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Nicht nur der Dackel in Gefahr?

Neues Tierschutzgesetz! Hundezüchter befürchten auch Verbot „gesunder“ Hunderassen 

Kollage aus Hunderassen sitzend vor weißem Hintergrund und Porträtbild von Jörg Batscherer, Geschäftsführer des VDH (Kreis)
Nach dem neuen Entwurf zum Tierschutzgesetz befürchtet der VDH ein Zuchtverbot für Hunderassen wie den Dackel oder Deutschen Schäferhund und sorgte damit für Aufsehen. Geschäftsführer Jörg Batscherer erklärt im Interview die Hintergründe
Porträtaufnahme von Autorin Manuela Lieflaender mit Hund Elvis
Freie Autorin

04.04.2024, 11:02 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Wird der Dackel bald verboten? Das befürchtet zumindest der VDH – Deutschlands größter Dachverband für Hundezüchter. Doch das ist nicht alles, denn in der jetzigen Form könnten nach dem Tierschutzgesetz auch gesunde Rassen verboten werden. PETBOOK sprach mit VDH-Geschäftsführer Jörg Bartscherer über die Bedenken des Zuchtverbandes.

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Droht das Dackelverbot? Diese Frage kursierte Ende März 2024 durch sämtliche Medien. Grund dafür war eine Pressemitteilung des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) vom 22. März. Darin teilte der VDH seine Bedenken zur Novelle des Tierschutzgesetzes von Cem Özdemir mit. Das Bundeslandwirtschafts-Ministerium will Qualzuchten eindämmen. Dabei ließe das Gesetz jedoch viel Spielraum für Interpretation, sodass im Extremfall auch gesunden Hunderassen in Deutschland ein Zuchtverbot drohen könnte, befürchtet der VDH und startete daraufhin eine Petition. PETBOOK-Autorin Manuela Lieflaender sprach mit VDH-Geschäftsführer Jörg Bartscherer über die Beweggründe.

„Was definiert der Gesetzgeber bei einem Hund als ‚normal‘?“

PETBOOK: Herr Bartscherer, warum ist der VDH gegen den Entwurf des neuen Tierschutzgesetzes?
Jörg Batscherer: „Da muss ich ein bisschen ausholen. Wir sprechen über den Paragraf 11 und Paragraf B, das ist der sogenannte Qualzucht-Paragraf. Den gab es früher schon, es wurde aber ein neuer Absatz hinzugefügt.“

Was steht in diesem neuen Absatz?
„Darin sind Regelbeispiele aufgeführt, wann ein Hund unter Qualzucht-Merkmalen leidet. Genannt werden zum Beispiel Skelett-Anomalien.“

Es geht also darum, was am Körperbau eines Hundes normal ist und was nicht.
„Genau diese Frage stellt sich uns: Was definiert der Gesetzgeber bei einem Hund als ‚normal‘? Woran orientiert man sich dabei? Wenn man sich am Wolf orientiert und das die Bezugsgröße ist, dann ist jeder andere Hund nicht normal. Den Dackel dürfte es also nicht mehr geben, der ist zu klein.“

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„Amtsveterinäre könnten die Bestimmungen so auslegen, dass bestimmte Rassen verboten werden“

Ich verstehe den Gesetzes-Entwurf anders …
„Was ich damit sagen möchte: Der Gesetzesentwurf ist zu unbestimmt. Ich bin selbst gelernter Jurist. Natürlich müssen Gesetze viele Lebenssachverhalte abdecken und man muss im Tierbereich mit auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen arbeiten. Aber trotzdem müssen wir verstehen, was von uns verlangt wird. Wir machen uns große Sorgen, dass Vollzugsbehörden – also in der Regel Amtsveterinäre – die Bestimmungen so auslegen, dass bestimmte Rassen verboten werden. Dazu zählen eben auch Dackel.“

Das ist eine extreme Vermutung. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Richtung bereits gemacht?
„Als die Tierschutz-Hundeverordnung neu gefasst worden ist, sind sogenannte Qualzuchten von einem Ausstellungs- und Sportverbot erfasst worden. Schon damals war nicht klar definiert, was Qualzucht bedeutet. Ein Amtsveterinär hat daraufhin dafür gesorgt, dass in Erfurt etwa die Norm dahingehend umgedeutet wurde, dass eine Erlaubnispflicht für das Ausstellen von Hunden vorgesehen wurde. Er bestand darauf, dass jeder, der einen Hund ausstellen möchte, ein tierärztliches Attest vorlegen muss.“

Das klingt erst mal nicht schlimm …
„Möchten Sie, dass ihr gesunder Hund geröntgt wird? Es wurden Röntgenuntersuchungen für gesunde Hunde vorgesehen, weil sie eventuell Qualzuchtmerkmale aufweisen könnten, ohne tatsächlich erkrankt zu sein.“

