
16. Mai 2025, 12:13 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Nicht erst seit der Zeichentrickkater Garfield TV-Bildschirme und Leinwände unsicher macht, sind sich viele sicher: Orange Katzen ticken anders. Ob die Fellfarbe aber tatsächlich mit dem Charakter der Tiere zusammenhängt, wird debattiert. Nun könnte auf dem Gen für orangefarbenes Fell der Beweis dafür liegen, wie zwei Studien unabhängig voneinander feststellen.
Sie gelten als schön, besonders, verfressen, ein bisschen seltsam – und bis vor Kurzem als genetisches Rätsel: orangefarbene Katzen und ihre auffällig gemusterten Verwandten, die dreifarbigen Calico-Katzen. Zwei Studien von Forschern aus den USA und Japan liefern erstmals eine schlüssige Erklärung, warum das Fell dieser Katzen orange leuchtet – und wie ihr faszinierendes Mosaikmuster entsteht.
Ist das Paradoxon der orangen Katzen endlich gelöst?
Die Frage, wie oranges Fell bei Katzen entsteht und welche Auswirkungen es auf die Tiere hat, beschäftigt die Forschung schon sehr lange. Trotz 60 Jahren wissenschaftlicher Arbeiten zu diesem Thema hatte man jedoch lange keine definitive Antwort gefunden. Nun haben scheinbar gleich zwei Studien auf einmal eine Lösung für das genetische Rätsel der orangen Katzen gefunden.
Denn im Gegensatz zu roten Haaren bei Menschen und Fell bei vielen anderen Säugetieren entsteht dies bei Katzen nicht durch das Protein Mc1r. Dies sitzt an der Oberfläche von Hautzellen und bewirkt, dass rötliche Farbe produziert wird. Meist ist auch die Haut selbst heller und neigt zu Sommersprossen. Allerdings ist dies bei Katzen den allermeisten Fällen nicht mutiert.
Denn bei orangen Katzen gibt es darüber hinaus noch eine Besonderheit: Sie sind in den meisten Fällen männlich. Forscher gehen davon aus, dass dies etwa 80 bis 90 Prozent aller Katzen mit orangem Fell betrifft. Entsprechend erklärte man sich das orange Fell bei Katzen lange mit einer X-Chromosom-Inaktivierung. Also mit einem Bereich auf dem Chromosom, der zufällige Abschaltung von Fellfarben erlaubt. Denn das X-Chromosom codiert jeweils eine Farbe, schwarz oder rot.
Gen für oranges Fell bei Katzen endlich identifiziert
Im Mittelpunkt der neuen Erkenntnisse steht ein Gen mit dem sperrigen Namen Arhgap36. Sowohl das Team um Christopher Kaelin von der Stanford University als auch das japanische Forscherteam um Hidehiro Toh und Hiroyuki Sasaki von der Kyushu University fanden unabhängig voneinander: Eine winzige Löschung von etwa fünf Kilobasen (5000 Basenpaaren) auf dem X-Chromosom aktiviert dieses Gen in pigmentbildenden Hautzellen (Melanozyten) – mit deutlichen Folgen.
Normalerweise sorgt ein komplexer Signalweg dafür, dass dunkler Farbstoff (Eumelanin) gebildet wird. Durch die Gen-Löschung jedoch wird Arhgap36 aktiviert, hemmt einen wichtigen Teil dieses Signalwegs – und bewirkt, dass stattdessen der rot-gelbe Farbstoff Phaeomelanin produziert wird. Die Folge: Die Katze wird orange.
Zuvor war man lange davon ausgegangen, dass es quasi Zufall ist, welches Farbmerkmal vererbt wird. Dies würde jedoch die relative Häufigkeit der Fellfarbe bei Katern nicht komplett erklären. Diese Löschung, die von unabhängig arbeitenden Forschern quasi zeitgleich gefunden wurde, könnte aber endlich die hohe Durchsetzungskraft von orangem Fell erklären. Die Forschungsgruppen der Stanford Universität in den USA und der Universität Kyushu in Japan erfuhren während ihrer Arbeit voneinander und publizierten ihre Ergebnisse daher zeitgleich.
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DNA oranger Katzen etwa 13-mal aktiver
Greg Barsh, der an der Untersuchung der Stanford University beteiligt war, sagte dem Wissenschaftsmagazin „Science“ dazu: „Es war ein genetisches Rätsel, ein Geheimnis“. Der Genetiker und sein Team untersuchten Hautzellen von orangen und nicht-orangen Katzen auf molekularer Ebene, um es endlich zu lösen.
