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Katzenschutzverordnung gegen Leid von Streunern gefordert

Meinung

Katzenschutzverordnung Mannheims inkraftgetreten! Nur wer kontrolliert eigentlich?

Ein kranker Streuner läuft über eine Straße
Durch eine Katzenschutzverordnung könnte viel Leid von Streunern vermieden werden (Symbolbild)Foto: Getty Images

Bundesweit leben 16,7 Millionen Katzen behütet bei ihren Haltern. Doch im Verborgenen vegetieren verwilderte Artgenossen, die sich unkontrolliert vermehren und deren Lage sich immer weiter verschlechtert. In der Großstadt Mannheim gilt deswegen nun eine allgemeine Katzenschutzverordnung für Streuner, die Schlagzeilen gemacht hat und Auswirkungen auf ganz Deutschland haben könnte. Wirklich durchdacht ist dies aber nicht.

Sie sind abgemagert, krank oder verletzt – über zwei Millionen wilde Katzen streunen unbemerkt durch deutsche Großstädte. Dabei sind Krankheiten und Verletzungen an der Tagesordnung. Futter ist Mangelware. „Eine Katze müsste am Tag 12 bis 15 Mäuse vertilgen, um satt zu werden – das ist in städtischen Bereichen nicht möglich“, sagt die ehrenamtliche Katzenschützerin Kristina Stumpf. Da die Katzen sehr scheu sind, kann man die Zahl der Streuner nur grob schätzen. Laut Stumpf sind es in ihrer Heimatstadt Mannheim alleine 6200 – 7500 Tiere, die über Industrieflächen und Friedhöfe oder durch Schrebergärten streifen. Eine Katzenschutzverordnung, die am 22. Juni 2023 inkraftgetreten ist, soll maßgeblich dazu beitragen, die Situation von Streunern zu verbessern. Allerdings ist die Maßnahme nicht bis zum Ende durchdacht und geht Tierschützern zudem nicht weit genug.

Katzenschutzverordnungen sollen unkontrollierte Vermehrung vermeiden

Das Leid der Tiere hat bereits in den Bundesländern Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zu kommunalen Katzenschutzverordnungen geführt. Unter anderem die Städte Hannover, Essen und Köln haben bereits eine dementsprechende Regelung. Nun hat mit Mannheim die zweitgrößte Stadt im Südwesten ebenfalls eine Katzenschutzverordnung eingeführt. Bisher waren es laut dem Landestierschutzbund Baden-Württembergs nur 34 kleinere Gemeinden, welche die Novelle des Tierschutzgesetzes für eine Verordnung zum Schutz der Tiere nutzen. Ziel dieser Verordnungen ist es immer, die unkontrollierte Vermehrung von Katzen einzudämmen.

„Katzen sind keine Wildtiere, bei denen sich die Reproduktion bei verschlechterten Lebensbedingungen automatisch reduziert“, erläutert Katzenliebhaberin Stumpf. Anke Feil, Gründerin der Organisation „Politik für die Katz‘“, pflichtet bei: „Katzen sind Haustiere und kommen ohne Versorgung durch den Menschen nicht gut zurecht“. Mögliche Folgen vom Dauerstreunern sind Würmer, Flöhe oder Viruskrankheiten, die die Lebensdauer der Tiere schlimmstenfalls auf wenige Monate reduzieren, während verwöhnte Wohnungskatzen bis zu 20 Jahre alt werden.

Katzenschutzverordnung in Mannheim: Nach 48 Stunden soll kastriert werden – nur wer zahlt?

Katzen in Mannheim müssen nun nach dem Inkrafttreten der Regelung „fälschungssicher und dauerhaft gekennzeichnet“ sein. Dies ist durch einen Chip oder eine Tätowierung beim Tierarzt möglich. Diese Daten müssen zusätzlich bei Tasso oder Findefix hinterlegt werden, um Katzen eindeutig einem Besitzer zuweisen zu können.

Sollte eine halterlose Katze aufgefunden werden, und ihr Halter binnen 48 Stunden nicht ermittelt werden können, hat die Stadt das Recht, das Tier zu kennzeichnen, zu registrieren und sogar zu kastrieren! Sollte der Halter ausfindig gemacht werden, trägt er oder sie die Kosten für die Maßnahmen. Nur wer für die Kosten aufkommt, falls das nicht der Fall ist, ist nicht festgelegt.

Katzenschutzverordnung soll vom Tierheim, aber nicht von der Stadt Mannheim kontrolliert werden

Durch die Verordnung soll die Vermehrung von frei lebenden Katzen kontrolliert und Tiere leichter wieder ihrem Besitzer zugeführt werden. Laut Informationen, die dem „SWR“ vorliegen, soll die Maßnahmenkontrolle in erster Linie vom lokalen Tierheim durchgeführt werden – also nicht von der Stadt selbst, welche die Regelung inkraftgesetzt hat. „Begleitend werden vom Veterinäramt Einfangaktionen an Hotspots organisiert und durchgeführt. Regel-Kontrollen sind nicht geplant und auch nicht durchführbar“, heißt es in dem Statement der Stadt Mannheim weiter.

