Bundesweit leben 16,7 Millionen Katzen behütet bei ihren Haltern. Doch im Verborgenen vegetieren verwilderte Artgenossen, die sich unkontrolliert vermehren und deren Lage sich immer weiter verschlechtert. Aktuell macht ein Vorstoß in Mannheim zu einer allgemeinen Katzenschutzverordnung für Streuner Schlagzeilen, der Auswirkungen auf ganz Deutschland haben könnte.
Sie sind abgemagert, krank oder verletzt – über zwei Millionen wilde Katzen streunen unbemerkt durch deutsche Großstädte. Dabei sind Krankheiten und Verletzungen an der Tagesordnung. Futter ist Mangelware. „Eine Katze müsste am Tag 12 bis 15 Mäuse vertilgen, um satt zu werden – das ist in städtischen Bereichen nicht möglich“, sagt die ehrenamtliche Katzenschützerin Kristina Stumpf. Da die Katzen sehr scheu sind, kann man die Zahl der Streuner nur grob schätzen. Laut Stumpf sind es in ihrer Heimatstadt Mannheim alleine 6200 – 7500 Tiere, die über Industrieflächen und Friedhöfe oder durch Schrebergärten streifen. Eine Katzenschutzverordnung könnte maßgeblich dazu beitragen, die Situation von Streunern zu verbessern.
Katzenschutzverordnungen können Streunern helfen
Das Leid der Tiere hat bereits in den Bundesländern Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, zu kommunalen Katzenschutzverordnungen geführt. Unter anderem die Städte Hannover, Essen und Köln haben bereits eine dementsprechende Regelung. Nun könnte mit Mannheim die zweitgrößte Stadt im Südwesten ebenfalls eine Katzenschutzverordnung einführen. Bisher sind es laut dem Landestierschutzbund Baden-Württembergs nur 34 kleinere Gemeinden, welche die Novelle des Tierschutzgesetzes für eine Verordnung zum Schutz der Tiere nutzen. Ziel dieser Verordnungen ist es immer, die unkontrollierte Vermehrung von Katzen einzudämmen.
„Katzen sind keine Wildtiere, bei denen sich die Reproduktion bei verschlechterten Lebensbedingungen automatisch reduziert“, erläutert Katzenliebhaberin Stumpf. Anke Feil, Gründerin der Organisation „Politik für die Katz‘“, pflichtet bei: „Katzen sind Haustiere und kommen ohne Versorgung durch den Menschen nicht gut zurecht“. Mögliche Folgen vom Dauerstreunern sind Würmer, Flöhe oder Viruskrankheiten, die die Lebensdauer der Tiere schlimmstenfalls auf wenige Monate reduzieren, während verwöhnte Wohnungskatzen bis zu 20 Jahre alt werden.
In Mannheim ist das Thema derzeit im Gemeinderat auf der Tagesordnung. Eine allgemeine Kastrations-, Chip- und Registrierungspflicht wird gefordert. Die Beschlussvorlage der Stadt sieht bislang jedoch lediglich vor, dass Katzenhalter ihre Katzen per Mikrochip oder Ohrtätowierung kennzeichnen und registrieren lassen müssen, bevor sie ihnen Ausgang gewähren. Die Stadt verteidigt ihre milde Gangart mit dem Hinweis auf die Grundrechte der Katzenhalter: „Eine Kastrationspflicht stellt einen massiven Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Eigentumsrecht von KatzenhalterInnen dar und sollte die letzte Maßnahme sein, die getroffen wird.“
Andreas Parmentier, Stadtrat der Tierschutzpartei Mannheims, ist nicht glücklich mit diesem Vorschlag, meint aber, eine abgespeckte Katzenschutzverordnung sei besser als gar keine Regelung. Man lege damit die Basis für Verbesserungen. „Da ist mir der Spatz in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach“. Scheitere die Initiative, verschwinde das Thema auf Jahre in der Schublade.
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Besitzer sehen Katzen als „Supereinnahmequelle“
Katzenschützerin Stumpf jedoch empfindet den Vorschlag ihrer Heimatstadt als „absoluten Irrsinn“. „Der Kampf gegen das Katzenelend wird nie Erfolg haben, wenn unkastrierte freilaufende Katzen weiter zu rasanter Fortpflanzung beitragen“. Besitzer ließen in manchen Fällen ihre Tiere bewusst nicht kastrieren – aus finanziellen Gründen. Nicht weil die Sterilisierung mit 300 bis 350 Euro bei weiblichen Tieren und 150 bis 200 Euro bei männlichen Tieren die Halter überfordere, sondern weil kleine Katzen eine „Supereinnahmequelle“ seien, sagt Stumpf. „Die Kitten werden für 400, 500 Euro im Netz verhökert“.
Die Landestierschutzbeauftragte Baden-Württembergs, Julia Stubenbord, bezeichnet den Vorschlag der Stadt als „seltsame Variante“. Sie teile auch die juristischen Zweifel an einer Kastrationspflicht für gehaltene Katzen nicht. „Klagen sind mir in ganz Deutschland nicht bekannt“, sagte sie, an die Stadt adressiert.
Doch Mannheim will zunächst Kastrations- und Aufklärungsaktionen vornehmen. Es gelte der Grundsatz „Einfangen, Kastrieren, Freisetzen“. Feil von „Politik für die Katz’“ hält dieses Vorgehen jedoch für realitätsfern. Es brauche erstmal Menschen, die die nachtaktiven Vierbeiner fangen. Dann müsse auch eine Logistikkette mit Veterinären her. An den Gemeinderat appelliert sie, sich nicht mit „kleinen Alibi-Brocken“ zu begnügen und so das jahrelange Trauerspiel fortzusetzen.
Bundesweite Katzenschutzverordnung könnte Streunern helfen
Tierschützer fordern schon seit geraumer Zeit eine bundesweite Katzenschutzverordnung, daher kann man den weiteren Entwicklungen in der Stadt Mannheim mit Spannung entgegensehen, die für eine bundesweite Katzenschutzverordnung richtungsweisend für das Leid der oft übersehenen Streuner in Deutschland werden könnte.
Mit Material der dpa