gehört und wir wurden immer zuvorkommend behandelt und auch jetzt kurz vor der WM wurden wir nicht gehindert, uns frei auf den Tiermärkten zu bewegen, Befragungen durchzuführen und Fotos zu machen“. Im Laufe der Jahre haben die Tierschützer immer wieder Fortschritte ausmachen können, was die Haltung und Behandlung der Tiere auf den Märkten angeht. Problematisch sei jedoch der Verkauf von Kaninchen und Geflügel auf den Märkten in Bezug auf Haltung, Umgang und Krankheiten.

Was wirklich in Katar vorgeht, lässt sich nur schwer verifizieren. So berichtete der britische „Guardian“ zuletzt im Sommer über 29 erschossene Straßenhunde. Der Sender France24 wies bereits 2021 über eine durch Lockdown-Maßnahmen und Stadionbauten verschlimmerte Situation der Straßentiere hin.

Die Tierschutzorganisation Paws Rescue Qatar fasst die Situation, die sie vor Ort erleben, in einem Post auf Facebook zusammen. Sie berichten von einem angeschossenen Hund, den sie nach eigenen Angaben retteten, während sie selbst mit der Waffe bedroht wurden. In dem Post schreibt Paws Rescue: „Katar, die Welt wird dich in den kommenden Wochen und Monaten genauer denn je beobachten, und wir werden sie es wissen lassen, dass dies passiert.“

PETBOOK bat die Deutsche Botschaft Katars um Stellungnahme zu dem Bericht und den Bildern von Animals‘ Angels e. V. und fragte auch, ob die Regierungsorgane den Tierschutz in ihrem Land als ausreichend bezeichnen würden. Eine Reaktion blieb jedoch bislang aus.

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