Also soll alle paar Monate eine große Katzeneinsammelaktion in der Stadt stattfinden, aber keine Kontrollen der eigenen Maßnahmen durch die Stadt durchgeführt werden? Die Katzenschutzverordnung Mannheims scheint noch wenig durchdacht, Haushaltsbudget für die Kontrollen scheinbar nicht vorhanden. Dabei wäre eine Kontrolle der Maßnahmen maßgeblich für deren Erfolg!

Rechtliche Hürden bei „Beschädigung von Eigentum“

Grundsätzlich ist eine Katzenschutzverordnung und Populationskontrolle eine gute Idee, doch ohne eine allgemeine Kastrationspflicht kann diese nicht wirksam sein. Dort sieht die Stadt jedoch noch rechtliche Hürden, was die Beschädigung von Eigentum – als welches Katzen gesetzlich gelten – betrifft. Die Stadt verteidigt jedoch ihre milde Gangart mit dem Hinweis auf die Grundrechte der Katzenhalter: „Eine Kastrationspflicht stellt einen massiven Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Eigentumsrecht von KatzenhalterInnen dar und sollte die letzte Maßnahme sein, die getroffen wird.“

Auch die Finanzierung für die angedachten Maßnahmen muss feststehen und nicht auf Tierschützer oder „Einfangaktionen“ beschränkt sein. Zudem stellen die fehlenden Kontrollinstrumente seitens der Stadt eine weitere Hürde dar. Andreas Parmentier, Stadtrat der Tierschutzpartei Mannheims, ist auch nicht glücklich mit diesem Vorschlag, meint aber, eine abgespeckte Katzenschutzverordnung sei besser als gar keine Regelung. Man lege damit die Basis für Verbesserungen. „Da ist mir der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach“. Scheitere die Initiative, verschwinde das Thema auf Jahre in der Schublade.

Auch interessant: Was Katzenhalter bei Freigängern im Winter beachten sollten

Besitzer haben ihre Katzen als „Supereinnahmequelle“ entdeckt

Katzenschützerin Stumpf jedoch empfindet den Vorschlag ihrer Heimatstadt als „absoluten Irrsinn“. „Der Kampf gegen das Katzenelend wird nie Erfolg haben, wenn unkastrierte frei laufende Katzen weiter zu rasanter Fortpflanzung beitragen“. Besitzer ließen in manchen Fällen ihre Tiere bewusst nicht kastrieren – aus finanziellen Gründen. Nicht weil die Sterilisierung mit 300 bis 350 Euro bei weiblichen Tieren und 150 bis 200 Euro bei männlichen Tieren die Halter überfordere, sondern weil kleine Katzen eine „Supereinnahmequelle“ seien, sagt Stumpf. „Die Kitten werden für 400, 500 Euro im Netz verhökert“.

Die Landestierschutzbeauftragte Baden-Württembergs, Julia Stubenbord, bezeichnet den Vorschlag der Stadt als „seltsame Variante“. Sie teile auch die juristischen Zweifel an einer Kastrationspflicht für gehaltene Katzen nicht. „Klagen sind mir in ganz Deutschland nicht bekannt“, sagte sie an die Stadt adressiert.

Doch Mannheim will zunächst Kastrations- und Aufklärungsaktionen vornehmen. Es gelte der Grundsatz „Einfangen, Kastrieren, Freisetzen“. Feil von „Politik für die Katz’“ hält dieses Vorgehen jedoch ebenfalls für realitätsfern. Es brauche erstmal Menschen, die die nachtaktiven Vierbeiner fangen. Dann müsse auch eine Logistikkette mit Veterinären her. An den Gemeinderat appelliert sie, sich nicht mit „kleinen Alibi-Brocken“ zu begnügen und so das jahrelange Trauerspiel fortzusetzen.

Tierschützer fordern bessere Katzenschutzverordnung

Auch der Tierrechtsorganisation Peta gehen die Maßnahmen der Stadt Mannheim in ihrer Katzenschutzverordnung nicht weit genug. Die Fachreferentin für Tierische Mitbewohner, Monic Moll, kommentiert in einem Statement der Organisation, dass es ein toller Fortschritt sei, dass die Stadt Mannheim nun eine Katzenschutzverordnung habe, die verpflichte, ihre Katzen zu registrieren.

„Um zu verhindern, dass sich heimatlose Katzen weiterhin unkontrolliert vermehren, muss der Gemeinderat aber dringend auch eine Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen beschließen. In Deutschland leben bereits geschätzt zwei Millionen Katzen ohne ein sicheres Zuhause. Meist leiden sie an Hunger, unbehandelten Verletzungen und Krankheiten wie Entzündungen der Augen und Nasen. Da sich nur wenige Menschen für heimatlose Katzen verantwortlich fühlen, sterben viele von ihnen qualvoll“, so Moll weiter. Angesichts dieser Not appelliert Peta nachdrücklich an die Stadt Mannheim, in die Katzenschutzverordnung auch eine Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen aufzunehmen.

Tierschützer fordern ebenfalls seit geraumer Zeit eine bundesweite Katzenschutzverordnung, daher kann man den weiteren Entwicklungen in der Stadt Mannheim mit Spannung entgegensehen, die für eine bundesweite Katzenschutzverordnung richtungsweisend für das Leid der oft übersehenen Streuner in Deutschland werden könnte.

Mit Material der dpa

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