„Wir fordern einen konkreten Merkmalskatalog“

Da sind wir wieder bei der Frage, wie man einen „gesunden Hund“ definiert …
„Wir sagen nicht, dass bei uns alles perfekt ist. Aber wir fordern einen konkreten Merkmalskatalog, der wissenschaftlich fundiert ist.“

Gibt es diesen Merkmalskatalog schon?
„Ja, den finden Sie auf unserer VDH-Internetseite. Darin geht es erst mal nur um Hunde-Ausstellungen. Wir schlagen darin den Cambridge-Test vor oder den Fitnesstest für Möpse. Hunde, die diesen Test bestanden haben, dürfen ausgestellt und zur Zucht zugelassen werden.“

„Das Tierschutzgesetz in der jetzigen Form wird dazu führen, dass auch gesunde Hunde nicht mehr gezüchtet werden dürfen“

Der Cambridge-Test beschäftigt sich mit Möpsen, Französischen Bulldogen und ähnlichen Rassen, die schlecht Luft bekommen. Aber es gibt noch viele andere Rassen mit erheblichen gesundheitlichen Problemen. Beim Dackel zum Beispiel frage ich mich: Warum muss diese Rasse aussehen wie eine laufende Wurst? Krumme Beine, Hängebauch, lange Schlappohren. 25 Prozent der Dackel leiden unter Bandscheibenvorfällen.
„Ich sehe das bei unseren Dackeln nicht so – und was Bandscheibenvorfälle betrifft, dazu arbeiten wir an einem Projekt mit der Uni Hannover. Es wird eine Studie geben, denn natürlich wollen wir uns verbessern. Wir wollen solche Probleme nicht ignorieren. Aber das Tierschutzgesetz in der jetzigen Form wird ja nicht dazu führen, dass sich die Rasse verbessert, sondern es wird dazu führen, dass auch gesunde Hunde nicht mehr gezüchtet oder ausgestellt werden dürfen.“

Das Tierschutzgesetz möchte Extreme in der Hundezucht verbieten, aber nicht die gesamte Rassehundezucht, so wie der VDH befürchtet.
„Das sagt das Gesetz aber nicht. Sondern die Gefahr besteht, dass Hunde allein wegen ihrer Größe nicht mehr gezüchtet werden dürfen. Ich nehme wieder das Beispiel Erfurt. Gegen den Amtsveterinär führen wir einen Rechtsstreit. Denn es ist nicht Aufgabe der Hundehalter, nachzuweisen, dass ihr Hund gesund ist, sondern die Behörde muss beweisen, dass der Hund krank ist und nicht ausgestellt werden darf. Da sieht man aber was passiert, wenn eine Norm so viel Interpretationsraum bietet.“

„Es ist nicht Aufgabe der Hundehalter nachzuweisen, dass ihr Hund gesund ist“

Wie habe ich mir das vorzustellen: Also in Erfurt fand eine Hunde-Ausstellung vom VDH statt und plötzlich kam ein Amtsveterinär und sprengte die Veranstaltung, indem er ein Verbot aussprach? Bestimmte Hunde durften daraufhin nicht mehr in die Halle und damit war die Veranstaltung beendet bzw. musste abgesagt werden?  
„Unser Landesverband Thüringen führt seit Jahren Ausstellungen in Erfurt durch. Dann kam die neue Hundeverordnung. Dazu hat der zuständige Amtsveterinär mit immer neuen Auflagen fast die Veranstaltung undurchführbar gemacht.

Ein Punkt war etwa, dass nur Untersuchungen von Fachtierärzten akzeptiert werden. Das ist aber totaler Unsinn. So viele Termine bekommt man beim Fachtierarzt gar nicht, dass man alle Hunde untersuchen lassen kann. Dazu kommen die horrenden Kosten für eine solche Untersuchung. Teilweise wurde gesagt, diese Untersuchung müsse man für jede Ausstellung haben. Das hat dazu geführt, dass es in Erfurt keine Rassehunde-Ausstellung mehr gibt. Wir haben daraufhin eine große Anwaltskanzlei beauftragt, um dagegen vorzugehen. Aber ein solches Verfahren dauert Jahre. Bis dahin ist die Veranstaltung tot.“

„Kranke Hunde haben auf Ausstellung und in der Zucht nichts zu suchen“

Und Sie befürchten, dass in Zukunft weitere Hunde-Ausstellungen des VDH in Gefahr sind, wenn das neue Tierschutzgesetz angewendet werden darf?
„Ja. Mit den meisten Amtsveterinären arbeiten wir sehr gut zusammen. Die sind ja zum Teil genau so verunsichert wie wir. Die werden ja auch allein gelassen und wissen nicht, wie sie die Bestimmungen auslegen sollen.“