Bei ihrem Versuch stellten die Forscher nun fest, dass die RNA – ein Botenstoff der DNA, der für die Proteinherstellung benötigt wird – bei orangen Katzen etwa 13-mal aktiver war als bei Tieren mit anderen Fellfarben. Diese gewaltigen Mengen an RNA konnten die Forscher ebenfalls zu dem Gen Arhgap36 zurückverfolgen. Bei der genauen Untersuchung zeigte sich dann, dass gleich daneben das Stück der DNA auf dem X-Chromosom inaktiv war. 1 Das bedeutet, dass orange Fellfarbe tatsächlich die Produktion anderer Pigmente „überschreibt“.
Um diese Theorie zu bestätigen, überprüften die US-Wissenschaftler ihre Datenbanken und auch die Forscher aus Japan gingen nach einem ähnlichen Muster vor. So zeigte sich, dass 188 bzw. 258 Gensequenzen von Katzen in den Forschungsdatenbanken dieselben inaktiven Sequenzen besaßen. Wenig überraschend waren alle betreffenden Tiere orange. Die japanischen Forscher gingen anschließend sogar noch einen Schritt weiter. Sie untersuchten auch dreifarbige Tiere auf Arhgap36 – und fanden auch hier erhöhte Konzentrationen von RNA – allerdings nur in den orangen Fellflecken.
Hat die Orange-Katze-Mutation noch weitere Auswirkungen?
Besonders faszinierend ist, dass nur weibliche Katzen das typische Calico-Muster mit orangefarbenen, schwarzen und weißen Bereichen zeigen können. Weil weibliche Katzen zwei X-Chromosomen besitzen, wird in jeder Zelle eines davon zufällig stillgelegt. Trägt die Katze auf einem X das „orange“-Gen und auf dem anderen das „nicht-orange“-Gen, führt diese zufällige Inaktivierung zu einem Mosaik aus orangefarbenen und schwarzen Fellpartien. Weiße Bereiche entstehen zusätzlich durch andere, unabhängig vererbte Gene, die die Pigmentierung ganz abschalten.
In der japanischen Studie wurde zudem festgestellt, weshalb manche Katzen verschiedene Fellfarben entwickeln, ohne dass sie sich mischen. Dies spricht tatsächlich für eine komplette Inaktivierung der anderen Fellfarbe in bestimmten Bereichen. Außerdem verändern die Pigmente für die Fellfarbe auch die darunter liegenden Hautzellen.
Und noch eine weitere Feststellung konnten beide Untersuchungen treffen: Katzen mit der Arhgap36-Mutation zeigten keine negativen gesundheitlichen Konsequenzen, wie man sie von Menschen mit dieser Inaktivierung kennt.2

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Weitere Studien zu orangen Katzen nötig
Das Gen beeinflusst nicht nur die Fellfarbe. Es hat auch Auswirkungen auf Zellwachstum und Aktivierung von Hippocampus, Hypophyse und Nebenniere. Beim Menschen führt eine Mutation an dieser Stelle unter anderem zu Problemen mit der Schilddrüse, zu höherem Risiko für bestimmte Krebsarten oder Veränderungen der Knochenbildung, Gelenken und Muskeln.
Allerdings scheinen die Effekte des Gens bei orangen Katzen ausnahmslos positiv zu sein. Mehr noch, diese Studien könnten den ersten wissenschaftlichen Beweis für die Annahme liefern, dass sich diese Tiere tatsächlich – hormonell bedingt – anders verhalten als nicht-orange Katzen.
Denn die von Arhgap36 betroffenen Gewebe produzieren viele Hormone, die unter anderem für Wachstum und Fortpflanzung verantwortlich sind. Dies würde auch die Ergebnisse einer Langzeitstudie aus Frankreich bestätigen. Diese zeigte, dass orange Kater größer und draufgängerischer sind als ihre Artgenossen. 3 Da das Gen für oranges Fell bei Katzen nun also endlich identifiziert wurde, kann man sich in der Forschung diesen möglichen Auswirkungen auf die Tiere nun genauer widmen.

Irgendwas muss dran sein, dass orange Katzen anders sind
„Ich bin selbst Besitzerin – oder vielmehr Mitbewohnerin – eines orangen Katers. Remo ist nicht meine erste Katze, doch einen Kater wie ihn habe ich tatsächlich noch nie vorher erlebt. Er legt Verhaltensweisen an den Tag, die ich in dieser Form noch bei keiner Katze beobachtet habe. Zudem ist er sehr anhänglich und belebt meinen Alltag mit seinen Kapriolen sehr.
Auch wenn es bisher nicht allzu viele wissenschaftliche Beweise für die Überzeugung gibt, dass orange Katzen einfach anders sind, gehe ich davon aus, dass irgendetwas dran sein muss. Der definitive Nachweis wurde vielleicht nur einfach noch nicht gefunden. Umso spannender finde ich die Ergebnisse dieser Studien und hoffe, dass die Forscher sich dem Thema weiter widmen.“