Aber sollte es nicht im Sinne des VDH sein, erst mal gegen Qualzuchten vorzugehen?
„Natürlich möchten wir gegen Qualzuchten vorgehen und kranke Hunde haben auf Ausstellung und in der Zucht nichts zu suchen. Aber was Qualzucht-Merkmale wirklich sind, das muss mit einem konkreten Maßnahmenkatalog definiert werden.“

In der Vergangenheit kam es vor, dass Hunde auf VDH-Veranstaltungen prämiert wurden, die man „kaputt“ gezüchtet hat. Das Paradebeispiel ist der Deutsche Schäferhund mit seinem abfallenden Rücken. Was hat der VDH daraus gelernt? Wird man diese Hunde von Ausstellungen verbannen?
„Losgelöst vom Standard und den internationalen Vorgaben haben wir spezielle Vorgaben für Ringrichter eingeführt. Das heißt, es gibt Gesundheitskriterien, die eingehalten werden müssen. Die Richter sind verpflichtet, diese zur Kenntnis zu nehmen. So steht es in unseren Verträgen. Wir schulen unsere Züchter außerdem regelmäßig. Wir machen Online-Seminare und schaffen somit ein Problembewusstsein. Ich sehe das Problem genauso wie Sie. Wir möchten nicht mehr, dass solche kritischen Hunde prämiert werden. Es dürfen nur gesunde Hunde ausgezeichnet werden.“

Eine kontrollierte Rassehundezucht ist wichtig

Wie möchten Sie das sicherstellen?
„Wir haben eine Stichproben-Untersuchung. Wir untersuchen Hunde bestimmter Rassen, bevor sie in den Ehrenring kommen und schließen sie aus, wenn sie solche Merkmale haben. Wenn wir Missstände bei den Züchtern mitbekommen, greifen wir ein. Wir haben die Möglichkeit, als Verband, Zuchtprogramme vorzugeben. In dem Bereich sind wir stark engagiert und haben schon viel erreicht.“

Welche Einflussmöglichkeiten haben Sie als VDH, um gegen diesen Entwurf des Tierschutzgesetzes vorzugehen?
„Wir haben eine Stellungnahme abgegeben. Aber aufgrund unserer Erfahrungen mit dem Tierschutz, haben wir uns zusätzlich für die Kampagne entschieden. Für uns ist es wichtig, dass man uns in der Öffentlichkeit wahrnimmt. Wir vertreten die kontrollierte Hundezucht. Rassehundezucht ist wichtig. Denn Rassehunde haben nun mal vorhersehbare Eigenschaften. Zudem können bestimmte Gesundheitsgefahren ausgeschlossen werden.“

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„Ich habe den Eindruck, dass sich die Politik jetzt noch mal mit dem Entwurf beschäftigt“

Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?  
„Wir werden viele Gespräche mit Politikern führen, um unsere Argumente auf sachlicher Ebene vorzutragen. Ich habe zumindest den Eindruck, dass sich die Politik jetzt noch mal mit dem Entwurf beschäftigt. Es gibt dementsprechende Rückmeldungen. Wir stehen auf jeden Fall zur Verfügung, wenn es darum geht, einen wissenschaftlich fundierten tierschutzgerechten Merkmalskatalog zu erarbeiten. Dazu haben wir engen Kontakt zur Wissenschaft und beschäftigen im VDH auch einen erfahrenen Tiermediziner.“

Wie viel Zeit bleibt dem VDH, um Einfluss auf den neuen Entwurf zum Tierschutzgesetz nehmen zu können?
„Zu den weiteren Abläufen kann ich nichts sagen, das ist Spekulation. Das Gesetz hat 77 Seiten, davon sind nicht nur Hunde, sondern alle Tiere betroffen. Für die Landwirte ist das ebenfalls ein Thema.“  

Welche Möglichkeiten haben Rassehunde-Fans, die die Bedenken des VDH teilen, ein mögliches Verbot zu verhindern?
„Ich rate jedem, das Thema publik zu machen. Man kann das bei Abgeordneten ansprechen oder bei jemandem aus einer Partei, der Einfluss hat. Es nutzt auch, darüber im Freundeskreis zu sprechen. Das habe ich neulich erst in meiner Altherren-Fußballmannschaft gemacht. Die Jungs sind vom Glauben abgefallen. Man muss Leuten, die nichts mit der Hundeszene zu tun haben, auch mal erklären, was kontrollierte Rassehundezucht bedeutet.“

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